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Abbildung 1. Zellbiologisches Modul
Science & Exploration

Wachstumsexperiment zur Züchtung perfekter Kristalle im Labormodul Kibo

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ESA / Science & Exploration / Human and Robotic Exploration / International Space Station Benefits for Humanity

Das endlose Universum und unser Körper bzw. die Proteine, aus denen er besteht, sind gar nicht so verschieden, wie man vielleicht glaubt. Beiden gemeinsam sind kristalline Strukturen. Die Proteine im Körper sind komplexe, dreidimensionale Strukturen und das beste Umfeld, um sie zu untersuchen, ist der Weltraum. Die japanische Weltraumorganisation JAXA führt auf der ISS zurzeit Experimente an Kristallstrukturen durch, die vielleicht eines Tages zu Fortschritten in der Medizin beitragen werden.

Im Weltraum gibt es keine Konvektion. Das heißt, es kommt nicht zu horizontalen oder vertikalen Strömungen, bedingt durch die Dichteunterschiede in einer Lösung. Ebenso wenig kommt es zur Ausfällung, also dem Absinken schwerer Bestandteile. Das heißt, im Weltraum wirken bei der Bildung von Proteinmolekülen keinerlei Störeinflüsse. Die Moleküle wachsen gewissermaßen unter Idealbedingungen und können perfekte Kristallstrukturen ausbilden, was das Studium dieser Strukturen sehr erleichtert. Schon viele Arten von Kristallen konnten unter den einzigartigen Bedingungen im Weltraum gezüchtet werden.

Abbildung 2. PCRF (Protein Crystallization Research Facility)
Abbildung 2. PCRF (Protein Crystallization Research Facility)

Im Weltraum gibt es keine Konvektion. Das heißt, es kommt nicht zu horizontalen oder vertikalen Strömungen, bedingt durch die Dichteunterschiede in einer Lösung. Ebenso wenig kommt es zur Ausfällung, also dem Absinken schwerer Bestandteile. Das heißt, im Weltraum wirken bei der Bildung von Proteinmolekülen keinerlei Störeinflüsse. Die Moleküle wachsen gewissermaßen unter Idealbedingungen und können perfekte Kristallstrukturen ausbilden, was das Studium dieser Strukturen sehr erleichtert. Schon viele Arten von Kristallen konnten unter den einzigartigen Bedingungen im Weltraum gezüchtet werden.

Die JAXA (Japan Aerospace Exploration Agency) hat seit 2003 im Swesda-Servicemodul der ISS neun Experimente zur Proteinkristallisation durchgeführt und eine Technik zur Züchtung perfekter Proteinkristalle im Weltraum entwickelt. Auf der Grundlage dieser Technik begann im Juli 2009 im Labormodul Kibo eine Serie von sechs Experimenten, die bis Anfang 2013 abgeschlossen sein sollen.

Abbildung 3. Kartusche mit Gelkapillaren (JCB)
Abbildung 3. Kartusche mit Gelkapillaren (JCB)

Die Proteinproben in zellbiologischen Modulen (Abb. 1) werden von der russischen Weltraumorganisation Roskosmos mit dem russischen Versorgungsschiff Progress zur ISS transportiert. Schon bald nach dem Andocken werden die Proben ins PCRF (Protein Crystallization Research Facility) im Labormodul Kibo gebracht, wo sie für zwei bis vier Monate bei einer stabilen Temperatur von 20 °C verbleiben (Abb. 2). Beim Kristallisationsprozess kommt ein Gegendiffusionsverfahren unter Verwendung von Gelkapillaren zum Einsatz. Dabei diffundiert eine Polyethylenglykol- oder Salzlösung in die Proteinlösung, von der sie durch eine poröse Membran getrennt ist. Die Konzentration des Polyethylenglykols in der Proteinlösung nimmt nach und nach zu, bis schließlich die Bedingungen für die Proteinkristallisation gegeben sind (Abb. 3).

