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Giftige Wolken umhüllen die Venus
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Im Fokus der Wissenschaft: Die Venus

04/06/2004 1072 views 0 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Zwei Ereignisse bringen die Venus wieder in das Blickfeld der Forschergemeinde: Der "Venustransit" am 8. Juni, bei der der Planet der Liebe vor der Sonne vorbeizieht, ist das astronomische Jahrhundertereignis. Und Venus-Express, die ESA-Raumsonde, die als erster Raumflugkörper in diesem Jahrhundert den Morgen- und Abendstern peinlich genau unter die Lupe nehmen will. Ihr Start ist für November 2005 geplant.

Die Venus hat jedermann – bewusst oder unbewusst – schon einmal in seinem Leben gesehen, denn sie ist das nach dem Mond hellste Objekt am Abendhimmel. Den Venustransit hat jedoch kein heute lebender Mensch jemals gesehen, denn das letzte Ereignis dieser Art fand 1882 statt. Wissenschaftler und Amateurastronomen bereiten sich weltweit an Instituten und Sternwarten auf die Beobachtung vor. Auch im Internet kann der Weg der Venus vor der Sonne verfolgt werden, so auf der Seite des Astrophysikalischen Instituts Potsdam (siehe „Links zum Thema“).
Das knapp sechsstündige astronomische Jahrhundertereignis beginnt am 8. Juni, 7.19 Uhr MESZ. Die Venus wird als vorbeiziehender dunkler Fleck vor der Sonnenscheibe zu sehen sein. Achtung!: Verfolgen Sie das Schauspiel nur mit Spezialbrillen, geschwärzten Gläsern oder mit entsprechenden astronomischen Instrumenten.

Der Venustransit: Ein seltenes Phänomen

Das Sonnenobservatorium im Einsteinturm Potsdam beobachtet den Venustransit
Das Sonnenobservatorium im Einsteinturm Potsdam beobachtet den Venustransit

Wie kommt dieses seltene Ereignis zustande? Als innerer Nachbarplanet umkreist die Venus die Sonne in 224 Tagen. Da die Erde in 365 Tagen – einem Erdjahr – unser Zentralgestirn umrundet, überholt die Venus uns alle 584 Tage. Das führt jedoch nicht zwangsläufig zum Transit vor der Sonne. Dazu ist eine weitere Bedingung nötig: Die Bahnebenen von Erde und Venus müssen sich so schneiden, dass die beiden Planeten und die Sonne kurzzeitig eine Linie bilden. Nur dann kommt ein Venustransit zustande. Mit diesem Wissen können die Astronomen nun nach den Keplerschen Gesetzen berechnen, dass je zwei Venustransits im Abstand von acht Jahren alle 105,5 und 121,5 Jahre stattfinden. Den nächsten Transit können die Erdbewohner also 2012 beobachten und dann erst wieder 2117 und 2125 (siehe Tabelle).

Ein Venustransit ist aber nicht nur optisch spektakulär, sondern auch von wissenschaftlichem Interesse. In der Vergangenheit diente er zur Entfernungsbestimmung Erde – Sonne, bekannt geworden als Astronomische Einheit (AE). Die 1769 mit 153 Mill. km erstmals auf diese Weise bestimmte AE war zur damaligen Zeit überaus exakt.
An diesem ersten internationalen Forschungsprogramm in der Geschichte war auch der Weltreisende James Cook beteiligt, der sich zu dieser Zeit auf Tahiti aufhielt. Noch heute wird der dortige Beobachtungsstandort Point Venus genannt.
In der Gegenwart stehen andere Forschungsziele im Vordergrund. Heute geht es um die Frage nach außerirdischen Lebensspuren. Ob ferne extrasolare Planeten Leben tragen, könnte man – so vermuten die Wissenschaftler – anhand ihrer Lichtspektren sehen. Die Forscher wollen deshalb ihre Beobachtungsinstrumente beim Transit eichen. Eine bessere Beleuchtung der Gashülle unseres Nachbarplaneten mit Sonnenlicht können sie nicht erhalten. Da die Zusammensetzung der Venusatmosphäre bekannt ist, werden weltweit die Spektrometer an zahlreichen Teleskopen auf die Atmosphärenbestandteile abgestimmt. Mit Hilfe der so geeichten Instrumente wollen die Fachleute nicht nur die Zusammensetzung von Atmosphären ferner Planeten erkunden, sondern auch nach eventuell vorhandenem außerirdischen Leben suchen, das sich durch bestimmte Gase in der Planetenatmosphäre erkennen lässt.

