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Was tun, um nicht wie die Dinosaurier zu enden?

26/09/2002 709 views 0 likes
ESA / Space in Member States / Austria

ESA PR 60-2002. Meldungen über Asteroiden oder Kometen auf Kollisionskurs mit der Erde kommen allemal gelegen, um die Nachrichtendürre im Sommer zu überwinden. Ist an diesen Unheilsbotschaften etwas dran, und was unter- nimmt in diesem Falle die ESA?

Natürlich hätte es apokalyptische Folgen, wenn ein großer Komet oder Asteroid mit der Erde zusammenstieße. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Zusammenstoßes ist aber äußerst gering. Die letzte Schreckensmeldung, die durch die Presse ging, wurde von dem Asteroiden 2002NT7 ausgelöst, ein etwa 2 km durchmessendes Objekt, das den ersten Verlautbarungen zufolge am 1. Februar 2019 mit einer Geschwindigkeit von 28 km/s auf der Erde einschlagen soll. Das Ergebnis wären ungeheure Verwüstungen, wenn nicht gar – wie manche Zeitungen prophezeiten – das Ende der Welt.

Zum Glück für die Menschen, die das Jahr 2019 erleben, wird die Gefahr, daß es zu einem solchen Zusammenstoß kommt, inzwischen als vernachlässigbar klein betrachtet. Obwohl in den ersten Schätzungen die Wahrscheinlichkeit noch mit 1:100 000 beziffert wurde, setzen die Wissenschaftler, die diesen neuen Asteroiden – er wurde erst im Juli entdeckt – und seine Flugbahn sehr viel eingehender unter die Lupe genommen haben, diese nun erheblich niedriger an. Asteroiden und Kometen, die auf ihren Bahnen der Erde nahekommen, werden als erdnahe Objekte (Near Earth Objects – NEO) bezeichnet. Objekte mit weniger als 50 m Durchmesser verglühen beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Schätzungen zufolge fallen jedes Jahr rund 50 000 NEO-Bruchstücke als Meteoriten auf die Erde – meist zu klein, um Schaden anzurichten.

Glücklicherweise ist ein Zusammenstoß mit der Erde um so weniger wahrscheinlich, je größer ein NEO ist, da schon ein Objekt mit 300 m Durchmesser ein ganzes Land verheeren und beim Einschlag in einen Ozean die gefürchteten Tsunamis auslösen könnte, jene Riesenwellen, die viele Küstenstädte zerstören.

Laut Aussagen der Astronomen schlägt ein NEO mit rund 50 m Durchmesser alle 100 bis 300 Jahre und ein NEO mit 1 km Durchmesser im Abstand von einigen Hunderttausend Jahren auf der Erde ein. Sehr große Zusammenstöße, die den Fortbestand aller großen Landlebewesen gefährden können, treten alle hundert Millionen Jahre auf. Bisher haben die Astronomen 600 NEO mit mehr als 1 km Durchmesser ausfindig gemacht, glauben aber, daß es noch einmal halb so viele gibt, die erst noch aufgespürt werden müssen.

Selbst wenn der tatsächliche Bestand niedriger sein sollte, steht doch fest, daß die Erde früher oder später wieder von einem NEO derselben Größenordnung heimgesucht werden dürfte wie das Objekt, das vor 65 Millionen Jahren vermutlich zum Aussterben der Dinosaurier geführt hat. Dies bringt uns zur zweiten Frage: Was unternimmt die ESA?

Die ESA und NEOs

Blick auf das innere Sonnensystem
Blick auf das innere Sonnensystem

Schon seit Jahren fördert die ESA Vorhaben zur Beobachtung und Erforschung von NEOs. Sie ist der Ansicht, daß es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die über die nationalen Grenzen hinausgehen und allen Völkern dienen. Außerdem ist im Weltraum- forschungsinstitut ESRIN der ESA bei Rom der zentrale Knoten des Spaceguard-Netzes angesiedelt. Diese gemeinnützige wissenschaftliche Privatorganisation fördert und koordiniert die NEO-Forschung in der ganzen Welt.

