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Schiaparelli-Landestelle auf dem Mars im Detail
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Detailbilder von Schiaparelli und seiner Hardware nach der Landung auf dem Mars

27/10/2016 2635 views 29 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Ein hochauflösendes Bild, das diese Woche von einem NASA Marsorbiter gemacht wurde, liefert weitere Einzelheiten über den Bereich, in dem das ExoMars-Modul Schiaparelli nach seinem Abstieg am 19. Oktober niedergegangen ist. 

Das aktuellste Bild wurde am 25. Oktober mit der hochauflösenden Kamera des Mars Reconnaissance Orbiter der NASA aufgenommen und beinhaltet Nahaufnahmen neuer Spuren auf der Planetenoberfläche, die in der vergangenen Woche erstmalig mit der ‘Kontextkamera’ des Raumfahrzeugs entdeckt wurden.

Nach der Aktualisierung der Koordinaten im Anschluss an die Trennung von Schiaparelli vom ESA Trace Gas Orbiter am 16. Oktober, waren beide Kameras bereits für die Untersuchung des Zentrums der geplanten Landeellipse vorgesehen. Die Abstiegsphasen von Schiapparelli mit Trennungsmanöver, Überschalleintritt in die Atmosphäre und Fallschirmphase, verliefen alle nach Plan, und das Modul landete auch im Erfassungsbereich der Hauptkamera, obwohl in der Endphase Probleme auftraten.

Die neuen Bilder liefern nun einen detaillierteren Eindruck der größeren Bauteile von Schiaparelli, die beim Abstieg eingesetzt wurden. 

Schiaparelli-Landestelle
Schiaparelli-Landestelle

Das auffallendste Merkmal auf den Kontextbildern ist ein verschwommener, dunkler Fleck mit einer Ausdehnung von etwa 15 x 40 m, der mit dem Aufschlag von Schiaparelli zusammenhängen muss. Das hochauflösende Bild zeigt einen dunklen Punkt in der Mitte, mit einem Durchmesser von 2,4 m. Die Maße entsprechen etwa denen eines Kraters, der von einem 300 kg schweren Objekt verursacht werden würde, das mit einigen Hundert km/h dort eingeschlagen ist.

Vermutungen legen nahe, dass der Krater etwa 50 cm tief ist. Weitere Details werden auf zukünftigen Bildern erwartet.

Die umliegenden, asymmetrischen dunklen Spuren erschweren eine sichere Aussage. Sollte ein Meteorit mit 40.000­–80.000 km/h dort eingeschlagen sein, dann würde das Geröll um den Krater typischerweise auf einen geringen Aufschlagwinkel hinweisen und es wäre in Richtung des einschlagenden Himmelskörpers herausgeschleudert worden. 

Schiaparellis Geschwindigkeit hingegen war bedeutend geringer. Unter normalen Umständen wäre das Modul in seiner Verzögerungsphase nach dem Atmosphäreneintritt von Westen nahezu senkrecht abgestiegen.

Es ist denkbar, dass die Hydrazintanks im Modul beim Einschlag in eine Richtung hin explodiert sind. Dabei wurde Geröll von der Planetenoberfläche geschleudert. Dies ist jedoch anhand weiterer Untersuchungen zu klären.

Im Bereich rechts oberhalb des dunklen Flecks ist ein langer dunkler Bogen erkennbar, der bislang jedoch noch nicht erklärt werden kann. Er kann ebenfalls mit dem Aufschlag und einer möglichen Explosion zusammenhängen.

Schließlich sind noch ein paar weiße Punkte rund um die Aufschlagstelle auf dem Bild zu sehen. Sie sind zu klein, um sie genau bestimmen zu können. Möglicherweise hängen sie ebenfalls mit dem Aufschlag zusammen – es kann sich aber auch nur um ein ‘Rauschen’ im Bild handeln. Um ihre Herkunft zu klären, sind weitere Aufnahmen erforderlich.

Die Schiaparelli-Landestelle aus Sicht des Mars Reconnaissance Orbiters der NASA
Die Schiaparelli-Landestelle aus Sicht des Mars Reconnaissance Orbiters der NASA

Ein weißes Objekt, das etwa 1,4 km südlich von Schiaparelli entdeckt wurde, konnte nun detaillierter erfasst werden. Es handelt sich hierbei um den 12 Meter im Durchschnitt messenden Fallschirm, der während der zweiten Phase des Abstiegs von Schiaparelli eingesetzt wurde – nach dem Atmosphäreneintritt mit dem Hitzeschild. Wie klar zu sehen ist, ist der hintere Hitzeschild noch immer daran befestigt.

Der Fallschirm und der hintere Hitzeschild sind früher als erwartet von Schiaparelli abgekoppelt worden. Vermutlich wurden die Triebwerke von Schiaparelli erst wenige Sekunden vor dem Auftreffen auf dem Boden in einer Höhe von 2–4 km und bei einer Geschwindigkeit von über 300 km/h gezündet. 

