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Endprüfung der HRSC bei EADS Astrium in Friedrichshafen
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Hightech aus Deutschland: Das Mars-Superauge

05/05/2005 1144 views 2 likes
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Seit Januar 2004 sorgt sie durch atemberaubende Aufnahmen vom Roten Planeten für Schlagzeilen: die deutsche HRSC-Kamera an Bord der ESA-Sonde Mars Express. Ein Erfolg, der neben dem gesamtverantwortlichen Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auch auf Firmen aus Thüringen und Baden-Württemberg zurückzuführen ist, die wesentliche Bestandteile der HRSC entwickelt haben.

Wer sie sieht, kommt aus dem Staunen nicht heraus: Die fantastischen 3D-Bilder vom Mars, die die aus Deutschland stammende HRSC-Kamera zur Erde beamt. Sie vermitteln uns einen derart räumlichen Eindruck, als ob wir an Bord eines marsianischen Fluggerätes wenige Hundert Meter über der Oberfläche des Roten Planeten hinwegdüsen und hautnah seine außerirdischen Welten erkunden würden: Vulkane, Krater, Dünenfelder, Steinwüsten, Terrassen, Inseln, Eisseen, Plateaus, versiegte Fluss-Systeme…

Die Kamera befindet sich an Bord der europäischen Raumsonde Mars Express, die seit Dezember 2003 den Roten Planeten umkreist. Ihre sensationellen Daten begeistern Fachwelt und Öffentlichkeit gleichermaßen. Sie haben das Bild vom Mars bereits grundlegend verändert. Und im Wochenrhythmus werden neue Aufnahmen veröffentlicht, die selbst hartgesottenen Wissenschaftlern den Atem stocken lässt.

Von Mars 96 zu Mars Express

Eis am Nordpol des Mars, aufgenommen mit der HRSC-Kamera
Eis am Nordpol des Mars, aufgenommen mit der HRSC-Kamera

Ein Vorgängermodell der HRSC-Kamera befand sich auf der russischen Raumsonde MARS-96, die am 16. November 1996 vom Kosmodrom Baikonur startete. Ihre Mission endete jedoch aufgrund eines Triebwerksfehlers der Trägerrakete bereits nach wenigen Stunden im Pazifik. Da etliche Reservemodelle verschiedener Forschungsinstrumente vorhanden waren, entschloss sich die ESA, den Nachbarplaneten mit einer eigenen Mission zu erkunden: Mars Express.

Die High Resolution Stereo Color Kamera (HRSC) wurde zum Hauptinstrument des Mars-Express-Orbiters. Ihre raffinierte Konstruktion gestattet es, dreidimensionale (Stereo-)Aufnahmen in Farbe zu erzeugen. Bis zur Realisierung des Projekts nutzten Wissenschaftler und Ingenieure die Zeit, um der HRSC-Kamera noch einen hochauflösenden Spezialkanal zu implementieren, den Super Resolution Channel (SRC).
Das für das Kameraexperiment verantwortliche 45-köpfige Wissenschaftlerteam aus elf Ländern unter Leitung von Professor Neukum aus Berlin will mit der HRSC den Mars komplett dreidimensional kartieren. Dabei beträgt die Auflösung mindestens 30 bis 40 m/Pixel, bei 50 % der Oberfläche sogar nur 15 bis 20 m/Pixel. Ein in der Planetenforschung bisher einmaliges Vorhaben.

„Schielende“ Bildsensoren

Der Kamerakopf mit HRSC-Optik (oben rechts) und SRC-Objektiv (unten rechts)
Der Kamerakopf mit HRSC-Optik (oben rechts) und SRC-Objektiv (unten rechts)

Die Kamera setzt die über Objektive gewonnenen optischen Informationen mittels CCDs (Charge Coupled Devices) in proportionale elektrische Signale um, die dann für den Versand zur Erde elektronisch aufbereitet werden. Die CCDs sind als Zeilenscanner in neun Reihen mit je 5184 Wandlerelementen angeordnet. Jede Sensorzeile ist für einen bestimmten Bereich mit entsprechender Aufgabenstellung konzipiert:

 

  • drei für die roten, grünen und blauen Spektralbereiche
  • eine weitere für den nahen Infrarotbereich
  • drei so genannte Stereokanäle zur Berechnung dreidimensionaler Bilder. Diese Kanäle „schielen": Je einer schaut schräg nach vorn bzw. schräg nach hinten und ein weiterer senkrecht nach unten.
  • zwei weitere Kanäle dienen der photometrischen Analyse

Der SRC-Kanal arbeitet ebenfalls mit CCDs, hat aber einen Flächensensor, bestehend aus einer Matrix von 1024 x 1032 Elementen. Im normalen Betrieb arbeiten HRSC und SRC simultan. Die SRC-Bilder werden in den Aufnahmestreifen der HRSC integriert. So ist später eine genaue Positionierung der hochauflösenden Aufnahmen auf der Marsoberfläche möglich.

