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Rainer Hertrich und Otto Wiesheu drücken den "Roten Knopf"
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Schubkraft für Europa:
Neues Fertigungszentrum für Ariane-Triebwerke in Ottobrunn

28/11/2002 2747 views 1 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Mit der Einweihung des neuen Ariane-Fertigungszentrums am 25. November in Ottobrunn hat der europäische Raumfahrtkonzern Astrium einen großen Schritt zur Kostenreduzierung der Ariane 5-Produktion getan. Rainer Hertrich, Chief Executive Officer des Mutterunternehmens EADS und Bayerns Wirtschafts- und Technologieminister Otto Wiesheu drückten gemeinsam den "roten Knopf" und gaben damit den hochmodernen Fertigungskomplex für die Serienproduktion frei. Die Ariane 5-Trägerrakete wurde unter Federführung der Europäischen Raumfahrtagentur ESA entwickelt. Sie löst das kommerziell äußerst erfolgreiche Vorgängermodell Ariane 4 ab.

Für Astrium war es ein bedeutender Tag. Am Raumfahrt-Standort Ottobrunn bei München wurde lange Zeit keine derartig große Investition getätigt. Das Arianezentrum ist das größte Bauprojekt von Ottobrunn seit über 15 Jahren. Trotzdem benötigten die beteiligten Firmen nur zwölf Monate Bauzeit für das neue High-Tech-Produktionszentrum. Auf rund 10 000 Quadratmetern entwickeln und produzieren nun 160 hochqualifizierte Ingenieure und Facharbeiter Schubkammersysteme und andere Komponenten für Ariane-Antriebe. Ziel der Maßnahme, in die Astrium insgesamt 20 Millionen Euro investiert hat, ist die weitere Rationalisierung und damit Kostensenkung bei der Entwicklung und Fertigung der Ariane-Triebwerke. Dazu bemerkte Axel Deich, der Leiter Antriebe und Ausrüstung im Geschäftsbereich Raumfahrt-Infrastruktur: "Die Konzeption und Ausstattung ermöglicht uns, bei gleichbleibender Qualität schneller und kostengünstiger zu fertigen. Damit sind wir auch für andere Hochtechnologiebereiche interessant. Schon heute machen wir mit der Produktion von Satelliten- und Flugzeugkomponenten einen Umsatz von 2,5 Millionen Euro."

Der Schub kommt aus Ottobrunn

Axel Deich erläutert die Vorteile des Arianezentrums
Axel Deich erläutert die Vorteile des Arianezentrums

Das europäische Unternehmen Astrium ist der Produzent der Ariane 5-Trägerrakete, die der Nachfolger der Ariane 4 als Europas Arbeitspferd der kommenden Jahre für den Transport verschiedenster Nutzlasten in den Weltraum sein wird. In Ottobrunn werden die Kernkomponenten für den Antrieb der Haupt- und der Oberstufe gefertigt: die Schubkammern und die Kryogen-Ventilsysteme für das Vulcain-Triebwerk der Hauptstufe und das Aestus-Triebwerk für die Oberstufe. Die Ottobrunner sagen deshalb auch: "Der Schub kommt von uns!"

Das neue Ariane-Fertigungszentrum in Ottobrunn
Das neue Ariane-Fertigungszentrum in Ottobrunn

