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Mögliche Landestellen auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko
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Rosetta: Erste mögliche Landeplätze auf dem Kometen stehen fest

25/08/2014 2606 views 20 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Am 6. August erreichte die ESA-Sonde Rosetta den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko. Mit Hilfe der detaillierten Informationen, die die Sonde seither zur Erde schickt, haben Experten nun fünf mögliche Stellen für eine Landung auf dem Kometen ausgewählt. Im November wird die ESA zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt auf einem Kometen landen und die Landeeinheit Philae auf der Oberfläche absetzen.   

Rosettas Ankunft am Kometen nach einer zehnjährigen Reise durchs All war der Schlüssel zur Auswahl möglicher Landeplätze, denn Nahaufnahmen und die Sammlung weiterer wichtiger Daten waren zuvor nicht möglich gewesen. Die Suche nach einer geeigneten Stelle für die 100 Kg schwere Landeeinheit konnte daher erst aus nächster Nähe beginnen.  

Die Landung ist für Mitte November vorgesehen, wenn der Komet noch rund 450 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ist. Zu diesem Zeitpunkt sollte die Aktivität des Kometen noch nicht so weit vorangeschritten sein, dass sie das sichere und präzise Absetzen von Philae gefährdet und das Oberflächenmaterial des Kometen verändert.

Der Komet befindet sich auf einer 6,5 Jahre dauernden Umlaufbahn um die Sonne und ist heute 522 Millionen km von ihr entfernt. In knapp einem Jahr, am 13. August 2015, werden der Komet und Rosetta mit einem Abstand von 185 Millionen Km von der Sonne ihre sonnennächste Position erreichen. Das bedeutet, dass sie achtmal mehr Licht von der Sonne erhalten. 

Mit ihren wissenschaftlichen Instrumenten wird Rosetta beobachten, wie sich der Komet angesichts der stärkeren Sonneneinstrahlung verändert, wie sich seine Koma entwickelt und wie sich seine Oberfläche im Laufe der Zeit verändert. Währenddessen nimmt die Landeeinheit Philae mit ihren Messgeräten Messungen auf der Kometenoberfläche vor. Die Landeeinheit und der Orbiter werden im Rahmen des CONSERT-Experiments Funkwellen durch den Kometenkern senden und diese Wellen verfolgen, um seine innere Struktur zu erforschen. 

Die Auswahl des richtigen Landeplatzes ist ein komplexer Vorgang

 

Der Ort muss den technischen Anforderungen des Orbiters und des Landegeräts während aller Phasen der Abtrennung, Absenkung und Landung entsprechen, und während der Experimente auf der Oberfläche den wissenschaftlichen Anforderungen der zehn Instrumente an Bord von Philae genügen.

Eine der Herausforderungen besteht darin, dass es aufgrund von Unsicherheiten bei der Navigation des Orbiters in der Nähe des Kometen nur möglich ist, einen Ort innerhalb einer bestimmten, bis zu einem Quadratkilometer großen Landeellipse zu bestimmen, an dem Philae landen könnte.

Zu jeder möglichen Zone müssen wichtige Fragen gestellt werden: Ist der Lander in der Lage, regelmäßig mit Rosetta zu kommunizieren? Wie häufig sind Hindernisse auf der Oberfläche wie große z.B. Gesteinsbrocken, tiefe Spalten oder steile Anhänge? Gibt es genügend Licht für wissenschaftliche Untersuchungen und ausreichend Sonnenlicht, um die Batterien der Landeeinheit nach seiner anfänglichen Laufzeit von 64 Stunden wieder aufzuladen, sie aber nicht zu überhitzen? 

Animation von Philae bei der Landung auf dem Kometen
Animation von Philae bei der Landung auf dem Kometen

 

Zur Beantwortung dieser Fragen wurden Daten verwendet, die Rosetta aus einer Entfernung von ca. 100 km aufgenommen hat, darunter hochauflösende Bilder von der Oberfläche, Messungen der Oberflächentemperatur des Kometen sowie des Drucks und der Gasdichte um den Kometenkern. Darüber hinaus wurden Messungen der Ausrichtung des Kometen im Hinblick auf die Sonne, seiner Rotation, Masse und Oberflächengravitation durchgeführt. Alle diese Faktoren beeinflussen die technische Machbarkeit der Landung an einem bestimmten Ort auf dem Kometen.

