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Der Levitator EML bei Tests
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Projekt EML: Schwebende Metalle im Speziallabor

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ESA / Space in Member States / Germany

Ziel der Materialforscher ist es, Metalllegierungen ihre Geheimnisse zu entreißen. Hierzu wird Alexander Gerst den mit dem europäischen Transportfrachter ATV 5 „Georges Lemaître“ beförderten elektromagnetischen Levitator (EML) im europäischen Columbus-Modul installieren, in Betrieb nehmen und anschließend die ersten Proben prozessieren.

Für Materialwissenschaftler stellt das EML eine der wichtigsten Anlagen auf der Raumstation dar. Mittels elektromagnetischer Felder werden hier Metallproben frei schwebend positioniert, aufgeschmolzen und präzise Materialdaten bei verschiedenen Temperaturen im flüssigen Zustand bis zur Erstarrung gewonnen. Dies geschieht ohne Kontakt zu einer Tiegelwand, die das Material verunreinigen beziehungsweise die Messgenauigkeit beeinträchtigen könnte.

Forschen für die Industrie

An schwebenden Metalltropfen werden Messungen vorgenommen
An schwebenden Metalltropfen werden Messungen vorgenommen

Wozu dieser Aufwand? Bei der Bestimmung der erforderlichen Kenngrößen in irdischen Labors stört die Schwerkraft. Sie führt zur Konvektion und zu Entmischungsprozessen in den geschmolzenen Proben. Daher ist die Raumstation der ideale Ort, um Materialdaten genau bestimmen und das Erstarrungsverhalten metallischer Schmelzen in der Schwerelosigkeit untersuchen zu können.

Mit EML steht ein komplexes Labor mit vielfältigen Experimentiermöglichkeiten zur Verfügung, das Proben von Metalllegierungen und Halbleitern im Bereich von 400 bis 2000 Grad Celsius aufschmelzen und erstarren kann. Während des Prozessierens erhalten die Forscher auf der Erde Echtzeitdaten und Videoaufnahmen. Sie sind nicht nur beobachtungsmäßig „live“ dabei, sie können auch in den Prozess eingreifen. Das ist ein Quantensprung in der Metall- und Halbleiterforschung.

Besonders im Fokus stehen die vom flüssigen zum festen Aggregatzustand einhergehenden Veränderungen der Metalltropfen. Der Erkenntnisgewinn soll dafür genutzt werden, die Messdaten für numerische Modelle einzusetzen und damit Gießprozesse in der Industrie zu optimieren und Eigenschaften von Materialien zu verbessern. Immerhin werden über 90 Prozent aller metallischen Komponenten in der Luft- und Raumfahrt, in der Fahrzeugindustrie sowie im Maschinenbau durch Gieß- und Erstarrungsprozesse aus der Schmelze hergestellt.

Das Geheimnis des schwebenden Tropfens

Forscher bei einem Parabelflug mit dem Vorläufer von EML: Tempus
Forscher bei einem Parabelflug mit dem Vorläufer von EML: Tempus

Das Schweben eines Objektes im freien Raum wird von den Physikern als Levitation bezeichnet. Im EML ist unter den Bedingungen der Mikrogravitation dafür ein schwaches elektromagnetisches Feld zur Positionierung der Probe nötig. Auf diese Weise werden die sonst unvermeidlichen messtechnischen Beeinträchtigungen durch den physischen Kontakt zwischen Probe und Tiegel vermieden.

Das Aufheizen geht schnell. Innerhalb von einer Minute erreichen die Probenkügelchen die vorgesehene Schmelztemperatur. Mittels kurzer Heizimpulse über 0,1 Sekunden können Schwingungen an der Oberfläche des glühenden Metallkügelchens erzeugt werden. Damit lässt sich die Viskosität – die Zähflüssigkeit der Probe – feststellen.

Eine Hochgeschwindigkeitskamera erfasst diese Schwingungen mit bis zu 30 000 Bildern pro Sekunde. Aus den Videobildern ermitteln die Forscher den Verlauf der Schwingung und errechnen die Oberflächenspannung sowie Viskosität der flüssigen Legierung.

Bis zu 255 Schmelz-Erstarrungszyklen pro Probe mit einer Zyklusdauer von 30 Sekunden bis zu 30 Minuten sind programmierbar. Während des Prozessierens in der Probenkammer ermittelt zusätzlich ein Pyrometer – ein Strahlungsthermometer – berührungslos die Temperatur der Probe.

Die EML-Anlage

Die 360 Kilogramm schwere Anlage ist für eine Betriebsdauer von mindestens fünf Jahren ausgelegt. In der Probenkammer herrscht je nach Aufgabenstellung Vakuum oder eine Edelgasatmosphäre.

Zukünftig soll ein Probenbehälter pro Jahr zur Raumstation gebracht werden. Jeder ist mit 18 kleinen Probenhaltern aus einer speziellen Keramik mit je einer Metallprobe bestückt, von denen jede Probe einen Durchmesser von fünf bis acht Millimetern hat. Die prozessierten Proben werden später wieder zur Erde zurückgebracht und stehen dort für weitere Untersuchungen zur Verfügung.

Die EML-Forschungsanlage wurde im Auftrag der ESA und des DLR von Airbus Defence and Space in Friedrichshafen als industrieller Hauptauftragnehmer entwickelt. Gesteuert und überwacht wird EML vom Nutzerzentrum für Weltraumexperimente MUSC (Microgravity User Support Center) beim DLR in Köln. Hier werden nicht nur die erhaltenen Daten gesammelt und aufbereitet. Hier können die Experimentatoren bei Bedarf auch ihre Versuche im EML live über die Videoaufnahmen der Hochgeschwindigkeitskamera verfolgen und den Astronauten Hinweise für den Versuchsablauf geben.

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