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Tschuris flockige Staubteilchen ganz nah: Diese beiden Partikel sind einen halben, beziehungsweise 0,3  Millimeter groß.
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Tschuri bekommt einen neuen Mantel

13/02/2015 2079 views 21 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Rosettas COSIMA-Instrument nimmt den Staubmantel ihres Zielkometen Tschuri unter die Lupe. Die dortigen Körnchen ähneln frappierend dem interplanetaren Staub.

Seitdem die Rosetta-Sonde im vergangenen August ihren Zielkometen Tschurjumow-Gerassimenko erreichte, hat sie rund 70 Prozent von dessen Oberfläche fotografiert. Die Bilder von „Tschuri“ zeigen eine Landschaft, die mal mehr und mal weniger von Staub bedeckt ist. Wie solche Staubpartikel unter dem Mikroskop aussehen, war bislang unbekannt. Nun präsentierten die Kometenforscher im angesehenen Wissenschaftsmagazin Nature Porträts und Analysen weitgehend unveränderter Partikel. Die Studie erfasst einen Zeitraum von August bis Oktober 2014, als Tschuri sich der Sonne von anfangs 535 Millionen Kilometern bis auf 450 Millionen Kilometer näherte. Rosetta war während dieser Zeit ihrem Kometen sehr nahe, sie umkreiste ihn meist nur in 30 Kilometern Abstand, oder sogar noch näher.

Kometen bestehen aus einem Gemisch aus Wassereis, gefrorenen Gasen, organischen chemische Verbindungen - und Staub. Welche Eigenschaften diese Mischung hat, soll neben zwei weiteren Bordinstrumenten COSIMA klären („Cometary Secondary Ion Mass Analyser“). Es wurde von einem internationalen Konsortium gebaut, geleitet vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching. Jetzt ist das Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) für das Instrument zuständig. Die Hauptaufgabe von COSIMA liegt in der chemischen Analyse der Staubpartikel in Tschuris Staub- und Gashülle, der sogenannten Koma.

Um die Analyse-Einheit des Instruments genau auf die aufgefangenen mikroskopischen Körnchen auszurichten, verfügt COSIMA über eine Art Zieleinrichtung; diese schießt auch Fotos ihrer Studienobjekte. Beim langsamen Auftreffen der Partikel in COSIMAs Staubsammler, also bei Geschwindigkeiten von 1 bis 10 Metern pro Sekunde, sind die Teilchen nur geringeren Zerstörungskräften ausgesetzt. Bei früheren Experimenten, etwa an Bord der Stardust-Sonde der NASA, war dies anders. Dort prallten die Kometenkörnchen mit hohem Tempo auf.

Trockene Staubkörner unter der Lupe

So sah Rosettas Navigationskamera ihren Zielkometen "Tschuri" am 3. Februar aus rund 29 Kilometern Abstand.
So sah Rosettas Navigationskamera ihren Zielkometen "Tschuri" am 3. Februar aus rund 29 Kilometern Abstand.

Bereits im vergangenen August untersuchte COSIMA die ersten Körnchen. „Als Tschuri mit seiner Aktivität begann, stellten wir fest, dass seine Staubkörner 'flockig' waren. Sie enthielten kein Eis, aber eine Menge Natrium“, erläutert die Erstautorin der Studie, Rita Schulz vom ESTEC-Zentrum der Europäischen Weltraumbehörde im niederländischen Noordwijk. Solche flockigen Partikel haben viele Hohlräume und werden nur von schwachen Kräften zusammengehalten. Ohne Eis oder organische Substanzen fehle der „Klebstoff“, der die Partikel stabilisiert. Die Teilchen zerbersten, wenn sie auf der COSIMA-Staubsammelplatte auftreffen, entlang von „Sollbruchstellen“, so Schulz. Aus diesen Eigenschaften und aus dem Natriumgehalt schließen die Autoren, dass solche kometaren Körnchen die Quelle des Staubs sind, der verbreitet im Sonnensystem anzutreffen ist. Beispielsweise treten interplanetare Staubkörnchen als jährliche Meteorströme in Erscheinung, etwa der Perseiden-Strom im Juli bzw. August, der vom Kometen 109P/Swift-Tuttle stammt, oder die Leoniden (November), die auf den Kometen 55P/Temple-Tuttle zurückgehen. Schulz: „Wir haben das Material gefunden, aus dem die interplanetaren Staubkörner hervorgehen.“