Die ESA hat nun ein neues Projekt gestartet, um von der Industrie und Hochschulen Vorschläge dafür einzuholen, wie man die Erde am besten gegen NEOs schützen und vor allem mehr über diese in Erfahrungen bringen kann. Der von einem NEO angerichtete Schaden hängt von seiner Einschlaggeschwindigkeit, seiner Größe und seiner Zusammensetzung ab. Je mehr wir hierüber wissen, um so leichter kann entschieden werden, welche uns gefährlich werden können und was am besten gegen sie unternommen werden sollte.

Im Juni trat eine Gruppe von NEO-Sachverständigen zusammen, um die besten sechs Vorschläge auszuwählen. Andrés Gálvez, einer der ESA-Vertreter in der Gruppe, berichtet: „Als Gewinner wurden sechs Vorschläge ausgewählt, deren Missionskonzept zur Beantwortung grundlegender Fragen im Zusammenhang mit der Bedrohung durch NEOs beitragen dürfte: Wieviele NEOs gibt es, welche Größe und Masse haben sie, handelt es sich um kompakte Körper oder lose Gesteinsansammlungen? Diese Informationen und andere Daten werden benötigt, bevor geeignete Abwehrmaßnahmen ausgearbeitet werden können.“

Die sechs Gewinner sind:

  • Don Quijote: Dieser Vorschlag sieht zwei Raumfluggeräte vor, wovon eines namens „Hidalgo“ mit hoher Geschwindigkeit auf einem Ziel-Asteroiden aufschlagen soll, während das zweite namens „Sancho“ das Geschehen vor, während und nach dem Aufschlag aus sicherer Entfernung beobachtet, um Erkenntnisse über den inneren Aufbau des NEO zu gewinnen. Dabei würden auch mögliche künftige Abwehrmaßnahmen erprobt; z.B. würde geklärt, ob der Aufschlag von „Hidalgo“ so programmiert werden kann, daß der Asteroid aus seiner Kollisionsbahn mit der Erde geworfen wird.

     

  • Earthguard 1: Ein Raumfluggerät würde mit Hilfe eines Sonnensegels oder elektrischen Antriebs oder als Passagiernutzlast bei einem künftigen Start auf eine heliozentrische Bahn befördert, um NEOs aus einem günstigeren Blickwinkel zu beobachten.

     

  • ISHTAR: Hierbei würde das Innere eines NEO, sein Aufbau und die von ihm ausgehende Gefahr mittels Radar-Tomographie sondiert, eine neue Technologie, die ein Bodendurchdringungs- Radar zu Aufnahmen des Inneren eines festen Körpers nutzt.

     

  • SIMONE: Eine Flotte kostengünstiger Kleinsatelliten würde an einer Reihe von NEOs vorbeifliegen bzw. ihnen begegnen, um die Merkmale der Population zu bestimmen und aus nächster Nähe Informationen über die gefährlichen Objekte zu sammeln.

     

  • EUNEOS: Aus einer Bahn im inneren Sonnensystem würde eine Himmelsdurchmusterung durchgeführt, um die gefährlichsten NEOs ausfindig zu machen. Diese sind mit bodengestützten Observatorien oft am schwersten zu beobachten, da diese schwach leuchtenden Objekte in vielen Fällen nur am Taghimmel oder sehr nahe am Horizont erscheinen.

     

  • Fernbeobachtung von NEOs aus dem Weltraum: Mit einem weltraumgestützten Observatorium sollen Fernbeobachtungen durchgeführt und die physikalischen Eigenschaften von NEOs wie Größe, Zusammensetzung und Oberflächenbeschaffenheit bestimmt werden.

    Andrea Carusi, der Präsident der Spaceguard-Stiftung, betrachtet es als „sehr wichtig, daß die ESA, eine der größten Raumfahrtagenturen, die außerdem schon stark an NEO-Untersuchungen beteiligt ist, sich zu einem weiteren Schritt in diese Richtung entschlossen hat.“

    Für die sechs Vorschläge werden nun aus Mitteln des ESA-Programms für Allgemeine Studien Voruntersuchungen durchgeführt. Anhand der Ergebnisse, die im Jahr 2003 vorliegen sollen, wird die ESA beurteilen, ob eine oder mehrere der vorgeschlagenen Missionen durchführbar sind und Entwicklungsarbeiten rechtfertigen.

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