Venus Express: Die Hölle im Visier

Venus Express vor dem Planeten der Liebe
Venus Express vor dem Planeten der Liebe

Aber nicht nur von der Erde aus wird die Venus erforscht. Im November 2005 soll vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur eine Sojus-Trägerrakete die europäische Weltraumsonde Venus Express auf den Weg zu unserem nächsten Nachbarn schicken. Nach 153 Tagen ist das Ziel erreicht und die ESA-Raumsonde schwenkt in eine Umlaufbahn um die Venus ein, die sie über die Pole des Planeten führen wird. Die größte Annäherung an die Oberfläche soll 250 km und die größte Entfernung rund 66 000 km betragen. Die Forscher hoffen dann, Daten von den Instrumenten an Bord der Sonde über insgesamt zwei Venustage – das sind umgerechnet mehr als 500 Erdtage – zu erhalten.

Obwohl bereits seit den Anfangsjahren der Raumfahrt immer wieder amerikanische und sowjetische Raumsonden den Nachbarn besuchten und zahlreiche Daten zur Erde schickten, sind noch viele Fragen offen. Da ist einmal die aggressive und für Menschen tödliche Atmosphäre mit dichten Schwefelsäurewolken und Temperaturen von 480 Grad Celsius sowie einem Druck, der 90-mal höher ist als auf der Erde. Einige Phänomene in diesem Vorhof zur Hölle, wie beispielsweise die gewaltigen hurrikanähnlichen Stürme in den oberen Atmosphärenschichten, können sich die Wissenschaftler nicht erklären. Außerdem ist immer noch ungeklärt, wie und wann ein derart gigantischer Treibhauseffekt überhaupt eintreten konnte. Antworten darauf interessieren auch die Klimaforscher auf der Erde, um daraus Erkenntnisse für die irdischen Klimaprognosen ableiten zu können.
Ein zweites Phänomen auf der Venus verblüfft die Forscher ebenfalls. Die ältesten Vulkankrater scheinen nur 500 Millionen Jahre alt zu sein. Daraus schließen sie, dass sich in der Venus zunächst ein gewaltiger Druck wie in einem Dampfkochtopf aufbaute, um dann schlagartig durch gewaltige globale Eruptionen wieder abgebaut zu werden. Könnte darin der Schlüssel für die unheimliche Venus-Atmosphäre liegen? Fragen über Fragen, die die internationale Wissenschaftsgemeinde mit Hilfe der Daten von Venus Express zumindest teilweise beantworten möchte.
Der Schwerpunkt der Forschungsarbeit von Venus Express liegt deshalb auch in der Untersuchung der Venusatmosphäre, der Ionosphäre und der Venusoberfläche.

Kostensparendes Missionskonzept

Die Mission wurde von der ESA in Zusammenarbeit mit weiteren wissenschaftlichen Instituten und der Industrie in einer Rekordzeit von drei Jahren auf die Beine gestellt. Möglich wurde das durch die Verwendung bereits entwickelter Strukturen und den Einsatz von Reservegeräten anderer Missionen. Als Basis für die Venussonde dient die Struktur, die für Mars Express entwickelt wurde. Die Instrumente werden ebenfalls von Mars Express sowie von der Kometenmission Rosetta übernommen. Damit kann der Raumflugkörper kosten- und zeitsparend gebaut werden.

Venus Express soll damit auch zeigen, dass das Rad nicht immer neu erfunden werden muss, sondern der intelligente Einsatz vorhandener Ressourcen ebenfalls anspruchsvolle Forschungsprojekte ermöglicht.

Tabelle der Venustransite in Weltzeit

Datum Beginn Ende Abstand zum
nächsten Transit
       
07.12.1631 03.36 Uhr 07.02 Uhr 8Jahre
04.12.1639 14.50 Uhr 22.01 Uhr 121,5 Jahre
06.06.1761 01.55 Uhr 08.43 Uhr 8 Jahre
03.06.1769 19.08 Uhr 01.42 Uhr 105,5 Jahre
09.12.1874 01.38 Uhr 06.35 Uhr 8 Jahre
06.12.1882 13.49 Uhr 20.22 Uhr 121,5 Jahre
08.06.2004 05.06 Uhr 11.33 Uhr 8 Jahre
05.06.2012 22.02 Uhr 04.56 Uhr 105,5 Jahre
10.12.2117 23.50 Uhr 05.47 Uhr 8 Jahre
08.12.2125 13.07 Uhr 18.57 Uhr 121,5 Jahre

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