Warum sind die aktuell vermessen Partikel eisfrei? „Wir gehen davon aus, dass die von COSIMA gesammelten flockigen Teilchen aus einer staubhaltigen Schicht des Kometen stammen, die sich seit Tschuris letzter Begegnung mit der Sonne auf der Kometenoberfläche gebildet hat“, erklärt der Chefwissenschaftler von COSIMA, Martin Hilchenbach vom MPS, der Co-Autor der Studie ist. Seitdem war dieser Staub jahrelang dem freien Weltraum ausgesetzt. Durch Sublimation sind das Eis und die gefrorenen Gase dem Staub verloren gegangen – er trocknete also aus. Hilchenbach: „Durch die zunehmende Aktivität des Kometen wird die trockene Schicht abgetragen. Wir erwarten, dass an der Oberfläche in den kommenden Monaten nun eine eishaltigere Schicht zum Vorschein kommt.“ Denn auf seinem 6,5 Jahre dauernden Orbit nähert sich Tschuri nun immer mehr der Sonne, bis er im kommenden August mit 186 Millionen Kilometern Abstand zwischen Mars- und Erdbahn seine geringste Sonnendistanz erreichen wird.

Live-Beobachtungen von Tschuris Aktivität

Dabei wird sich der Komet immer weiter erwärmen und sein Gasausstoß wird ansteigen. Die in den vergangenen Jahren ausgetrockneten Staubkörner werden von den Gasen mit in die Koma gerissen. Die Sonnenwärme wird so stark werden, dass nach und nach der gesamte alte Staub ins Weltall entweicht und frisches Material aus tieferen Bodenschichten die neue Oberfläche bildet. Schon jetzt ist der Wechsel hin zum neuen Mantel offenbar in vollem Gange, Schulz dazu: „Tatsächlich sollte mittlerweile viel von dem alten Staubmantel entfernt sein, bald schon werden wir Teilchen mit ganz anderen Eigenschaften untersuchen.“

 

Matt Taylor, Projektwissenschaftler der ESA-Mission erwartete ganz neue Einsichten beim Verständnis der Aktivität des Kometen: „Rosettas Staubmessungen nahe am Kometenkern sind ein wichtiger Baustein zur Verbindung zweier Ebenen kometarer Aktivität, die sich auf sehr unterschiedlichen Größenskalen abspielen: Diejenige der winzigen Staubkörnchen und die Ebene der großräumigen Vorgänge in Koma und Schweif, also dort wo Staub ins Weltall abgestoßen wird“, erklärt Taylor. „Mit Rosetta werden wir diese Prozesse in den kommenden Monaten live und aus der ersten Reihe studieren.“

Orginalveröffentlichung:

"Comet 67P/Churyumov–Gerasimenko sheds dust coat accumulated over the past four years,” von R. Schulz et al., Nature, 26. Januar

Wer hat COSIMA entwickelt?

Das Experiment COSIMA wird vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung geleitet.
Das Experiment COSIMA wird vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung geleitet.

COSIMA wurde von einem internationalen Konsortium entwickelt und gebaut, geleitet wurde dieses vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching bei München. Das Experiment wird heute vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen geleitet. Darüber hinaus sind am COSIMA-Konsortium beteiligt: das Laboratoire de Physique et Chimie de l’Environnement von CNRS und der Université d’Orléans (Frankreich), das Institut d’Astrophysique Spatiale der Université Paris Sud (Orsay, Frankreich), das Finnish Meteorological Institute (Helsinki), die Universität Wuppertal, die von Hoerner und Sulger GmbH (Schwetzingen, Deutschland), die Universität der Bundeswehr (Neubiberg, Deutschland), das Forschungszentrum Seibersdorf (Seibersdorf, Österreich) und das Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Graz).

Mehr über Rosetta

Rosetta ist eine Mission der ESA in Partnerschaft mit ihren Mitgliedstaaten und der NASA. Das Landegerät Philae wird von einem Konsortium unter Leitung von DLR, MPS, CNES und ASI bereitgestellt. Neuigkeiten zur fortlaufenden Rosetta-Mission und ihren wissenschaftlichen Entdeckungen werden regelmäßig in folgendem Blog veröffentlicht:

http://blogs.esa.int/rosetta

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