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Nur eine optische Täuschung - Das "Marsgesicht"
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Mythen, Monster und Marsianer

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ESA / Space in Member States / Austria

Die Frage nach Leben ist ein zentrales Thema und Motor der Marsforschung. Wohl keiner der Planeten hat die Phantasie des Menschen so angeregt, Fachwelt und Öffentlichkeit gleichermaßen so beeindruckt, wie der erdähnliche Mars, der durch seine rötliche Färbung Anlass zu unzähligen Legenden, Hypothesen und Spekulationen gab. Die Römer verglichen ihn mit ihrem Kriegsgott, einem Gott ohne Gnade. Seine Farbe ließ an Feuer, Blut und Krieg erinnern. Eine brutale Art zu kämpfen wird noch heute als martialisch bezeichnet. Auch die Astrologen nährten die Vorstellung des Mars als Unheil bringenden Planeten. So galt er seit Jahrtausenden als ein wenig vertrauenerweckender Ort. Dies alles hat zwar seinem Prestige geschadet, nicht jedoch dem Interesse an ihm: Erd- und Marstag sind fast gleichlang, er besitzt einen der Erde analogen Jahreszeitenrhythmus und mit Eiskappen bedeckte Pole. Warum nicht auch Lebewesen, Marsianer?

Als der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli 1877 ein seltsames Netz feiner Linien auf der Marsoberfläche entdeckte, brachte ein Übersetzungsfehler den Stein ins Rollen und die Marsianer zum Leben. Aus Schiaparellis "canali" (Rillen) wurden "Kanäle", also künstliche Bewässerungssysteme. Der reiche amerikanische Amateurastronom Percivall Lowell machte daraus sein Lebenswerk. Er interpretierte Schiaparellis Liniennetz als ein von Marsianern geschaffenes Kanalsystem, um das Wasser von den schmelzenden Polkappen zu ihren Ansiedlungen in Äquatornähe zu leiten. Von seiner bei Flagstaff/Arizona gelegenen Privatsternwarte entdeckte er über 400 Kanäle und 186 Oasen.

Das Ende des 19. Jahrhunderts grassierende Marsfieber steckte Personen unterschiedlichster Couleur an. Es überwog die Überzeugung, dass unser Nachbarplanet von schaffensreichen intelligenten Wesen bevölkert wird. Doch aus Lowells friedfertigen Marsianern wurden alsbald furchterregende grüne Monster. In den 1897/98 erschienenen Klassiker-Bestsellern "Auf zwei Planeten" von Kurd Laßwitz sowie "Krieg der Welten" von Herbert George Wells versetzen Marsinvasionen die Erdbewohner in Angst und Schrecken. 1938 löste die realistische Rundfunkbearbeitung von "Krieg der Welten" durch den Schauspieler Orson Welles eine Massenpsychose in Amerika aus. Panische Angst erfasste die Zuhörer, die das Vordringen der Marsianer mit ihren Todesstrahlen "live" erlebten. Bilanz dieses Hörspiels: Zahlreiche Tote, Schwerverletzte sowie zusammengebrochene Verkehrs- und Kommunikationsnetze.

Rot gleich tot

Früher gab es Flüsse auf dem Mars, wie ausgetrocknete Täler heute zeigen
Früher gab es Flüsse auf dem Mars, wie ausgetrocknete Täler heute zeigen

 

Doch Monster hin und Marsianer her. Als mit Viking 1 und 2 (1976) zwei Landeapparate weich auf dem Planeten niedergehen sowie der Rover Sojourner (1997) monatelang die rostrote Wüstenwelt erkundet, taucht kein Marsianer auf, um die Sendboten der Menschheit zu empfangen. Die stillen Hoffnungen zahlreicher Wissenschaftler, wenigstens niedere Lebensformen auf der Marsoberfläche zu finden, wurden durch die beiden Viking-Lander jäh zerstört. Der Marsboden reagiert derart aggressiv, dass er, bei Zusatz von Wasser, sogar organische Substanzen durch Oxidation zerstört. Und Wasser spielte, insbesondere in der frühen Marsgeschichte eine bedeutende Rolle. Selbst mikroskopisch winzige Lebensspuren konnten nicht an den Landestellen gefunden werden. Die Marsoberfläche ist steriler als der beste Operationstisch. Rot gleich tot, so lautete damals die Quintessenz.
 Heute argumentieren die Wissenschaftler, man könne die punktuellen Messergebnisse der Viking-Sonden nicht auf den gesamten Planeten übertragen. Vielleicht hat man auch nur an den falschen Stellen nach Leben gesucht?

Inzwischen beteiligt sich eine ganze Armada verschiedener Sonden und Rover an der Suche. Bis auf einige vage indirekte Hinweise auf mögliche Stoffwechselprodukte von primitiven Leben (Methan) und kugelige Gesteinsformationen des Minerals Hämatit gibt es immer noch keinen Beweis für Leben auf dem Mars. Solche kleinen Mineralformationen entstehen auf der Erde meist unter der Beteiligung von Bakterien.

 

So unterschiedlich die Planeten Erde und Mars auch sein mögen, viele durch Wind, Wasser und Frost geprägte Landschaftsformen ähneln sich in geradezu verblüffender Weise. Sie sind ein Indiz dafür, dass beide Planeten über einen großen Zeitraum eine ähnliche Entwicklung durchlaufen haben müssen.

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