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Rosetta und Philae untersuchen die magnetischen Eigenschaften des Kometen 67P/C-G
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Rosetta und Philae finden heraus: Der Komet hat kein Magnetfeld

14/04/2015 2221 views 12 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Die von Rosetta und Philae während der „Landungshüpfer“ der Sonde auf dem Kometen „67P/Tschurjumow-Gerassimenko“ durchgeführten Messungen zeigen, dass dessen Kern nicht magnetisch ist.

Durch die Untersuchung der Eigenschaften eines Kometen können wir Hinweise darauf erhalten, welche Rolle Magnetfelder vor ca. 4,6 Milliarden Jahren bei der Entstehung von Körpern des Sonnensystems gespielt haben. Das junge Sonnensystem war ursprünglich nur eine rotierende Scheibe aus Gas und Staub. Doch innerhalb weniger Millionen Jahre entstand im Zentrum dieser turbulenten Scheibe die Sonne, während sich aus dem Rest des Materials Asteroiden, Kometen und die Planeten und ihre Monde bildeten.

Der Staub enthielt einen nennenswerten Anteil Eisen, einiges davon in Form von Magnetit. Der Fund von millimetergroßen Körnern magnetischen Materials in Meteoriten deutet auf das Vorhandensein dieser Substanz im frühen Sonnensystem hin.

Deshalb glauben Wissenschaftler, dass Magnetfelder, die sich wie Fäden durch die protoplanetare Scheibe ziehen, eine wichtige Rolle dabei gespielt haben könnten, Material zu transportieren, aus dem sich später größere Körper bildeten.

Noch ist nicht geklärt, wie wichtig die Rolle der Magnetfelder in diesem Akkretionsprozess war, als die Bausteine zu Körpern mit einem Durchmesser von Zentimetern, Metern und sogar einigen Dutzend Metern zusammenwuchsen, bevor sie dank ihrer nun großen Masse und der dominierenden Gravitationsanziehung Ausmaße von hunderten von Metern oder gar Kilometern erreichten.

Einige Theorien in Bezug auf die Aggregation magnetischer und nicht magnetischer Staubpartikel zeigen, dass die entstandenen größeren Objekte möglicherweise auch magnetisiert blieben, wodurch sie ebenfalls von den Magnetfeldern der protoplanetaren Scheibe beeinflusst werden konnten.

Da Kometen das ursprünglichste Material, das wir im Sonnensystem finden können, beinhalten, stellen sie ein natürliches Untersuchungslabor dar, mit dem wir herausfinden können, ob diese größeren Brocken magnetisiert bleiben konnten oder nicht.

Bei früheren Missionen war die Entdeckung des Magnetfelds von Kometen jedoch schwierig, da die Untersuchungen zumeist durch rasche Vorbeiflüge, die relativ weit vom Kometenkern entfernt waren, erfolgten.

Rekonstruktion der Philae-Flugbahn
Rekonstruktion der Philae-Flugbahn

Erste detaillierte Untersuchung der magnetischen Eigenschaften eines Kometenkerns

Dank der Nähe der Raumsonde Rosetta zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko und der Messungen ihrer Landeeinheit Philae an der Kometenoberfläche, war jetzt die erste detaillierte Untersuchung der magnetischen Eigenschaften eines Kometenkerns möglich.

Das Instrument ROMAP (Rosetta Lander Magnetometer and Plasma Monitor) an Bord von Philae ermittelt dabei das Magnetfeld und seine Plasmaumgebung direkt auf der Oberfläche des Kometen, während die Rosetta-Sonde ein Fluxgate Magnetometer als einen der Sensoren des Rosetta Plasma Consortiums (RPC-MAG) trägt.

Änderungen der Magnetfeldumgebung von Rosetta ermöglichten RPC-MAG den genauen Zeitpunkt zu bestimmen, an dem Philae am Morgen des 12. November 2014 ausgesetzt wurde.