An diesem Wochenende traf sich die Landing Site Selection Group (bestehend aus Ingenieuren und Wissenschaftlern vom Science, Operations and Navigation Centre für Philae der CNES, vom Lander-Kontrollzentrum am DLR, Wissenschaftlern, die die Instrumente des Landers Philae betreuen, und dem Rosetta-Team der ESA) im CNES, Toulouse, um anhand der verfügbaren Daten eine Liste mit fünf möglichen Landeorten zu erstellen.

„Wir haben zum ersten Mal überhaupt Landeorte auf einem Kometen gesucht“, erklärt Dr. Stephan Ulamec, Lander-Projektleiter beim DLR in Köln. „Aufgrund der spezifischen Form und der globalen Topographie des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko kann es kaum überraschen, dass wir mehrere Standorte ausschließen mussten. Die möglichen Landeplätze, die wir nun untersuchen möchten, gelten aufgrund einer vorläufigen Analyse der Flugdynamik und weiterer wichtiger Fragen als technisch machbar – zum Beispiel gibt es dort jeweils mindestens sechs Stunden Tageslicht pro Kometenrotation sowie flaches Gelände. Natürlich verfügt jeder dieser Standorte über das Potenzial für einzigartige wissenschaftliche Entdeckungen.“

Der Komet ist anders als alles, was wir bislang kennen“, so Prof. Jean-Pierre Bibring, ein führender Lander-Wissenschaftler und Principal Investigator des CIVA-Instruments. „Er verfügt über spektakuläre Besonderheiten, die wir erst noch verstehen müssen. An den fünf ausgewählten Standorten haben wir die besten Chancen zu landen und die Zusammensetzung, interne Struktur und Aktivität des Kometen mit zehn Lander-Experimenten zu erforschen.“

Zusammenfassung der fünf möglichen Landeplätze:

Die Landeplätze wurden mit Buchstaben gekennzeichnet, die der Vorauswahl von 10 möglichen Orten entsprechen und keine Rangfolge beinhalten. Die Standorte B, I und J befinden sich auf dem kleineren der zwei Teile des Kometen und zwei weitere Standorte, A und C, auf dem größeren Teil.

Standort A ist eine interessante Region im größeren Kometenteilmit guter Sicht auf den kleineren Teil. Im Gelände zwischen den beiden Teilen erfolgt wahrscheinlich ein gewisses Ausgasen. Zur Untersuchung möglicher Gefahren auf der Oberfläche, z. B. kleiner Mulden und Hänge, sind höher auflösende Bilder erforderlich, während zugleich die Lichtverhältnisse weiter berücksichtigt werden müssen.

Standort B, der sich innerhalb der kraterähnlichen Struktur im kleineren Teil befindet, verfügt über ein flaches Terrain und gilt deshalb in Bezug auf die Landung als relativ sicher. Jedoch könnten die Lichtverhältnisse im Hinblick auf die längerfristige Planung der wissenschaftlichen Experimente von Philae ein Problem aufwerfen. Höher auflösende Bilder sind erforderlich, um die evtl. von Felsbrocken ausgehende Gefahr detaillierter zu beurteilen. Darüber hinaus nimmt man an, dass es sich bei diesem Gestein um kürzlich entstandenes Material handelt, weshalb dieser Standort vielleicht weniger ursprünglich ist als einige andere.

Standort C befindet sich auf dem größeren Teil des Kometen und beinhaltet eine Vielzahl von Oberflächenmaterialien, z. B. einige hellere Strukturen, Mulden, Klippen, Hügel und Ebenen, jedoch sind auch hier höher auflösende Bilder erforderlich, um die Risiken bewerten zu können. Der Standort ist ebenfalls gut ausgeleuchtet, was für die langfristige wissenschaftliche Planung für Philae von Vorteil wäre.

Standort I ist ein relativ flaches Gebiet im kleineren Teil, das relativ junges Material enthalten könnte, doch sind höher auflösende Bilder erforderlich, um das Ausmaß des unwegsamen Geländes beurteilen zu können. Auch die Lichtverhältnisse sollten für eine längerfristige Planung wissenschaftlicher Experimente geeignet sein.

