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Die Erde hinter der Internationalen Raumstation im Mai 2010, nach dem Abdocken von der Atlantis aus gesehen (Mission STS-132)
Science & Exploration

ISS unterstützt Studien zum Klimawandel

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ESA / Science & Exploration / Human and Robotic Exploration / International Space Station Benefits for Humanity

Für viele Astronauten ist der Anblick der Erde, unseres verletzlichen blauen Planeten, von der ISS aus das eindrücklichste Erlebnis ihrer Weltraummission. Immer neue Lichtverhältnisse und der Wechsel der Jahreszeiten lassen den Blick auf die Erde nie langweilig werden. Staubstürme, die über den Südwesten der USA hinwegfegen, Tiefdruckgebiete, die Nordeuropa Regen bringen, ein Taifun, der auf Japan trifft oder nachtleuchtende Wolken in hohen Breiten und andere Naturphänomene sind von diesem Außenposten im Weltraum aus wunderbar zu erkennen. Wissenschaftliche Instrumente an Bord einer internationalen Satellitenflotte erkunden, messen und analysieren permanent die Gegebenheiten auf der Erde und liefern Schlüsseldaten zum Verständnis langfristiger Veränderungen im Weltklima. Als Ergänzung zu den Missionen dedizierter Erdbeobachtungssatelliten hat die Europäische Weltraumorganisation ESA eine Aufforderung (Announcement of Opportunity, AO) für neue Experimente zum Klimawandel auf der ISS herausgegeben

Eine Vielzahl natürlicher, physikalischer Prozesse verändert über kürzere und längere Zeiträume hinweg die Atmosphäre, die Meere und die Landoberflächen. In den vergangenen 150 Jahren hat aber auch der Mensch erheblich in die natürliche Umwelt eingegriffen und damit vielfältige Folgeprobleme ausgelöst: steigende Konzentrationen von Treibhausgasen, veränderte Stickstoff- und Phosphorkreisläufe, starke Veränderungen bei der Landnutzung (z. B. Abholzung von Wäldern) usw. Um künftige Umweltentwicklungen abschätzen zu können, muss man die Zusammenhänge zwischen menschengemachten Einflüssen und natürlichen Abläufen verstehen. Gleichzeitig benötigt man ein solches Verständnis, um bei der Nutzung natürlicher Ressourcen durch den Menschen nachhaltige Entwicklungen anzustoßen, Umweltschäden zu minimieren und die Gesellschaft für die Folgen des Klimawandels zu wappnen.

. Nachtleuchtende Wolken, fotografiert von der ISS aus im Juli 2008
. Nachtleuchtende Wolken, fotografiert von der ISS aus im Juli 2008

Zurzeit betreiben die ESA und andere internationale Weltraumorganisationen eine Reihe von Erdbeobachtungssatelliten mit diversen Instrumenten, die auf bestimmte Missionsziele ausgelegt sind. Verschiedene Programme unterstützen diese Erdbeobachtungsmissionen, allen voran das Programm „Living Planet“ der ESA, das GMES-Programm (Global Monitoring for Environment and Security – Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung) als gemeinsame Initiative der EU und der ESA sowie die Climate Change Initiative (CCI – Klimawandelinitiative) der ESA.

Auch an Bord der Internationalen Raumstation finden ständig zahlreiche internationale Forschungsprojekte statt, wobei der Schwerpunkt der europäischen Forschung traditionell auf bio- und naturwissenschaftlichen Studien unter Weltraumbedingungen wie der Mikrogravitation liegt. Aber das Potenzial der ISS geht weit darüber hinaus. Auch für Experimente in Astrophysik, fundamentaler Physik, Geowissenschaft sowie zur Erforschung der Sonne und des Klimawandels ist sie geeignet.

Das Cupola-Modul der Internationalen Raumstation bietet einen Panoramablick auf die Erde.
Das Cupola-Modul der Internationalen Raumstation bietet einen Panoramablick auf die Erde.