Anschließend entdeckte ROMAP periodische Variationen im gemessenen äußeren Magnetfeld und Bewegungen in seinem Ausleger und konnte auf diese Weise die Berührungen mit dem Kometen und die Ausrichtung von Philae in den folgenden Stunden ermitteln. In Kombination mit Informationen des Instruments CONSERT, das eine Schätzung des endgültigen Landeortes lieferte, zeitlichen Informationen, Bildern des Kamerasystems OSIRIS auf Rosetta, Annahmen über die Schwerkraft des Kometen und Messungen seiner Form, war es möglich, die Flugbahn von Philae zu bestimmen.

Das Missionsteam entdeckte sehr schnell, dass Philae in Agilkia nicht nur einmal landete, sondern insgesamt viermal mit der Kometenoberfläche in Kontakt kam – und unter anderem an einem Riff am Kraterrand entlang schrammte, durch das der Lander ins Taumeln geriet und schließlich in Abydos die endgültige Ruheposition erreichte.

Dieses komplexe Landemanöver lieferte dem ROMAP-Team interessante wissenschaftliche Erkenntnisse, die in dieser Woche bei der Generalversammlung der Europäischen Vereinigung für Geowissenschaften in Wien vorgestellt wurden.

„Dank des ungeplanten Flugs über die Oberfläche konnten wir präzise Magnetfeldmessungen mit Philae an den vier Punkten durchführen, an denen die Landeeinheit mit der Oberfläche in Kontakt kam, sowie in einem großen Bereich über der Oberfläche“, erklärt Hans-Ulrich Auster, Leiter des Lander-Magnetometerteams vom Institut für Geophysik und extraterrestrische Physik (IGEP) der TU Braunschweig und Erstautor der im Wissenschaftsjournal Science veröffentlichten Ergebnisse.

Der nicht-magnetische Komet
Der nicht-magnetische Komet

Durch das mehrfache Auf und Ab während des Gleitflugs über die Oberfläche konnte das Team Messungen im Orbit und an der Oberfläche vergleichen.

ROMAP wies während dieser verschiedenen Flugphasen ein Magnetfeld  nach, es zeigte sich jedoch, dass dessen Stärke nicht von der Höhe oder dem Standort von Philae über der Oberfläche abhängig war. Dies schließt aus, dass der Kern für das Magnetfeld verantwortlich ist.

„Wenn die Oberfläche magnetisch wäre, hätten wir bei der Annäherung an die Oberfläche einen deutlichen Anstieg der Magnetfeldstärke erwartet“, so Auster. „Dies war jedoch bei keinem der Landeorte der Fall. Deshalb ist unsere Schlussfolgerung, dass der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ein bemerkenswert unmagnetisches Objekt ist.“

Das gemessene Magnetfeld war vielmehr mit einer externen Quelle konsistent, nämlich dem Einfluss des interplanetaren Magnetfelds des Sonnenwinds in der Nähe des Kometenkerns. Diese Schlussfolgerung wird durch die Tatsache bestätigt, dass von Philae gemessene Abweichungen im Feld mit denjenigen übereinstimmen, die gleichzeitig von RPC-MAG auf Rosetta erfasst wurden.

„Während der Landung von Philae befand sich Rosetta ca. 17 km über der Oberfläche, und wir konnten komplementäre Magnetfeldmessungen durchführen, die lokale magnetische Anomalien der Oberflächenmaterialien des Kometen ausschließen“, erklärt Prof. Karl-Heinz Glaßmeier, Leiter des Rosetta Orbiter-Magnetometer Teams und Co-Autor der Veröffentlichung im Magazin Science.

Wenn große Anteile des Materials auf der Oberfläche von 67P/Tschurjumow-Gerassimenko magnetisiert wären, hätte ROMAP zusätzliche Variationen im Signal aufgezeichnet, als Philae über diese hinweg flog.

„Falls Material magnetisiert ist, so muss sich dies unterhalb einer Reichweite von einem Meter bewegen, also unterhalb der räumlichen Auflösung unserer Messungen. Und wenn der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko für alle Kometenkerne repräsentativ ist, lässt dies nur den Schluss zu, dass Magnetfelder in der Region, in der der Komet entstanden ist, vermutlich keine Rolle für die Akkretion mehr als einen Meter großer planetarer Brocken gespielt hat“, erklärt Dr. Auster.