Um den schwierigen Marktbedingungen gerecht zu werden und auch in Zukunft eine konkurrenzfähige Trägerrakete anbieten zu können, sind entschiedene Kostensenkungsmaßnahmen erforderlich. Diesem großen Gesamtziel dient auch das Arianezentrum in Bayern. Das Investitionsvorhaben beschränkte sich dabei nicht nur auf den Bau des neuen Gebäudes. Ein ganzes Bündel verschiedener Maßnahmen bewirkt, dass die Durchlaufzeiten im Produktionsprozess um mehr als 30 Prozent verkürzt und die Kosten um über 35 Prozent gesenkt werden können.
Die Zusammenlegung aller Prozesseinheiten, von der mechanischen Fertigung über die Schweißerei und der Integrationshalle für Komponenten bis zur Qualitätsprüfung unter einem Dach ermöglicht die Optimierung der Produktionsabläufe. Lange Transportwege zwischen verschiedenen Fertigungsstandorten sind jetzt überflüssig. Zusätzlich wurden auch die sogenannten produktionsnahen indirekten Bereiche im Arianezentrum angesiedelt. Dazu zählen beispielsweise die Arbeitsvorbereitung oder das Bestellwesen. So entsteht ein durchgängiger Arbeitsablauf mit direkten Kommunikationswegen.
Mit organisatorischen und logistischen Maßnahmen allein war der hohe Rationalisierungseffekt jedoch nicht zu erreichen. Die Einführung neuer Produktionsverfahren hat dem Rationalisierungsvorhaben den letzten Kick verliehen.
Besonders beeindruckend ist ein neues Bearbeitungszentrum zur Hochleistungszerspanung. Mit Hilfe mehrerer Hochschulen, der Bayerischen Forschungsstiftung und dem Steinbeis-Transferzentrum entwickelte Astrium ein komplexes Verfahren zur Bearbeitung von High-Tech-Bauteilen. Das Fräsen der Kühlkanäle einer Vulcain-2-Schubkammer kann nun zehn mal schneller durchgeführt werden. Und dabei werden die Kanäle auf den Hundertstel Millimeter genau gefräst.

Das bayrische Produktpaket für die Ariane

Schubkammer eines Vulcain-Triebwerkes
Schubkammer eines Vulcain-Triebwerkes

Als führender Schubkammerhersteller Europas fertigt Astrium die Kammer für das Vulcain-Triebwerk der Ariane-Hauptstufe. Es wird jetzt durch das leistungsstärkere Vulcain 2 abgelöst, dessen Schubkammer natürlich auch aus Ottobrunn kommt. Sie gibt einen Schub von 135 Tonnen oder vier Millionen PS ab.
Aus der Raumfahrtschmiede Bayerns kommen auch die Oberstufentriebwerke der Ariane. Die bisherige Oberstufe für Ariane 5 ist mit dem Aestus-Antrieb ausgerüstet. Nun kommt die leistungsstärkere kryogene Oberstufe ESC-A (Etage Supérieur Cryotechnique A) mit dem HM7B-Triebwerk zum Einsatz, das bereits erfolgreich in der Ariane 4 seinen Dienst versah.

Die Schubkammer des Vinci-Triebwerkes wird bearbeitet
Die Schubkammer des Vinci-Triebwerkes wird bearbeitet

Auch an der Zukunft wird in Ottobrunn bereits gearbeitet. Die Entwicklungsingenieure beschäftigen sich bereits mit Komponenten des Vinci-Triebwerks, das in die noch leistungsstärkere und wiederzündbare Oberstufe ESC-B eingebaut werden soll. Der Einsatz dieser Stufe ist ab 2006 geplant.
Zum Fertigungsprogramm gehören weiterhin die sogenannten Kryogen-Ventilsysteme der Vulcain- und HM7-Antriebe. Über diese Ventile werden Druck und Zufuhr der gekühlten (kryogenen) Treibstoffkomponenten Flüssig-Wasserstoff und Flüssig-Sauerstoff geregelt. Die kleinen High-Tech-Wunder benötigen dafür lediglich eine elektrische Leistung von 30 Watt, steuern aber Drücke bis zu 150 bar (der normale Luftdruck beträgt 1 bar).

Mit der neuen High-Tech-Fertigungsstätte am Rande Münchens hat Astrium eine weitere Weiche für die Zukunft der Trägerrakete Ariane gestellt. Es leistet damit einen wichtigen Beitrag zur kostengünstigeren Fertigung des leistungsfähigen Trägersystems und zum Erhalt des Marktanteils der Ariane von über 50 Prozent am Weltmarkt.

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