Zusätzlich zum Aufschlagpunkt von Schiaparelli und dem Fallschirm konnte ein weiteres Objekt als vorderer Hitzeschild bestätigt werden. Er wurde nach etwa vier Minuten der sechsminütigen Abstiegsphase abgeworfen, wie vorgesehen. 

Landestelle im Kontext
Landestelle im Kontext

Die ExoMars- und MRO-Teams haben auf dem Bild der vergangenen Woche einen weiteren dunklen Punkt, etwa 1,4 km östlich der Einschlagstelle gefunden. Dabei scheint es sich, in Anbetracht des Timings und der Flugrichtung des Moduls nach dem Eintritt in die Atmosphäre, um einen plausiblen Landeort für den vorderen Hitzeschild zu handeln.

Das hell und dunkel marmorierte Erscheinungsbild des Objekts wird als Reflexion der mehrschichtigen Thermoisolierung ausgelegt, mit der die Innenseite des Schilds überzogen ist. Weitere Bilder aus unterschiedlichen Winkeln sollen diese Vermutungen noch untermauern.

Die dunklen Flecken um den vorderen Hitzeschild stammen wahrscheinlich vom Staub auf dem Marsboden, der infolge des Aufschlags unregelmäßig aufgewirbelt wurde.

MRO plant in den kommenden Wochen weitere Aufnahmen. Auf der Grundlage der aktuellen Daten und der Beobachtungen seit dem 19. Oktober, werden diese neuen Bilder von unterschiedlichen Blickpunkten und unter verschiedenen Lichtbedingungen aufgenommen. Auf diese Weise können die Schatten dazu eingesetzt werden, um möglicherweise die Höhe der Objekte besser bestimmen zu können und folglich eine schlüssigere Analyse darüber zu führen, worum es sich hierbei tatsächlich handelt.

Derzeit läuft eine umfassende Untersuchung der ESA und der Industriepartner, um die Ursache der Probleme zu ermitteln, die in der letzten Landephase von Schiaparelli aufgetreten sind. Die Untersuchung begann unmittelbar nachdem die von Schiaparelli während der Landung übermittelte Telemetrie vom Trace Gas Orbiter zur Erde weiter geleitet wurde.

Die gesamten Telemetriedaten werden verarbeitet, zugeordnet und im Detail analysiert, um ein schlüssiges Bild von Schiaparellis Abstieg und die Ursachen der Anomalien zu erhalten.

Bis zum endgültigen Abschluss dieser Analyse darf man nicht den Verlockungen simpler oder möglicherweise falscher Schlussfolgerungen erliegen. Das Team war anfänglich beispielsweise überrascht, als es während der höchsten Aufheizung des Moduls beim Atmosphäreneintritt zu einer Lücke in der Telemetrie kam, die größer war als erwartet: erwartet wurde eine Minute, die Lücke betrug zwei Minuten. Im Verlauf der Berechnungen konnte das Team jedoch die andere Hälfte der ‘fehlenden’ Daten dennoch abrufen und somit Probleme in diesem Teil der Sequenz ausschließen.

Die späteren Stufen der Abstiegssequenz, vom Abkoppeln des hinteren Schilds und Fallschirms bis zur Aktivierung und dem frühen Abschalten der Düsen, werden noch immer im Einzelnen untersucht. Ein Ergebnisbericht des Ermittlungsteams wird spätestens bis Mitte November 2016 erwartet.

Die Telemetriedaten sind auch ein äußerst wertvolles Ergebnis der Mission von Schiaparelli, mit dem Eintritt, Abstieg und der Landung. Dies war eigentlich der Hauptzweck dieses Elements der ExoMars 2016 Mission. Beim Atmosphäreneintritt wurden Messungen am vorderen und hinteren Hitzeschild durchgeführt. Dies ist das erste Mal, dass solche Daten am hinteren Hitzeschild eines Raumfahrzeugs erfasst wurden, das in die Marsatmosphäre eintritt.

Das Team kann außerdem Erfolge bei der Ausrichtung des Moduls zum Zeitpunkt der Trennung vom Orbiter, beim Eintritt in die Atmosphäre sowie beim Öffnen des Fallschirms bei Überschallgeschwindigkeit und bei der Verzögerung des Moduls aufweisen.

Diese und weitere Daten sind für zukünftige Landemissionen von unschätzbarem Wert, unter anderem auch für die Europäisch–Russische ExoMars 2020 Rover- und Oberflächenplattform.

Außerdem arbeitet der Orbiter ordnungsgemäß und wird für seine ersten Messungen am 20. November vorbereitet, um die wissenschaftlichen Instrumente zu kalibrieren. 

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