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Das Hessische Landesmuseum in Darmstadt beherbergt bis zum 8. Oktober 2017 die Ausstellung zur Rosetta-Mission
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Kometenjäger im Museum

07/06/2017 1477 views 7 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Die faszinierende Reise der Rosetta Mission können Besucher bis zum 8. Oktober im Hessischen Landesmuseum miterleben. Für die Ausstellung über Europas Kometenjäger sind das European Space Operations Centre (ESA/ESOC) und die Darmstädter Kulturinstitution erstmals eine Kooperation eingegangen. Die Schau visualisiert den 7 Milliarden Kilometer langen Flug und die Landung auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko mit einer spektakulären Filmprojektion an der Gewölbedecke des Museums.

Das Dröhnen ist ohrenbetäubend. Als die Ariane-5 mit der Rosetta-Raumsonde im Gepäck abhebt, verwandelt ihr Rückstoß die 30 Meter lange Decke des großen Ausstellungssaales in eine rotglühende Feuerwolke. Mit einem tiefen Rauschen durchschneidet die Rakete den  Sternenhimmel, nimmt Kurs auf und entlässt ihre wertvolle Fracht in den tiefschwarzen Orbit. Die 12 Jahre lange und sieben Milliarden Kilometer weite Reise des Kometenjägers Rosetta beginnt – und die Museumsbesucher sind hautnah dabei.

3-D Projektion der Rosetta-Mission in der Gewölbekuppel des Museums
3-D Projektion der Rosetta-Mission in der Gewölbekuppel des Museums

12 Ultra HD-Beamer projizieren die Filmsequenzen aus den unendlichen Tiefen des Weltraumes mit solch hochauflösender Präzision an die fast neun Meter hohe Museumsdecke, dass die Wucht der Bilder die Betrachter tiefer in ihre Polster drückt.

Als wäre man tatsächlich an Bord von Rosetta .... 

In warmen, weichen Sitzbällen liegen die Besucher fast horizontal unter der Gewölbedecke, ein originalgetreues Modell der Rosetta Sonde baumelt über den Köpfen. Die Erde zieht bei einem Swingby-Manöver des Satelliten an den Betrachtern vorbei, der Mars und auch die rot grau gemaserte Oberfläche des Jupiters. Kalt wie ein Schneeball und so massiv wie ein Berg rollt der Komet aus den Tiefen heran und man ist froh, dass der weiche Sitzball so schön nachgibt.

In rund 10 Minuten zeichnet der aufwendige Film, den das Hessische Landesmuseum hat produzieren lassen, die Reise des Kometenjägers, das Rendezvous mit Tschurjumow-Gerassimenko, das Aufsetzen des Landemoduls Philae auf der Oberfläche nach „und man fühlt sich, als wäre man wirklich an Bord dabei“, sagt Paolo Ferri, einer der „Rosetta Väter“. Der Leiter der ESA-Hauptabteilung für Missionsbetrieb, der die Kometenmission seit ihrem Anfang vor mehr als 22 Jahren begleitet hat, schildert den Gästen nochmals die Herausforderungen und Highlights der Mission.

Den Museumsfilm sieht er an diesem Morgen bei der Ausstellungseröffnung das erste Mal komplett und ist begeistert. Auch Oliver Sandrock, Kurator der Schau, ist kaum zu bremsen: „Das hat wirklich unheimlich viel Spaß gemacht“, sagt er. „Es ist das erste Mal, dass wir bei einer Ausstellung auch die Decke bespielen.“

Swingby und Papstwahl

Die atemberaubenden Filmsequenzen visualisieren nicht nur die Weite und Dimensionen dieser weltweit einmaligen Forschungsreise, ergänzt wird die Videoprojektion auch durch eingeblendete Zeitleisten der Mission, Originalaufnahmen der Sonde und des Landegerätes vom Kometen sowie pädagogischen Elemente und spielerisch vermittelte Informationen über die Technologie, Raum und Zeit. Das Modul Zeit, ebenfalls als Projektion an der Museumsdecke zu sehen, ist Oliver Sandrocks Liebling. 

Rosetta, Lander Philae und Komet "Tschuri"
Rosetta, Lander Philae und Komet "Tschuri"

„Daran sieht man, wie unglaublich lange die Reise gedauert hat“, findet er. Die Kuratoren haben kulturelle und politische Ereignisse mit Daten der Mission gemischt: 2005 etwa war der erste Flyby, das Schwungholen von Rosetta an der Erde, 2005 war aber auch: „Wir sind Papst“. Oder 2006 Baubeginn der Elbphilharmonie. „Oh Gott, ist das lang her, denkt man das nur“, lacht Oliver Sandrock. Ein 1:1 Modell des Philae-Landemoduls, das federführend vom DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) in Köln gesteuert wurde, ist ebenfalls zu sehen.

