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Foto (v.l.n.r.): "Austronaut" Franz Viehböck, Weltraumminister Jörg Leichtfried und ESA-Generaldirektor Jan Wörner
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„Es war die erste Möglichkeit, Brücken zu schlagen“

25/10/2017 666 views 3 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Der Weltraum leuchtet immer auch ein bisschen in den Farben rot-weiß-rot. 30 Jahre ist es her, dass Österreich als Vollmitglied in der Europäischen Weltraumorganisation aufgenommen wurde. Heute sind österreichische Wissenschaftler und Technologie „Made in Austria“ wichtiger Bestandteil der ESA. Ein Rück- und Ausblick zum Jubiläum.

„Wichtiger Mitgliedstaat“

 

Als „Cassini-Huygens“ 1997 den Weg zum Saturn antrat, hatte die Sonde österreichische Instrumente an Bord. In der „Cluster“-Mission erkunden seit dem Jahr 2000 Messgeräte aus dem Alpenstaat die Auswirkungen der Sonne auf die Erde. Der Österreicher Rudolf Schmidt war Projektmanager 2003 bei „Mars Express“ und auch die weltweit beachtete Kometenmission „Rosetta“ startete mit rot-weiß-roter Technologie im Gepäck. Knowhow aus der Alpenregion von Wien bis Graz ist seit 1987 mit rund 50 Satelliten ins All geflogen und auch die Liste österreichischer Wissenschaftler in der europäischen Raumfahrt ließe sich beliebig verlängern. 2016 etwa wurde der Tiroler Geophysiker Josef Aschbacher ESA-Direktor für die Erdbeobachtung.

„Die ESA wäre ohne Österreich ärmer“, betont Johann-Dietrich Wörner. Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Österreich, so der Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtorganisation, hätten seit 1987 immer wieder ihre herausragende Expertise in Weltraumbelangen bewiesen. „Sie haben sich in der ganzen Bandbreite - von der Erdbeobachtung, der Navigation für Satelliten, den wissenschaftlichen Instrumenten bis zur Trägertechnologie - mit ganz wichtigen Beiträgen positioniert“, unterstreicht der ESA-Chef. Österreich sei für die Europäische Weltraumorganisation „ein wichtiger Mitgliedstaat“. 

Wichtig für die heimische Wirtschaft

 

Jörg Leichtfried, Österreichs Infrastrukturminister von 2016 bis Herbst 2017, bezeichnete bei den Jubiläumsfeiern in Graz sein Land als „Weltraumnation“. Im heimischen Weltraumsektor sind heute 120 Betriebe mit mehr als tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv, der Gesamtumsatz der Branche beträgt rund 125 Millionen Euro. Das österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technik (BMVIT) investiert aktuell rund 70 Millionen Euro für die Entwicklung neuer Weltraum-Technologien. Ein Großteil davon geht an die ESA.

2016 hat Österreich Beiträge in Höhe von 48 Millionen Euro an die Europäische Raumfahrtagentur geleistet. Davon etwa 18 Millionen für das ESA-Pflichtprogramm und 30 Millionen für ESA-Wahlprogramme. Nationale Betriebe können sich im Gegenzug um Aufträge bewerben. Der wirtschaftliche Rückfluss ist groß. Laut BMVIT wurden in den vergangenen 30 Jahren rund 800 Millionen Euro an ESA-Aufträgen von der heimischen Industrie eingeworben.

Kaum eine ESA-Mission ohne Technik „Made in Austria“

 

„Die Stimme Österreichs wird sehr gut gehört und geschätzt", ist auch Klaus Pseiner überzeugt. Er ist Geschäftsführer der Forschungsförderungsgesellschaft FFG mit Sitz in Wien, die zusammen mit der Agentur für Luft- und Raumfahrt für Österreichs Wirtschaft und Wissenschaft die Anlaufstelle zur internationalen Luft- und Raumfahrtbranche bildet. Der FFG-Chef, der Maschinenbau- und Biotechnologie studiert hat, war zehn Jahre im Technischen Zentrum des niederländischen ESA-Zentrums ESTEC beschäftigt. 2015 übernahm er bis 2017 den Vizevorsitz des ESA-Rates. Die Rolle Österreichs gehe heute weit über das Finanzielle hinaus, sagt er. „Wir beteiligen uns sehr gezielt an ESA-Missionen und konzentrieren uns auf die Schwerpunkte Erdbeobachtung, Telekommunikation und Navigation.“