„Es ist faszinierend zu sehen, wie sich die Messungen von Rosetta und Philae ergänzen und zusammen eine Antwort auf die einfache, aber dennoch wichtige Frage liefern, ob der Komet magnetisiert ist oder nicht“, kommentiert Matt Taylor, ESA-Projektwissenschaftler der Rosetta-Mission dieses neue Ergebnis der Mission.

Hinweise für Redakteure

„The non-magnetic nucleus of Comet 67P/Churyumov-Gerasimenko,“ von H.-U. Auster et al. wurde am 14. April in „Science Express “ veröffentlicht.

Die Ergebnisse wurden zudem am 14. April bei der Generalversammlung der Europäischen Vereinigung für Geowissenschaften (EGU) 2015 in Wien während einer Pressekonferenz zur Rosetta-Mission vorgestellt.

Die Daten wurden durch den Rosetta Lander Magnetometer and Plasma Monitor (ROMAP) an Bord von Philae und dem Fluxgate Magnetometer (RPC-MAG) des Rosetta Plasma Konsortiums an Bord von Rosetta gesammelt.

Insgesamt zeigen die Daten, dass die Magnetfeldstärke an der Kometenoberfläche, gemessen an mehreren Punkten über einen weiten räumlichen Bereich, weniger als 2nT beträgt, mit einem spezifischen magnetischen Moment von < 3,1 x 10–5 Am2/kg. Das ist weniger als veröffentlichte Werte für Mondmaterial und Meteoriten, die auf der Erde gemessen wurden.

 

Über ROMAP


ROMAP ist der Rosetta Lander Magnetometer and Plasma Monitor. An ROMAP beteiligte Einrichtungen sind: Institut für Geophysik und Extraterrestrische Physik, Technische Universität Braunschweig; Max-Planck Institut für Sonnensystemforschung, Göttingen; Hungarian Academy of Sciences Centre for Energy Research, Ungarn; sowie Space Research Institute Graz. Die Co-Studienleiter sind Hans-Ulrich Auster (Technische Universität, Braunschweig) und István Apáthy, KFKI, Budapest, Ungarn.

 

Über RPC-MAG

RPC-MAG ist eines der sechs Instrumente des Rosetta Plasma Consortiums. Das Fluxgate-Magnetometer (RPC-MAG) Team wird von Karl-Heinz Glaßmeier, Technische Universität, Braunschweig, geleitet.

 

Über Rosetta

Rosetta ist eine Mission der ESA, an der sich ihre Mitgliedstaaten und die NASA beteiligen. DieLandeeinheit Philae wurde von einem Konsortium unter Leitung von DLR, MPS, CNES und ASI bereitgestellt. Rosetta ist die erste Mission überhaupt, die einen Kometen in nächster Nähe umkreist und diesen auf seinem Flug um die Sonne begleitet. Am 12. November 2014 wurde die Landeeinheit Philae auf der Kometenoberfläche abgesetzt. Kometen sind wie Zeitkapseln, die ursprüngliche Materie aus dem Zeitalter der Entstehung der Sonne und ihrer Planeten enthalten. Mit der Untersuchung von Gas, Staub, Aufbau des Kerns und anderem organischem Material des Kometen aus der Ferne und an dessen Oberfläche dürfte die Rosetta-Mission der Schlüssel zur Enthüllung der Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems sein.

 

Ansprechpartner für weitere Informationen:

Markus Bauer






ESA Science and Robotic Exploration Communication Officer







Tel: +31 71 565 6799







Mob: +31 61 594 3 954







Email: markus.bauer @ esa.int

Hans-Ulrich Auster
ROMAP principal investigator
Technische Universität, Braunschweig
Email: uli.auster @ tu-bs.de

Karl-Heinz Glassmeier
RPC-MAG principal investigator
Technische Universität, Braunschweig
Email: kh.glassmeier @ tu-bs.de

Matt Taylor





ESA Rosetta project scientist





Email: matthew.taylor @ esa.int

 

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