Ein Meteoritenhimmel aus Bauschaum

Es sollte eine Schau entstehen, die so spannend ist wie die Mission. „Wir wollten auf keinen Fall Schautafeln“, sagt Sandrock. Stattdessen empfangen die Besucher ein Modell der Ariane-Rakete, historische Teleskope, verkleinerte Kopien von Rosetta und Philae und gleich zu Beginn ein Meteoritenhimmel. 30 oder 40 funkelnde Gesteinsbrocken, die für die Anfänge des Sonnensystems stehen,  baumeln an unsichtbaren Fäden herab. Sie repräsentieren Reste aus dem Asteroidengürtel zwischen Jupiter und Mars, wo auch Rosettas Rendezvous mit dem Kometen begann. 

3-D Projektion der Rosetta-Mission in der Gewölbekuppel des Museums
3-D Projektion der Rosetta-Mission in der Gewölbekuppel des Museums

In der Ausstellung sind es jedoch mit Glitzer besprühte Körper aus Bauschaum, die die Museumsrestauratoren hergestellt haben, berichtet die stellvertretende Museumsleiterin Gabriele Gruber schmunzelnd. Sie ähneln zum Verwechseln echt den Exemplaren, die die Kuratoren darunter platziert haben: Echte Meteoriten vom Mond oder dem Mars, Exponate aus dem Physikalischen Kabinett des Museums, das von historischen astrologischen Instrumenten ergänzt wird und „zur Keimzelle des Landesmuseums zählt“, sagt Museumsleiter Theo Jülich.

Das erste gemeinsame Projekt von ESA und Landesmuseum 

 

Theo Jülich und seine Stellvertreterin Gabriele Gruber sind hocherfreut über die erstmalige Kooperation ihres Museums mit der ESA. Sie sind überzeugt, dass diese einmalige Mission auch viele Besucher faszinieren wird. Wie groß das Interesse war, das letztlich auch zu dieser Ausstellung führte, dokumentiert Jocelyne Landeau-Constantin, Leiterin der Abteilung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit im ESOC. 70 Prozent der 525 Millionen Europäer, sagt sie, haben von Rosetta gehört oder gelesen.

Die Aufmerksamkeit für die Mission dauerte auch über zehn Jahre an. „Die Wirkung hat uns selbst erstaunt.“ Kinder, Nachbarn, Senioren, Eltern hätten plötzlich über Rosetta und Tschury, wie der Komet mit dem unaussprechlichen Namen alsbald abgekürzt wurde, gesprochen. Dabei ließen sich die PR-Fachleute der ESA auch mal ganz neue Wege einfallen: Statt trockener Fakten verbreiteten sie unkonventionelle Comics über Rosetta, die heute heiß geliebt werden - selbst von Museumskuratoren, wie Oliver Sandrock zugibt. 

Glückwünsche von Obama und William Shatner

Das Interesse bei Mars Express oder bei der Huygens-Sonde am Saturn-Mond Titan war schon groß, „aber Rosetta hat alles übertroffen“, sagt Jocelyne Landeau-Constantin. Den Tag der Landung auf dem Kometen hätten zehn Millionen Menschen gleichzeitig verfolgt – eine Aufmerksam wie vielleicht zuletzt für die Apollo Mondmission der Amerikaner. „Eine Herausforderung für unsere Livestream-Technik“, lacht die PR-Expertin der ESA. 

Rolf Densing, der Direktor des ESOC in Darmstadt bei der Eröffnung der Ausstellung
Rolf Densing, der Direktor des ESOC in Darmstadt bei der Eröffnung der Ausstellung

Glückwünsche trafen an diesem 12. November 2014, dem Tag der Kometenlandung, aus dem Weißen Haus in den USA ein, von Präsident Obama und aus der Downing Street in London. „Sogar William Shatner – der Captain Kirk aus der Serie Raumschiff Enterprise -  hat uns geschrieben“, erzählt Jocelyne Landeau-Constantin.

An das Unmögliche glauben

Die Ausstellung „Rosetta - Europas Kometenjäger“ dauert bis 8. Oktober und wird begleitet von einem vielfältigen Vortrags- und Führungsprogramm, an dem auch ESA-Mitarbeiter wie Paolo Ferri, Astronaut Thomas Reiter, ExoMars-Flugdirektor Michael Denis oder der Leiter für den Flugbetrieb von Planetenmissionen, Andrea Accomazzo, von ihrer Arbeit für die ESA berichten werden. Jocelyne Landeau-Constantin dankt dem Museum für die „intelligente und feinfühlige Zusammenarbeit.“ „Wir wollen inspirieren und junge Menschen faszinieren. Sie sollen an das Unmögliche glauben können.“ In einer Zeit, die heute häufig von Ängsten bestimmt werde, solle die Ausstellung über Rosetta die nachfolgende Generation ermutigen, sagt Jocelyne Landau-Constantin. 

Öffnungszeiten und Begleitprogramm unter www.hlmd.de 

www.esa.int/rosetta

www.dlr.de/philae

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