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Das europäische Satellitenkontrollzentrum wird 35

05/09/2002 843 views 0 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Happy Birthday ESOC! Aus dem ESA-Kind, das am 8. September 1967 in einem bescheidenen Haus am Rande von Darmstadt das Licht der Erde erblickte, hat sich Europas leistungsfähigstes Satellitenkontrollzentrum entwickelt, das selbst anspruchsvolle Tiefraum-Missionen in die unendlichen Weiten des Universums nicht scheut. Über 700 Mitarbeiter überwachen und steuern von hier europäische Satelliten oder bereiten künftige Missionen vor. Heute hat das 40 000 Quadratmeter umfassende European Space Operations Centre ESOC höchstes Ansehen weltweit gewonnen.

28. August 2002. Nur noch wenige Minuten verbleiben bis zum Start von MSG-1, dem europäischen Wettersatelliten einer neuen Generation. Im Main Control Room steigt die Spannung bei allen Beteiligten, denn kurze Zeit nach dem Start vom europäischen Weltraumhafen Kourou in Französisch-Guyana und dem Einschwenken in die Flugbahn wird das ESOC die Kontrolle über den Satelliten übernehmen. Dem folgen kritische Stunden, in denen die Bordsysteme vom Kontrollzentrum aus aktiviert werden und der Satellit in die geostationäre Bahn befördert wird. Als bei MSG-1 die ersten kritischen Prozeduren erfolgreich ausgeführt und alle Nutzlasten sowie Betriebssysteme an Bord in Ordnung waren, konnte auch das Inbetriebnahme-Team eine kurze Pause einlegen und einen Schluck auf den gelungenen Start nehmen.
Diese Prozedur beim Start eines Raumflugkörpers der ESA spielt sich seit 1968 jährlich mehrmals beim ESOC in Darmstadt ab. Und trotzdem ist es jedes Mal - auch für den Laien - ein aufregendes Ereignis.

Wie alles begann

Eine der beiden Vorläufer-Organisationen der heutigen Europäischen Weltraumagentur ESA, die European Space Research Organisation (ESRO), hatte 1963 auf einem Teil des Geländes des heutigen ESOC ein Datenzentrum zur Speicherung, Verarbeitung und Analyse der von Höhenforschungsraketen und Satelliten eingehenden Daten errichtet. So entstand das European Space Data Centre (ESDAC). Damit war auch die räumliche Basis für das spätere ESOC gelegt.

Mit der Entwicklung und dem Bau eigener Satelliten benötigte die ESRO in der zweiten Hälfte der 60er Jahre bald ein Zentrum zur Sicherstellung des Betriebes der "Eigengewächse". Die Verantwortlichen entschieden sich für den Standort Darmstadt. Am 8. September 1967 eröffnete der damalige Forschungsminister der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Stoltenberg, das ESOC. 95 Mitarbeiter machten sich an die Aufbauarbeit und bald wurde der erste europäische Satellit von Darmstadt aus gesteuert. Nur 2000 Quadratmeter Fläche wurden damals benötigt. Heute besitzt der Komplex neben den Funktionsgebäuden eine eigene Energiezentrale.

ESRO 2 war der Erste

Ein Kontrollraum in den Sechzigern
Ein Kontrollraum in den Sechzigern

Nur acht Monate nach Eröffnung des Kontrollzentrums, am 17. September 1968, wurde der Wissenschaftssatellit ESRO 2 gestartet. Das ESOC musste seine Feuertaufe bestehen - und hat sie bestanden.

Europäischer Forschungssatellit ESRO 4
Europäischer Forschungssatellit ESRO 4

Obwohl damals auf dem neuesten technischen Stand, wirken die Computer und Terminals der ersten Stunde heute doch recht antiquiert. So mancher jüngerer Mitbürger wundert sich, wie mit diesen "Blechungetümen" damals eine anspruchsvolle Mission geführt werden konnte. In der Tat haben es die Operateure heute einfacher. Hochentwickelte Software bildet auf leistungsfähiger Hardware die meisten Prozesse grafisch auf Bildschirmen und Bildwänden ab. Dafür müssen heute auch größere Datenmengen verarbeitet werden, denn die Technik an Bord der Raumflugkörper hat ebenfalls Quantensprünge in ihrer Leistungsfähigkeit hinter sich. Und die Ziele der von Menschenhand geschaffenen Himmelsboten wurden auch immer anspruchsvoller.

