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Das ESA-Astronomie-Teleskop Gaia wird am Donnerstag starten
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Gaia-Start: Astronomen drücken die Daumen

17/12/2013 2058 views 8 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Das wird ein spannender Start: Wenn am kommenden Donnerstag eine Rakete in den Himmel über Kourou (Französisch-Guayana) donnert, werden Astronomen in Deutschland und weltweit den Atem anhalten. An Bord befindet sich der europäische Gaia-Satellit, dessen fünfjährige Mission die Astronomie revolutionieren soll.

Es geht um eine Vermessung der Sternenhimmels, wie es sie in diesem Umfang und dieser Präzision noch nie gegeben hat. „Kaum ein Teilgebiet der Astronomie, das von Gaias Messungen nicht profitieren wird“, erklärt Dr. Ulrich Bastian vom Astronomischen Rechen-Institut ARI. Bastian ist ein Veteran dieser astronomischen Teildisziplin, die Experten „Astrometrie“ nennen. Der Heidelberger war schon an Gaias Vorläuferprojekt maßgeblich beteiligt, dem ESA-Satelliten Hipparcos, der seine Daten 1989 bis 1993 funkte.

Eine Milliarde Sterne im Visier

Dr. Ulrich Bastian
Dr. Ulrich Bastian

 

Gaia ist vor allem eine Observatorium, das den Astronomen auch in Deutschland eine enorme Datenmenge zur Verfügung stellen wird. Die genauen Positionen und Helligkeiten von rund einer Milliarde Sternen in unserer Milchstraße wird der europäische Satellit vermessen, durchschnittlich 70-mal wird er jeden dieser Sterne ins Visier nehmen. Zusätzlich werden spektrale Daten aufgenommen.

Dr. Ulrich Bastian gehört zu den führenden Wissenschaftlern im Gaia-Projekt, er leitet die sogenannte Core-Processing-Coordination Unit. Was bedeutet das? Bevor die Wissenschaftler Gaias Daten nutzen können, müssen die Rohdaten, die der Satellit an die ESA-Bodenstationen im spanischen Cebreros und in New Norcia (Australien) funkt, in eine andere Form übertragen werden – ein komplexer Vorgang, ohne den die Forscher Gaias Messdaten nicht nutzen können.

Dazu gehört ein erster Check, ob die Messungen tatsächlich die Genauigkeit haben, wie es von Gaias beiden Teleskopen erwartet wird. „Ein entscheidender Faktor ist, dass man zu jedem Zeitpunkt weiß, ob Gaia so genau arbeitet wie es soll“, erklärt Bastian.

„First Look“ der Heidelberger Experten auf die Gaia-Daten

 

Einen „First Look“, den die ARI-Experten auf die Daten werfen, sollte man nicht für einen flüchtigen Blick halten. In Wirklichkeit ist es eine aufwendige Computeranalyse, welche die Qualität der Daten auf Herz und Nieren prüft. „Da sind täglich 400.000 Zeilen Java-Computercode am Werk“, stellt Bastian klar.

Um die Datenqualität zu sichern, müssen die Forscher auch jederzeit sehr genau die Position des Satelliten im All und insbesondere seine Bewegung kennen. Bastian: „Wir müssen Gaias Geschwindigkeit genau wissen, auf 2,5 Millimeter pro Sekunde.“ Deshalb werden zusätzlich zu den Peilungen durch Radioantennen auch optische Beobachtungen durchgeführt: Rund um den Globus fotografieren täglich etwa zehn Sternwarten den Satelliten.

Kartierung der Milchstraße in 3D

 

Auch die Wissenschaftlergruppe um Dr. Coryn Bailer-Jones vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie ist mit der Weiterverarbeitung von Gaias Messdaten befasst. Dort werden beispielsweise Methoden der Mustererkennung benutzt, um zu klassifizieren, welche Himmelsobjekte Gaia abgelichtet hat:

Die Software kann erkennen, ob es sich um einen einzelnen Stern, einen Doppelstern, einen Quasar oder eine Galaxie handelt, sie verwendet dazu Gaias Spektraldaten und astrometrische Messungen.

Unsere Milchstraße
Unsere Milchstraße

Neben Gaias Hauptaufgabe, also der präzisen dreidimensionalen Kartierung der Milchstraße, ist auch in zahlreichen anderen astronomischen Teilgebieten mit großen Fortschritten zu rechnen: Voraussichtlich einige tausend Exoplaneten werden im Laufe der Mission entdeckt werden, hinzu kommen zehntausende „Braune Zwerge“, also Himmelskörper, die zu wenig Masse haben, um sich zu echten Sternen wie der Sonne zu entwickeln.

In unserem Sonnensystem wird Gaia die Bahn von Hunderttausenden von Asteroiden und Kometen genau vermessen. Die Datenmenge, die den Astronomen weltweit am Ende der Mission zur Verfügung stehen wird, ist gewaltig: Eine Million Gigabyte. Rund 200.000 DVDs wären nötig, um das alles abzuspeichern. 

Theorien auf den Prüfstand

 

Nach langen Jahren der Vorbereitung steht der „Zensus der Milchstraße“ nun unmittelbar bevor. Doch Gaias Messungen werden nicht nur ein genaues Bild des Status-Quo liefern. Die Forscher gehen davon aus, dass es mit den Daten erstmals möglich sein wird, die Zeit quasi rückwärts laufen zu lassen und die Entwicklung der Milchstraße nachzuverfolgen.

Denn unsere heimatliche Galaxis soll durch eine Art Kannibalismus zu ihrer heutigen Größe herangewachsen sein – immer wieder soll sie kleinere Galaxien verschluckt und in ihr Gefüge integriert haben. Auch die rätselhafte Dunkle Materie spielt in der Entwicklung der Milchstraße eine wichtige Rolle. Gaia soll all diese Vorstellungen der Theoretiker durch Messungen auf den Prüfstand stellen.

Der Hauptkontrollraum im ESOC
Der Hauptkontrollraum im ESOC

Unterdessen steigt kurz vor dem großen Moment die Spannung. Coryn Bailer-Jones ist zum ESA-Startplatz nach Kourou gereist, den historischen Tag will er vor Ort erleben. Sein Kollege Ulrich Bastian wird den Start im Darmstädter Raumfahrtkontrollzentrum ESOC verfolgen, dort also, wo Gaias Mission künftig gesteuert wird.

„Wenn alles wie geplant verläuft, können wir das erste Funksignal nach dem Start frühestens um 10.53 Uhr MEZ erwarten“, erklärt Dr. Paolo Ferri, Bereichsleiter für den Missionsbetrieb bei ESA/ESOC. Bis dahin gilt es: Daumen drücken!

Weitere Informationen

 

Web-Special (Englisch) zur Gaia-Mission unter: http://sci.esa.int/gaia/

Weitere Details, Videos zur Gaia-Mission für Experten (Englisch): www.esa.int/gaia

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