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. Das WRS (Water Recovery System – Wasserrückgewinnungssystem), Teil des ECLSS (Environmental Control and Life Support System – Lebenserhaltungssystem) der ISS
Science & Exploration

Moderne NASA-Technologie unterstützt Wasseraufbereitungsprojekte weltweit

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Ob in der abgeschlossenen Welt der Internationalen Raumstation oder in einer winzigen Hütte in Afrika, südlich der Sahara – überall ist Trinkwasser lebenswichtig. Allerdings haben viele Menschen weltweit zu wenig oder gar keinen Zugang zu sauberem Wasser. Aber dank einer Technologie, die für die ISS entwickelt wurde, stehen in Risikogebieten jetzt fortschrittliche Wasserfilterungs- und -reinigungssysteme zur Verfügung, die vielen Menschen das Leben retten können.

Concern for Kids (CFK), eine gemeinnützige Organisation aus Nye, Montana (USA), leistet bereits seit 1992 Entwicklungs- und Katastrophenhilfe in Ländern wie Malaysia, Irak und Indonesien. Unter anderem sammelt die Organisation Gelder zur Installation von Wasserversorgungssystemen und Wassertanks in Risikogebieten. Jahre, nachdem ein Tiefbrunnen im winzigen kurdischen Dorf Kendala im Irak trocken gefallen war, so dass die Einwohner kein Trinkwasser mehr zur Verfügung hatten, erfuhren Vertreter von CFK von dem Problem. Die Bevölkerung war mittlerweile von 1.000 auf nur noch 150 Menschen geschrumpft. Die verbleibenden Einwohner waren gezwungen, sich aus einem Bach in der Nähe mit Wasser zu versorgen. Dieses Wasser wurde allerdings durch Vieh verunreinigt und die Menschen filterten es mithilfe von Stoffstücken, um Schmutz und Unrat daraus zu entfernen.

Ehrenamtliche Helfer bei Installation und Test einer Wasseraufbereitungsanlage in Kendala, Irak
Ehrenamtliche Helfer bei Installation und Test einer Wasseraufbereitungsanlage in Kendala, Irak

Todd Harrison, seinerzeit Vorstandsvorsitzender von CFK, ging die Situation der Menschen in Kendala sehr nahe. Er machte es sich zur Aufgabe, der kränkelnden Gemeinde durch eine Verbesserung ihrer beklagenswerten Situation zu neuem Leben zu verhelfen. Die Lösung kam über Beziehungen zu NASA-Ingenieuren zustande, die an der Entwicklung von Technologien zur Trinkwasserversorgung der ISS arbeiteten.

Harrisons Schwester Robin Carrasquillo war die technische Leiterin des ECLSS-Projekts (Environmental Control and Life Support System – Lebenserhaltungssystem der ISS) im Marshall Space Flight Center der NASA. Sie und ihr Team von Ingenieuren entwickelten ein hochmodernes Lebenserhaltungssystem zum Recycling von Luft und Wasser an Bord der ISS.

Denn nur durch effizientes Abwasserrecycling lässt sich auf der ISS der Bedarf an Wassernachschub durch Versorgungsschiffe reduzieren, was bei Langzeitmissionen absolut notwendig ist. Ohne Recycling wäre die Logistik der ISS überfordert und die Versorgung der sechs Personen zählenden Standardbesatzung nicht möglich. „In einem Jahr überstieg das durch Recycling eingesparte Wasser das ursprüngliche Startgewicht und das Gewicht von Ersatzteilen, die aufgrund von Anfangsproblemen gebraucht wurden“, so Robin Carrasquillo.

Das Lebenserhaltungssystem ECLSS der Internationalen Raumstation besteht aus zwei Hauptkomponenten, dem WRS (Water Recovery System – Wasserrückgewinnungssystem) und dem OGS (Oxygen Generation System – Sauerstofferzeugungssystem). Im WRS laufen die Wasserreinigungs- und -filterprozesse des ECLSS ab. Kommerzielle Unternehmen zeigten schon bald Interesse an diesem Teil des ECLSS-Projekts, da sie hofften, die Technologie auch für Wasseraufbereitungsanlagen auf der Erde einsetzen zu können.

Da Harrison mit der Arbeit seiner Schwester vertraut war, erkannte er eine Möglichkeit, die Wasserfilterungstechnologie der NASA für CFK zu nutzen. Aus früheren Forschungen der NASA war das so genannte MCV (Microbial Check Valve – mikrobielles Sperrventil) hervorgegangen, eine unverzichtbare Komponente für die Reinigung und Filterung.

Das MCV, ursprünglich eine Entwicklung der Umpqua Research Corporation für das Space-Shuttle-Programm, wurde später an die Water Security Corporation (WSC) verkauft. Das MCV besteht aus einem jodierten Harz, mit dem sich das Wachstum von Mikroorganismen im Wasser auch ohne Stromversorgung problemlos unterbinden lässt. Reichert man Wasser mit Jod an, so ergibt sich daraus ein zweiter, ernährungsphysiologischer Vorteil für die Bevölkerung. Denn Jod in der Nahrung unterstützt die Hirnfunktion und trägt zur Aufrechterhaltung eines gesunden Hormonspiegels im Körper bei, der wiederum die Zellentwicklung und das Zellwachstum reguliert. Kinder, deren Nahrung zu wenig Jod enthält, leiden unter Verzögerungen der geistigen Entwicklung.

Mit der Hilfe von Personal des Civil Affairs and Psychological Operations Command (Airborne) der US-Armee wurden ein 2.000 Liter fassender Wassertank und Trinkwasser in das kurdische Dorf transportiert. Man installierte eine Wasseraufbereitungsanlage mit einem MCV, das die Sauberkeit des Wassers gewährleistet, so dass es nicht zu Bakterien- oder Virenkontaminationen kommen kann.Robin Carrasquillo erinnert sich noch gut an die Mühen und Herausforderungen des Aufbaus: „[CFK] hatte mit einigen technischen Problemen zu kämpfen und unsere Gruppe unterstützte sie per Telefon. Das MCV war beim Transport ausgetrocknet. Wir prüften die Sache und konnten Entwarnung geben – das MCV war trotzdem noch brauchbar. Außerdem waren die Pumpen, die im Dorf zur Verfügung standen, für das Filtersystem zu groß.“

Carrasquillos Team entwickelte und implementierte eine Umgehung, so dass man eine der vorhandenen Pumpen nutzen und das System unverzüglich in Betrieb nehmen konnte. Dank dieser Lösung kann in Kendala jetzt Wasser aufbereitet werden.

Die Zusammenarbeit zwischen Hilfsorganisationen und der NASA zeigt, wie effektiv sich die Weltraumforschung auf die Lösung globaler Probleme anwenden lässt. Nach diesem ersten Einsatz und der darauf folgenden kommerziellen Nutzung der ISS-Technologie konnte schon vielen Menschen in Entwicklungsländern und Katastrophengebieten weltweit geholfen werden. Chiapas und Vera Cruz in Mexiko, Kampang Salak in Malaysia, Sabana San Juan in der Dominikanischen Republik und Balakot in Pakistan sind nur ein paar Beispiele für Städte, die heute von dieser fortschrittlichen Filtertechnologie profitieren. Dazu kommen weitere Entwicklungen, darunter ein Gerät für den persönlichen Gebrauch, mit dem sich Urin durch Vorwärtsosmose in Trinkwasser verwandeln lässt. Die WSC (Water Security Corporation)lizenzierte das Gerät für kommerzielle Filtersysteme auf der ganzen Welt.

Arun Joshi, International Space Station Program Science Office
NASA Johnson Space Center

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