Im Oktober 2009 startete das Directorate of Human Spaceflight (jetzt Directorate of Human Spaceflight and Operations) der ESA mit Unterstützung des Directorate of Earth Observation Programs einen Ideenaufruf, um das Interesse der europäischen und internationalen Forschung am Einsatz von Fernerkundungsinstrumenten auf der ISS zur Untersuchung des globalen Wandels auszuloten. 45 Vorschläge mit zahlreichen, vielversprechenden Konzeptionen wurden eingereicht. Damit war das große Interesse an der ISS als Plattform zur Erforschung des Klimawandels erwiesen und mehrere reizvolle Themenbereiche kristallisierten sich heraus. Die eingereichten Vorschläge werden durch Fachleute geprüft. Diese werden mehrere Experimente zur weiteren, genaueren Untersuchung auswählen und zur Durchführung auf der ISS weiterentwickeln.

Diese Nachtaufnahme des Nildeltas und des östlichen Mittelmeeres entstand im November 2010 auf der ISS.
Diese Nachtaufnahme des Nildeltas und des östlichen Mittelmeeres entstand im November 2010 auf der ISS.

Die ISS bietet die Möglichkeit, Instrumente zu nutzen und Experimente durchzuführen, ohne dass dafür eine spezielle Satellitenplattform entwickelt werden muss. Ihre Umlaufbahn ist mit einer Neigung von 51,6° und einer Höhe von 350– 400 km anders als die der meisten Erdbeobachtungssatelliten. An ihrer Außenseite können Instrumente an unterschiedlichen Stellen installiert werden, nämlich an der integrierten Gitterstruktur oder an dedizierten Plattformen des europäischen Columbus-Moduls, des japanischen Labormoduls Kibo oder an den Modulen des russischen Segments. Die externe Nutzlastplattform des europäischen Columbus-Moduls (CEPF) hat vier Koppelstellen für Nutzlasten am Modulende, geeignet für Nadir-, Zenith- und Limb-Beobachtungen. Mehrere Instrumente für geowissenschaftliche Studien und die Untersuchung des Klimawandels befinden sich zurzeit in der Entwicklung oder sind bereits auf der ISS im Einsatz. Die Koppelstelle für Zenithbeobachtungen am CEPF ist zurzeit von SOLAR (Sun Monitoring on the External Payload Facility of Columbus) belegt, einem ESA-Instrument zur Messung der Energiestrahlung der Sonne, eines wichtigen Parameters für die Klimaforschung. 2015 soll ASIM (Atmosphere Space Interactions Monitor) ans Columbus-Modul angekoppelt werden, ein ESA-Instrument zur Untersuchung hochenergetischer optischer und Gammastrahlung, die bei Gewittern auftritt. Das SMILES-Instrument (Superconducting Submillimeter-Wave Limb Sounder) der JAXA an der Außenplattform des japanischen Labormoduls Kibo maß bis zu seinem Ausfall Spurengase in der Stratosphäre, darunter chemische Stoffe, die mit der Ozonschicht reagieren. Ebenfalls an der Außenplattform des japanischen Labormoduls Kibo befindet sich HICO (Hyperspectral Imager for the Coastal Ocean), ein abbildendes Spektrometer der NASA zur Untersuchung von Küstengewässern.

Auch das Innere der ISS mit ihren hochwertigen Aussichtsfenstern bietet Platz für zahlreiche Instrumente: WORF (Window Observational Research Facility) im Destiny-Modul der NASA nutzt ein dediziertes Nadir-Beobachtungsfenster, während das Cupola-Modul sogar sieben Fenster für Nadir- und Limb-Beobachtungen mit Panoramablick auf die Erde bietet. Eine weitere wichtige Datenquelle sind Fotos der Erde, die die Besatzung im Rahmen des CEO-Projekts (Crew Earth Observations) mit digitalen Handkameras durch die Fenster der ISS aufnimmt. Im Prinzip bietet die ISS die Möglichkeit, Labor- oder luftgestützte Instrumente mit relativ kurzer Vorlaufzeit zu entwickeln und ins All zu bringen. Außerdem können die Astronauten im Inneren der ISS ohne spezielle Ausrüstung in fast normaler Umgebung arbeiten, Instrumente bedienen und direkt in Experimente eingreifen, indem sie zum Beispiel Konfigurationen ändern oder Filter austauschen.

Jason Hatton
Science and Applications Division
International Space Station Utilization and Astronaut Support Department
Directorate of Human Spaceflight and Operations
ESA/ESTEC

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