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Mittels Satelliten-Altimetrie lassen sich Meereshöhen genau bestimmen
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Klimafaktor Eis: Gigantische Schwankungen des Meeressspiegels

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ESA / Space in Member States / Germany

Würde das in Grönland und Antarktika im Eis gebundene Wasser von nahezu 30 Millionen Kubikkilometern völlig abschmelzen, müsste der Meeresspiegel – bezogen auf die heutige Meeresoberfläche – um fast 80 Meter ansteigen.

Schmilzt das Eis an den Polen?

Im Gegensatz zum Meereis besteht das Landeis Grönlands und des antarktischen Kontinents aus Gletschereis, das sich aus gefallenem Schnee gebildet hat. Sie beinhalten 90 Prozent des Süßwasservorkommens der Erde.
Diese Eisschichten haben heute eine maximale Mächtigkeit von etwa 4300 Metern (Antarktis) bzw. 3400 Metern (Grönland) und sind teilweise mehrere hunderttausend Jahre alt. Wie verhält sich das Eis? Wächst es an, bleibt es konstant, schmilzt es ab oder überlagern sich die Prozesse? Eine Gefahr geht vor allem vom Schmelzen der Eismassen auf dem Festland aus.

Antarktika und Grönland besitzen zusammen eine Inlandeis- und Gletscherfläche von knapp 16 Millionen Quadratkilometern. Würde das im Eis gebundene Wasser von nahezu 30 Millionen Kubikkilometern völlig abschmelzen, müsste der Meeresspiegel – bezogen auf die heutige Meeresfläche von 361 Millionen Quadratkilometern – um fast 80 Meter ansteigen. Zu diesem Anstieg würde das antarktische Inland- und Gletschereis den Hauptteil beisteuern, nämlich nahezu 72 Meter. Der grönländische Eisschild würde ungefähr sieben Meter zum Anstieg beitragen.

Droht eine planetare Katastrophe?

In der heute dicht besiedelten Welt würde jedoch bereits ein Meeresspiegelanstieg von nur wenigen Metern gravierende Folgen haben. Forscher glauben, Anzeichen für einen verstärkten Meeresspiegelanstieg gefunden zu haben. In den Küstenregionen der westlichen Antarktis kann man tatsächlich ein zunehmendes Abschmelzen der Eismassen feststellen.
Vermehrte Verdunstungen über dem Meer als Folge einer wärmeren Atmosphäre haben jedoch wiederum zu stärkerem Schneefall über der Antarktis geführt und die Verluste in den Küstenregionen kompensiert. Der Eispanzer hat innerhalb von zehn Jahren sogar um 45 Milliarden Tonnen zugenommen. Das entspricht einem jährlichen Wachstum von 1,8 Zentimetern. Die Auswertung der ESA-Satelliten-Daten von ERS-1 und ERS-2 bestätigen diese Tendenzen. Unklar ist jedoch, wie sich diese gegensätzlichen Bewegungen auf den Meeresspiegel auswirken werden. Unbekannt sind auch die Volumenänderungen im Eispanzer.

Dass der Meeresspiegel aber starken Schwankungen unterliegt, ist durch die Klimageschichte unseres Planeten bekannt. Auf dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit vor 22 000 Jahren waren etwa 42 Millionen Quadratkilometer vergletschert. Gigantische Mengen Wasser waren damals im Eis gebunden – schätzungsweise 70 Millionen Kubikkilometer. Das führte zu einem Absinken des Meeresspiegels um etwa 100 Meter, bezogen auf die heutige Fläche des Meeres. Man kann es auch anders formulieren: In den letzten 22 000 Jahren ist der Meeresspiegel um 100 Meter gestiegen.

Polareis: Ein entscheidender Klimafaktor

Gewaltige Meeresströmungen im Atlantik haben Einfluss auf das Klima
Gewaltige Meeresströmungen im Atlantik haben Einfluss auf das Klima

Das Eis an den Polen reflektiert einen großen Teil des Sonnenlichts, wobei sich die Anteile des empfangenen und abgestrahlten Lichts im Gleichgewicht halten. Wenn nun durch verschiedene Einflüsse das Polareis zu schmelzen beginnt, wird weniger Sonnenlicht reflektiert. Das Meerwasser würde einen großen Teil der Strahlungsenergie absorbieren, was wiederum zu einem weiteren Abschmelzen des Eises führen würde. Kurzum: Es setzt sich ein Rückkopplungseffekt in Gang, der selbstverstärkend wirkt. Die Polarregion erwärmt sich und es schmilzt noch mehr Eis.

Ein ähnliches Phänomen tritt bei den Eisschichten auf den Ozeanen auf. Sie wirken wie eine Isoliermatte. Sie verhindern nämlich die Wärmeabstrahlung des sonst offenen Wassers, die bei etwa 90 Watt pro Quadratmeter liegt. Schmilzt das Eis, gibt das Meerwasser mehr Wärmeenergie an die Atmosphäre ab. Dadurch wird die Atmosphäre wärmer und das Wasser kälter. Die wärmere Atmosphäre verstärkt dann erneut den Schmelzprozess. Das einzig Positive daran ist, dass schmelzendes Meerwassereis nicht zum Anstieg des Meeresspiegels führen kann. Das an den Polen und den arktischen Ozeanregionen abschmelzende Eis würde jedoch für enorme Mengen kalten Wassers sorgen, das die Hauptströmungen in den Ozeanen – beispielsweise den warmen Golfstrom – stark beeinflussen und unterbrechen könnte. Mit unabsehbaren Folgen für das globale Klima unseres Planeten, speziell aber mit gravierenden Auswirkungen in Nordeuropa.
Obwohl die beschriebenen Effekte im Prinzip bekannt sind, fehlen präzise Datenreihen über längere Zeiträume, die es den Klimaforschern ermöglichen, diese Daten qualitativ in Klimamodelle einarbeiten zu können.
Die Geowissenschaftler setzen daher ihre Hoffnungen in CryoSat: Der Eisforschungssatellit wird erstmals die polaren Eismassen mit bisher unerreichter Genauigkeit vermessen und damit Datenmaterial sowohl zum Wachsen oder Schmelzen der antarktischen Eismassen als auch zur objektiven Einschätzung des brennenden Themas „Veränderungen des Meeresspiegels“ liefern.

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