Von den Experimenten zum Proteinkristallwachstum erhofft man sich unter anderem Fortschritte in der Medizin. Proteine, die Krankheiten verursachen, und Medikamente, die diese Proteine unterdrücken, passen zueinander wie Schlüssel und Schloss. Hat man die Form des „Schlosses“ durch die Untersuchung seiner Proteinstrukturen ermittelt, so kann man ein wirksames und nebenwirkungsarmes Medikament entwickeln – den Schlüssel zum Schloss. Mit ihren Weltraumexperimenten leistet die JAXA einen Beitrag zur Erforschung chronischer Krankheiten und legt damit Grundlagen für eine bessere medizinische Versorgung in der Zukunft (Abb. 4).

Abbildung 4. Worin besteht der Vorteil der Weltraumexperimente?
Abbildung 4. Worin besteht der Vorteil der Weltraumexperimente?

Ein Beispiel für ein Protein, das im Weltraum erfolgreich zur Kristallisation gebracht werden konnte und das vielleicht zur Entwicklung einer neuen Therapie beitragen kann, ist H-PGDS (Hematopoietic Prostaglandin D Synthase). H-PGDS ist ein Enzym und an der Bildung von PGD2 (Prostaglandin D2) beteiligt, das bei allergischen und entzündlichen Reaktionen eine Rolle spielt. Kürzlich meldete ein Forschungsteam am OBI (Osaka Bioscience Institute), dass H-PGDS auch in nekrotischen Muskelfasern von Patienten mit DMD (Duchenne-Muskeldystrophie) exprimiert wird. DMD ist eine erbliche Muskelerkrankung und stellt die häufigste Form von Muskeldystrophie dar. Etwa einer von 3.500 Jungen ist davon betroffen. DMD zeigt sich in Muskelatrophie und schnellem Muskelschwund. Es ist eine chronische Krankheit, für die es noch keine ursächliche Behandlung gibt. H-PGDS-spezifische Inhibitoren könnten sich jedoch als nützliche Waffe gegen Muskeldystrophie erweisen.

Abbildung 5. Perfekte Kristalle der H-PGDS-Inhibitorkomplexe
Abbildung 5. Perfekte Kristalle der H-PGDS-Inhibitorkomplexe

Das Forscherteam am OBI konnte die dreidimensionale Struktur des H-PGDS bei einem Experiment mit dem Prototyp eines H-PGDS-spezifischen Inhibitorkomplexes erfolgreich bestimmen. Im Rahmen des Weltraumexperiments der JAXA ist die H-PGDS-Kristallisation in Schwerelosigkeit bereits mehrmals geglückt. Mithilfe der kristallographischen Röntgenstrukturanalyse, also der Bestimmung von Kristallstrukturen mithilfe von Röntgenstrahlen, entschlüsselten die Forscher die Struktur der perfekten Kristalle von H-PGDS-Inhibitorkomplexen mit einer Diffraktionsauflösung von 1,0–1,5 Angström und entdeckten dabei einen neuen Inhibitor mit einer mehrere hundert Mal stärkeren Aktivität als beim Inhibitor-Prototyp (Abb. 5). Dank dieser Untersuchungen wird der Bindungsmodus von H-PGDS und seinen Inhibitoren jetzt besser verstanden. Damit ist die Grundlage für ein besseres Wirkstoffdesign gelegt und man forscht weiter in der Hoffnung, die Ergebnisse eines Tages in der medizinische Praxis anwenden zu können (Abb. 6).

Abbildung 6. Behandlung der Muskeldystrophie
Abbildung 6. Behandlung der Muskeldystrophie

Im menschlichen Körper gibt es über 100.000 Proteine, in der Natur über 10 Milliarden. Jedes hat eine andere Struktur und jedes beinhaltet wichtige Informationen über die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf unserem Planeten. Der Weltraum ist das neueste Experimentierfeld für die biomedizinische Forschung an Proteinstrukturen. Im Weltraum lassen sich Experimente durchführen, die auf der Erde schwierig oder ganz unmöglich wären. Die perfekten Kristalle, die bei verschiedenen Experimenten im Labormodul Kibo gezüchtet werden, erschließen der Wissenschaft neue Erkenntnisse und Möglichkeiten. Das Wissen um Proteinstrukturen ist unverzichtbar für das Verständnis der Abläufe in lebenden Organismen.

Mika Masaki
Space Environment Utilization Center, JAXA

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