Entwickelt wurde das Superauge beim DLR, an dessen Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof auch der Betrieb der Kamera gesteuert und die Rohdaten aufbereitet werden. Die daraus erzeugten Bilddatensätze werden an zahlreiche Universitäten und Institute zur wissenschaftlichen Auswertung weitergeleitet. Die ingenieurtechnische Entwicklung, Fertigung und Montage wurde von der EADS Astrium GmbH in Friedrichshafen übernommen. Wichtige Komponenten kamen von renommierten Zulieferern aus Deutschland.

Thüringen: Präzisionsoptik aus Jena

Die HRSC-Optik mit Kamerakopfelektronik (links)
Die HRSC-Optik mit Kamerakopfelektronik (links)

Um überhaupt die hochwertigen Aufnahmen erhalten zu können, ist zuerst eine leistungsfähige Optik erforderlich, die zugleich den rauen Bedingungen beim Start als auch im Weltraum standhält. Den entsprechenden Auftrag erhielten zwei Firmen aus den neuen Bundesländern, die über jahrelange Erfahrungen mit optischen Systemen für Weltraummissionen verfügen: die Jena Optronik GmbH, ein Unternehmen der Jenoptik-Gruppe sowie die Carl Zeiss Jena GmbH, Tochter der Carl Zeiss AG Oberkochen. Beide Firmen sind aus dem traditionsreichen VEB Carl Zeiss Jena hervorgegangen, bei dem bereits in den 70er-Jahren die Multispektralkamera MKF 6 gebaut wurde.

Das SRC-Spiegelteleskop
Das SRC-Spiegelteleskop

Während Jena Optronik die Gesamtverantwortung für die Optik hatte und das Linsensystem der HRSC baute, lieferte Carl Zeiss die Optik für den SRC-Kanal. Die Ingenieure beider Firmen standen dabei vor extremen Herausforderungen. So muss das vom Objektiv gebündelte Licht an allen Punkten der Fokalebene – das ist die Ebene, in der sich die CCD-Sensoren befinden – gleichzeitig ankommen. Nur so können die hohen Anforderungen für photogrammetrische Aufnahmen hoher Auflösung erfüllt werden. Da im Normalfall aber das Bildfeld – bedingt durch den Strahlengang durch die Objektivlinsen – gewölbt ist, führten erst wochenlange Berechnungen und Versuche zum entscheidenden Durchbruch und damit zum Erfolg.

Für den besonders hochauflösenden SRC-Kanal musste ein eigenes Objektiv entwickelt werden. Es handelt sich hierbei um ein Spiegelteleskop von Carl Zeiss Jena mit einer Brennweite von 1000 mm, das aber nur 250 mm lang ist. Um die geforderte extreme Präzision zu erhalten, wurde die Frontlinse des fertigen Objektives anschließend durch Ionenstrahlbearbeitung in drei Schritten optimiert.

Baden-Württemberg: Elektronik aus Oberdischingen

Die Kamerakopfelektronik setzt mittels CCDs die optischen Informationen in elektrische Signale um
Die Kamerakopfelektronik setzt mittels CCDs die optischen Informationen in elektrische Signale um

Das von den Jenaer Objektiven gesammelte Licht wird durch die in der Kamerakopfelektronik integrierten CCD-Wandler in elektrische Signale gewandelt, aufbereitet und digitalisiert. Die hochkomplexe Baugruppe kommt aus Baden-Württemberg von der Firma LEWICKI microelectronic GmbH. Das in Oberdischingen nahe Ulm gelegene Unternehmen fertigt seit über 30 Jahren hochzuverlässige Schaltungen für die Raumfahrt, Luftfahrt, Militärtechnik, Medizintechnik und Industrie.

Um die Kopfelektronik möglichst kompakt aufbauen zu können, wurde die so genannte Dickschichttechnik genutzt, ein Verfahren, bei dem Bauelemente wie Widerstände und Kondensatoren in mehreren Schichten auf Substratplatten gedruckt werden. Zusammen mit weiteren Komponenten lassen sich so auf engstem Raum tausende Bauelemente unterbringen und sicher verbinden.
Zusammen mit den CCD-Wandlern wurden so weitere 6000 (!) elektronische Bauelemente auf 53 Platinen integriert. Zusätzlich zur Verbindung durch gedruckte Schaltungen auf den Platinen gewährleisten 31 Meter dünnstes Bondkabel die Verdrahtung über etwa 8000 Bondstellen.

Das Beispiel der HRSC-Kamera zeigt, dass erstens moderne wissenschaftliche Geräte komplexer Natur sind und die Kompetenz vieler Zulieferfirmen benötigen und zweitens auch die mittelständische Industrie Technologien und Produkte für höchste Anforderungen erzeugen kann. Und es wird deutlich, dass anspruchsvolle Forschungsprogramme nicht nur eine Spielwiese für die Wissenschaftler sind, sondern auch qualifizierte Arbeitsplätze in Europa schaffen und erhalten.

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