Der Griff in die Tiefen des Alls

Die Kometensonde Giotto
Die Kometensonde Giotto

Bald genügte die Erdumlaufbahn von wenigen hundert Kilometern Höhe oder die geostationäre Bahn nicht mehr. Neue Ziele, wie beispielsweise Kometen, wurden von den Wissenschaftlern anvisiert. Den sich daraus ergebenden Anforderungen musste sich auch das ESOC stellen. Während bei der Kometensonde Giotto Mitte der 80er Jahre noch das leistungsfähige Bodenstationsnetz für Tiefraummissionen der NASA in Anspruch genommen werden musste, kann für die nächsten interplanetaren Missionen der ESA auf eine eigene Antenne in Australien zurückgegriffen werden. Sie ist mit 35 Metern Durchmesser eine der größten Stationen der Welt für derartige Aufgaben. Die in nächster Zeit beginnenden ESA-Missionen Rosetta, Mars Express und Smart-1 werden die ersten Kunden für dieses Meisterwerk der Technik sein.

Wettermacher aus Darmstadt

Das Flugmodell von MSG-1 bei Tests im ESTEC
Das Flugmodell von MSG-1 bei Tests im ESTEC

Aber nicht nur aufregende Wissenschafts-Missionen werden vom ESOC gesteuert. Etliche Jahre kamen auch die Wettermeldungen der Meteosat-Satelliten von dieser ESA-Einrichtung. Seit 1995 hat nun die eigenständige Agentur EUMETSAT die Aufgabe der Betriebsführung des Meteosat-Systems übernommen. Das trifft auch auf den oben erwähnten MSG 1 zu. Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme durch das ESOC wird der Wettersatellit an EUMETSAT übergeben.
Ähnliches geschieht übrigens auch mit zahlreichen anderen Anwendungssatelliten.

Im Spinnennetz des ESOC

Die riesige Antenne der ESA in Australien
Die riesige Antenne der ESA in Australien

Für die ständige Verbindung zu den künstlichen Himmelskörpern wurde ein weltweites Netz von Bodenstationen geschaffen, die sich wie ein Spinnennetz über den Erdball legen. ESTRACK ist der Name dieses Systems. Gewissermaßen im Handshake-Verfahren werden die Satelliten beim Überflug über die Station übernommen und wenige Minuten später an die nächste Station wieder abgegeben. Das trifft für alle Raumflugkörper nach dem Start und bei der Inbetriebnahme zu. Bei einigen Missionen ist ein derartiger Aufwand später nicht mehr nötig. Sie übergeben die gesammelten Daten nur an eine bestimmte Station in größeren Zeitabständen. Zur sicheren Datenübertragung zwischen dem Kontrollzentrum in Darmstadt und den Bodenstationen wurde ein eigenes Kommunikationsnetz geschaffen – das Spinnennetz.

Im Zentrum des Netzes sitzt als Spinne der gewaltige Rechnerkomplex des ESOC, der alle Daten aus dem Netz saugt und verarbeitet, sowie Kommandos an die aktiven Satelliten über das Bodenstationsnetz ausgibt. In der Zentrale sind aber auch noch zahlreiche andere Aufgaben zu bewältigen. Die Arbeit an einer Mission beginnt schließlich Jahre vor dem Start. Dazu gehören am ESOC die Bahnanalyse, die Berechnung wichtiger Bahnparameter sowie die Ermittlung der Flugdynamik eines Raumflugkörpers. Schließlich werden alle Abläufe an einem Computer-Modell des Satelliten wochenlang simuliert, bis alles schlüssig und fehlerfrei ist. Erst dann steht einer neuen Mission nichts mehr im Weg.

Erfolgsfaktor für 35 Jahre ESOC: Der Mensch

Mehr als 50 Satelliten und Raumsonden wurden in 35 Jahren vom ESOC betreut. Dabei hat sich die Technik im Weltraum sowie am Boden rasant weiterentwickelt. Das zeigen auch die anspruchsvollen interplanetaren Missionen, die in den nächsten Monaten die Kompetenz der ESOC-Mitarbeiter herausfordern werden.
Überhaupt: Ohne den Einsatz der Mitarbeiter in Darmstadt und in den anderen Standorten wäre die Erfolgsstory des ESOC wohl nicht geschrieben worden. Ein früherer ESA-Direktor hat es in einer – noch heute vollauf gültigen – Laudatio auf den Punkt gebracht: "Ein Erfolgsfaktor hinter all den Satelliten, die vom ESOC betreut wurden, sind - die Menschen. Ihre Hingabe und ihr Enthusiasmus, verbunden mit Kompetenz und Teamgeist haben der Arbeit des ESOC den Stempel aufgedrückt."

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