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Wie SMART 1 bei ESOC das Fliegen lernte

25/09/2003 534 views 0 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Der Countdown für die Ariane-5-Mission V 162 läuft. Wenn die mächtige Trägerrakete von Kourou abhebt, beginnt Europas Traum vom Flug zum Mond Wirklichkeit zu werden. Mit an Bord ist SMART 1, die erste ESA-Raumsonde zur Erkundung des Erdtrabanten. Ihr Flug wird im Europäischen Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt überwacht und gesteuert. Doch lange vor dem echten Start musste SMART 1 das Fliegen erlernen: An, in und mit den Computern des ESOC.

Endlich ist es soweit. SMART 1 ist startbereit. Die kleine aber feine High-Tech-Mondsonde wird ihren monatelangen Flug auf einer ungewöhnlichen Bahn zum Mond antreten. Ursache für die ausgedehnte Flugzeit ist ein elektrisches Ionentriebwerk an Bord, das den Raumflugkörper langsam und stetig beschleunigt. Das führt zu einem spiralförmigen langen Weg bis zum Ziel. Derartige Antriebe sollen in Zukunft Raumsonden bis an die äußeren Grenzen unseres Sonnensystems und darüber hinaus befördern. SMART 1 führt zehn Experimente mit, die der Erprobung neuer Geräte und Verfahren für künftige Missionen sowie der Erforschung des Mondes dienen.

Lunare Steuerzentrale: Das ESOC in Darmstadt

Die SMART-Mission wird vom Europäischen Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt überwacht und gesteuert. Dort laufen die Vorbereitungen für dieses Großereignis seit Monaten auf Hochtouren. Während des Starts und in der nachfolgenden so genannten LEOP-Phase werden etwa 150 Spezialisten in Darmstadt für einen reibungslosen Ablauf des Unternehmens sorgen. Aber nicht nur im ESOC in Deutschland wächst die Anspannung in den letzten Stunden vor dem Start. In fünf weltweit verteilten Bodenstationen, die zum ESOC-eigenen Netzwerk für die Launch Early And Orbit Phase (LEOP) gehören, wird SMART 1 auf seiner Flugbahn nach der Abtrennung von der Trägerrakete verfolgt und die Verbindung zu ihr gehalten.
Die Bodenstationen derart ideal positioniert, dass sich der Raumflugkörper immer für einige Zeit im Sichtfeld einer Station befindet. Wie beim Staffellauf wird die Verbindung dann an die nächste Station weitergegeben.
Aufgenommen wird der Staffelstab von der 15-Meter-Antenne in Kourou (Französisch-Guyana) und dann „weitergereicht“ an die Stationen mit den 15-Meter-Antennenanlagen in Malindi (Kenia), Maspalomas (Gran Canaria, Spanien), Villafranca (Spanien) nach Perth (Australien). In Darmstadt laufen dann alle Informationen zusammen. Von hier werden über das LEOP-Bodenstationsnetz auch alle Befehle an SMART 1 erteilt. Dabei kommt der Station in Perth eine besondere Bedeutung zu, da die Mondsonde während der kritischen Phasen kurz nach dem Start in ihrem Sichtfeld liegt. In dieser Zeit werden die Bordsysteme aktiviert, die Solarzellenpanele ausgefahren und die Raumsonde zur Sonne hin ausgerichtet.

Neue Simulationsstrategie bei SMART 1

Die komplexen Abläufe bei Start und Inbetriebnahme eines Raumflugkörpers sowie die komplizierte Hard- und Software erfordern eine oft jahrelange Vorbereitung. Dabei werden der Start und die folgenden Aktivitäten immer wieder auf dem Computer durchgespielt. Im Ergebnis der "Betriebssimulation" muss der Nachweis erbracht werden, dass die Telemetrie- und Kommandosysteme in Echtzeit funktionieren sowie die eingesetzte Software und die Datenbanken fehlerfrei sind. Ebenso müssen die Prozeduren des Flugoperationsplanes alle Anforderungen erfüllen. Das bedeutet, dass bestimmte Prozeduren im vorgegebenen Zeitrahmen abgearbeitet werden können. Bei der Simulation werden auch alle denkbaren Notfallsituationen durchgespielt, um im Ernstfall sofort die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Der europäische Hightech-Würfel hat also vor dem heißen Start schon Dutzende „irdische Flüge“ in Darmstadt absolviert.

Bei SMART 1 wichen die Darmstädter Techniker aus Kostengründen von ihrer bisherigen Teststrategie ab. Im Allgemeinen wird ein Satellit bei der Simulation im Computer durch Datenbanken und speziell dafür geschriebene Software virtuell abgebildet. Auf den Bildschirmen des Personals verhält sich das unsichtbare Gebilde wie ein echter Raumflugkörper. Die Erarbeitung der Software und der Datenbanken erfordert jedoch Zeit und damit auch Geld. Da von den Bordsystemen und Instrumenten der SMART-Sonde noch reelle Ersatzgeräte vorhanden waren, entschlossen sich die Fachleute des ESOC, diese einfach mit den Simulationscomputern zu verbinden. Und sie machten aus der Not eine Tugend, in dem sie gleich dafür optimierte Managementtechniken erprobten. Mike McKay, Flight Operations Director für SMART 1, will damit auch kostengünstige Wege für künftige Missionen prüfen: „Wir wollen die Grenzen für derartige Low-Cost-Techniken austesten, um auch in Zukunft anspruchsvolle Missionen bei knappen Budgets realisieren zu können.“

Erste Zündung des Ionentriebwerks

Anderthalb Tage nach dem Start kommt einer der spannendsten Augenblicke: die erste Zündung des Ionentriebwerks. Dieses Ereignis nimmt eine Schlüsselposition bei der Aktivierung aller Bordsysteme ein, denn ein Fehlschlag würde das Ende der Mission bedeuten. SMART könnte dann den Mond niemals erreichen.
Wenn die Analyse der Daten von der ersten Zündung des Ionentriebwerks positiv ausfällt, kann der Antrieb in den Dauerbetrieb geschaltet werden. Eine der kritischsten Momente der LEOP-Phase wäre dann erfolgreich bewältigt. Es folgt eine zwölfmonatige Annäherung an den Mond. Dann ist die ESOC-Mannschaft wieder verstärkt gefragt, um die Sonde in eine Mondumlaufbahn zu bringen und die Wissenschaftler bei ihren Forschungen mit den Instrumenten an Bord zu unterstützen.
Die Vorarbeiten sind getan. Nun kann das Mond-Abenteuer beginnen.

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