30 Jahre ESA-Österreich: Eine Erfolgsgeschichte
30 Jahre ESA-Österreich: Eine Erfolgsgeschichte

Spezialisierung ist das Schlüsselwort: Forscher und Entwickler aus österreichischen lndustrie-Betrieben und 20 wissenschaftlichen Instituten fokussieren sich auf Hochtechnologie-Bereiche. „Wir haben einen sehr hohen Spezialisierungsgrad erreicht“, so Klaus Pseiner. Das Spektrum umfasst Werkstoffe und Komponenten für Weltraumtransportsysteme wie etwa Tieftemperaturtreibstoffleitungen für die europäische Trägerrakete Ariane 5, Triebwerkspositioniermechanismen, Systemteile für die Temperaturregelung, Hardware und Software für die Signalverarbeitung an Bord von Satelliten, Satellitenmechanismen sowie Isolation zum thermischen Schutz von Satelliten, Software-Systeme für den Betrieb von Satelliten sowie die vollautomatische Überwachung ihrer Signalqualität oder auch innovative Satelliten-Kommunikationssysteme. „Bei der Signalverarbeitung ist österreichische Technologie eine europäische und internationale Größe. Es gibt kaum eine ESA-Mission ohne unsere Malware-Isolierung – also die Isolierung von Schadsoftware“, betont der FFG-Geschäftsführer. „Auch in der Magnetosphäre-Forschung sind wir weltweit führend.“

Ein Stück Europa noch vor der EU

 

Einer, der die Anfänge vor noch mehr als 30 Jahren persönlich mitgestaltet hat, ist Peter Jankowitsch. Der heute 85-jährige Politiker und Diplomat war in den 1980ern Außenminister Österreichs. Zuvor war er Ständiger Vertreter seines Landes bei den Vereinten Nationen in New York und später auch bei der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, in Paris. Den Eintritt ins Raumfahrt-Zeitalter hat er mit dem Sputnik-Start der Sowjetunion und der Landung der US-Amerikaner auf dem Mond live erlebt. Die ESA war für ihn jedoch nie nur der Zusammenschluss der Nationen zur Erforschung und Eroberung des Weltalls oder der Anschluss an die Hochtechnologie-Ära. „Das war vielmehr die erste Möglichkeit, Brücken zu schlagen“, sagt er.

Technik „Made in Austria": Österreich setzt auf Spezialisierung
Technik „Made in Austria": Österreich setzt auf Spezialisierung

Erste Abkommen Österreichs mit der ESA gab es bereits 1975 - bei den Gesprächen damals war Peter Jankowitsch dabei. Für den engagierten Europäer, der von 1990 bis 1992 auch Österreichs Europasekretär wurde, war der Beitritt zur ESA „ein Stück österreichische Europapolitik. Die ESA war für uns noch vor der EU zugänglich.“ 1981 wurde Österreich assoziatives Mitglied in der europäischen Weltraumorganisation, 1987 folgte die Vollmitgliedschaft.

Brücken schlug Österreich aber auch zur damaligen Sowjetunion und deren Raumfahrtprogramm. In den 1980er und 90er Jahren gab es zahlreiche bilaterale Kooperationsprojekte. Österreichische Instrumente wurden für die Venus-Sonden Venera 13 und 14 (1981 – 1982), die Flüge Vega 1 und 2 (1984 – 1986) zum Halleyschen Kometen und die PHOBOS Mars Sonden (1988 – 1989) entwickelt. Höhepunkt der Zusammenarbeit war die AUSTOMIR-91 Mission, der Flug des ersten und bis heute einzigen österreichischen Kosmonauten, Franz Viehböck, zur Raumstation MIR 1991. An Bord von MIR wurden 14 österreichische Experimente erfolgreich durchgeführt.

Erfolgsgeschichte

Für Botschafter Peter Jankowitsch und FFG-Chef Klaus Pseiner ist die Raumfahrttechnik „Made in Austria“ und die ESA-Mitgliedschaft eine 30jährige Erfolgsgeschichte. Österreich, sagen sie, ist in der wissenschaftlichen Gemeinschaft „weltweit sichtbar“ – mit seinen Forschern, Zulieferfirmen und nicht zuletzt mit dem Institut für Weltraumforschung (IWF) der österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz. Das IWF kooperiert zu Zweidritteln mit der ESA und zu einem Drittel mit anderen Weltraumagenturen. Mit rund 100 Mitarbeitern/innen hat sich das Personal seit 2000 mehr als verdoppelt. Ohne die ESA-Mitgliedschaft, sagt dessen Direktor Wolfgang Baumjohann, „wäre das Institut nicht, was es jetzt ist“. Die Wissenschaftler und Forscherinnen des Instituts haben die nächste große Mission der ESA im Visier: Den Merkur-Flug BepiColombo 2018, bei der das IWF mit drei Messgeräten (Magnetometer und Ionenspektrometer) beteiligt ist.

Österreicher im All

 

Einen Wunsch hegt man im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technikfür die nächsten 30 Jahre ESA-Mitgliedschaft: Dass Franz Viehböck nicht der einzige Österreicher bleibt, der ins All geflogen ist. „Unsere Weltraumleistungen müssen wieder ein Gesicht bekommen“, plädierte der scheidende Bundesminister für ein österreichisches Engagement in der Bemannten Raumfahrt.

Die wichtigsten Daten im Überblick:

Die wichtigsten Daten der österreichischen Raumfahrtgeschichte finden Sie in dieser Zeitleiste. 

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