Standort J ähnelt dem Standort I und befindet sich ebenfalls auf dem kleineren Teil. Er bietet interessante Oberflächenstrukturen und gute Lichtverhältnisse. Im Vergleich zu Standort I bietet er mehr Vorteile für das CONSERT-Experiment, jedoch sind höher auflösende Bilder erforderlich, um die Gegebenheiten des Terrains zu bestimmen, das einige Felsbrocken und Terrassenhänge aufweist.

 

Der nächste Schritt ist eine umfassende Analyse jedes der möglichen Standorte, um mögliche orbitale und operative Strategien zu entwickeln, die für die Absetzung der Landeeinheit durch Rosetta an einem der Standorte verwendet werden können. Gleichzeitig verringert Rosetta ihren Abstand zum Kometen auf rund 50 km und ermöglicht so eine detailliertere Erforschung der vorgeschlagenen Landeplätze.

Bis zum 14. September wird die Erstellung einer Bewertung und Rangliste der fünf möglichen Standorte abgeschlossen sein.

Künstlerische Darstellung von Rosetta und Philae
Künstlerische Darstellung von Rosetta und Philae

 

Dann erfolgt die Auswahl eines primären bzw. endgültigen Landeortes, für den eine detaillierte Landestrategie entwickelt wird, sowie eines Backup-Landeplatzes.

In dieser Phase nähert sich Rosetta dem Kometen dann auf 20 bis 30 km an, sodass die Verteilung der Gesteinsbrocken auf dem primären und dem sekundären Landeort noch genauer kartografiert werden kann. Diese Informationen könnten sich als wichtig erweisen, wenn es um die Entscheidung geht, ob man vom primären Landeort zum sekundären Ort wechselt.

Das Team der Rosetta-Mission arbeitet auf den 11. November als geplanten Landetermin hin. Die Bestätigung des primären Landeorts und des Datums werden jedoch erst für den 12. Oktober erwartet. Dann erfolgt nach einer umfassenden Betriebsfähigkeitsprüfung am 14. Oktober in Abstimmung mit dem Lander-Team ein formelles „Go“ oder „No go“ seitens der ESA.

 

„Der Prozess der Auswahl eines Landeortes ist extrem komplex und dynamisch“, erklärt Dr. Fred Jansen, ESA-Missionsleiter für Rosetta. „Je näher wir dem Kometen kommen, desto mehr Details sind erkennbar, die dann die endgültige Entscheidung beeinflussen, wo und wann wir landen werden. Wir mussten unsere vorläufige Analyse zu den möglichen Standorten sehr rasch nach der Ankunft am Kometen abschließen, und uns bleiben nur noch wenige Wochen, um den primären Standort zu bestimmen. Die Zeit läuft und nun besteht die Herausforderung darin, den bestmöglichen Landeort auszuwählen.“

Mehr über Rosetta 

Rosetta ist eine Mission der ESA mit Beiträgen von ihren Mitgliedsstaaten und der der NASA. Rosettas Lander Philae wird von einem Konsortium unter der Leitung von DLR, MPS, CNES und ASI beigesteuert. Der Flugbetrieb der Mission wird vom Europäischen Satellitenkontrollzentrum der ESA (ESOC) in Darmstadt aus durchgeführt.

20. Januar 2014: Mitglieder des Kontrollteams freuen sich im ESOC über das erste Signal von Rosetta nach 31 Monaten Tiefschlaf
20. Januar 2014: Mitglieder des Kontrollteams freuen sich im ESOC über das erste Signal von Rosetta nach 31 Monaten Tiefschlaf

 

Rosetta ist die erste Mission in der Geschichte, die in eine Umlaufbahn mit einem Kometen einschwenkte, , ihn auf seinem Weg um die Sonne begleiten und eine Landeeinheit auf ihm absetzen wird.

Kometen sind Zeitkapseln, die Überbleibsel aus der Zeit der Entstehung des Sonnensystems enthalten. Durch Untersuchung von Gas, Staub und der Struktur des Kometenkerns sowie der organischen Materialien des Kometen sowohl aus der Ferne als auch vor Ort dürfte die Rosetta-Mission eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, die Geschichte und Entwicklung unseres Sonnensystems zu ergründen und Fragen zum Ursprung des Wassers und vielleicht sogar des Lebens auf der Erde zu beantworten.

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