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Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko
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Rosettas Komet enthält die Bausteine des Lebens

31/05/2016 5635 views 16 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Auf dem Kometen, der seit nunmehr fast zwei Jahren von der ESA-Raumsonde Rosetta untersucht wird, wurden Substanzen entdeckt, die für die Entstehung von Leben auf der Erde eine besondere Bedeutung haben.  

Dazu gehört unter anderem die Aminosäure Glycin, die gewöhnlich in Proteinen vorkommt sowie Phosphor als Schlüsselelement der DNS und von Zellmembranen.

Seit geraumer Zeit diskutieren Wissenschaftler die Möglichkeit, dass Wasser und organische Moleküle durch Asteroiden auf die nach ihrer Entstehung noch junge Erde gelangten, als sie sich abkühlte. Diese Stoffe bildeten die Grundbausteine für die Entstehung von Leben.

Von einigen Kometen und Asteroiden wissen wir bereits, dass deren Wasserzusammensetzung der der Ozeane auf unserer Erde entspricht. Auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko wurde mit Rosetta nun jedoch eine Abweichung hiervon festgestellt, was die Debatte um die Bedeutung der Herkunft des Wassers auf unserer Erde erneut entfacht. Doch neue Ergebnisse zeigen, dass Kometen trotzdem potentielle Lieferanten von "Lebenselementen" gewesen sein könnten.  

Kometen könnten Lieferanten von Bausteinen des Lebens gewesen sein

Aminosäuren sind essentielle organische Verbindungen aus Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Sie bilden die Grundlage für Proteine.

Spuren der einfachsten Aminosäure, Glycin, konnten in Proben nachgewiesen werden, die 2006 im Rahmen der Stardust-Mission der NASA vom Kometen Wild-2 zur Erde zurückgebracht wurden. Durch die potentielle Kontaminierung der Proben auf der Erde gestalteten sich die Analysen jedoch äußert schwierig.

67P/Tschurjumow-Gerassimenko enthält Bausteine des Lebens
67P/Tschurjumow-Gerassimenko enthält Bausteine des Lebens

 

Nun konnten mit Rosetta zum wiederholten Male Spuren von Glycin in der Koma des Kometen nachgewiesen werden.  

“Dies ist der erste unzweifelhafte Nachweis von Glycin auf einem Kometen”, stellt Kathrin Altwegg fest, Forschungsleiterin des ROSINA-Instruments, mit dem die Untersuchungen durchgeführt wurden und Chefautorin der neuesten Veröffentlichung in Science Advances vom 27. Mai.

“Gleichzeitig haben wir auch weitere organische Moleküle entdeckt, die Vorläufer von Glycin sein können und die auf mögliche Bildungsarten von Glycin hinweisen,” so Altwegg weiter. 

 

Die Untersuchungen fanden statt, bevor der Komet der Sonne auf seinem sechseinhalb Jahre dauernden Orbit im August 2015 am nächsten stand – im Perihel.

Zum ersten Mal konnten Aminosäuren im Oktober 2014 ermittelt werden, als Rosetta sich in einer Entfernung von 10 km zum Kometen befand. Anschließend wurden sie im März 2015 bei einem Vorbeiflug in einer Entfernung von 30-15 km vom Kometenkern nachgewiesen.

Glycin kann sich auch ohne flüssiges Wasser bilden

Glycin war auch zu anderen Gelegenheiten messbar, als es in dem Monat vor Perihel zu Ausbrüchen auf dem Kometen kam und Rosetta sich in einer Entfernung von über 200 km vom Kometenkern befand, jedoch von einer Menge Staub umhüllt war.

“Wir können eine enge Verbindung zwischen Glycin und dem Staub erkennen. Da liegt es nahe, dass es möglicherweise mit anderen flüchtigen Stoffen aus dem Eismantel der Staubkörnchen freigesetzt wird, wenn diese sich in der Koma erwärmen”, meint Kathrin Altwegg.

 

Glycin geht nur bei Temperaturen knapp unter 150°C in den gasförmigen Zustand über. Das bedeutet, dass aufgrund der niedrigen Temperaturen an der Kometenoberfläche oder auch im Untergrund nur wenig davon freigesetzt wird. Daher kann es Rosetta nicht immer erkennen.  

Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko zwischen August und November 2014
Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerassimenko zwischen August und November 2014

 

“Glycin ist die einzige Aminosäure, von der wir wissen, dass sie sich auch ohne flüssiges Wasser bilden kann. Dass es gemeinsam mit seinen Vorläufermolekülen und dem Staub auftritt, legt die Vermutung nahe, dass es sich im Weltraum in den vereisten Staubkörnern oder durch das einstrahlende ultraviolette Licht bildet, bevor es für Milliarden von Jahren im Kometen gebunden und eingeschlossen wird”, ergänzt Kathrin.

Eine weitere aufregende Entdeckung von Rosetta, die in der Publikation beschrieben wird, ist Phosphor, ein Schlüsselelement aller lebenden Organismen. Es tritt beispielsweise als struktureller Bestandteil der DNS und auch in Zellmembranen auf. Es dient dem Transport chemischer Energie für den Zellstoffwechsel.

“Natürlich gibt es noch viele Ungereimtheiten bezüglich der chemischen Zusammenhänge auf der noch jungen Erde und eine riesige Lücke in der Evolutionsgeschichte zwischen der 'Lieferung' dieser Elemente durch Kometen und der Entstehung von Leben, die gefüllt werden will”, erläutert Co-Autor Hervé Cottin.

“Aber der wichtigste Punkt ist, dass Kometen sich in den vergangenen 4,5 Milliarden Jahren nicht wirklich verändert haben: sie gewähren uns einen direkten Zugriff auf einige der Zutaten, die vermutlich in der Ursuppe gelandet sind, aus der schließlich das Leben auf der Erde, wie wir es heute kennen, entstanden ist.”

Die Rosetta-Sonde und ihre Forschungsinstrumente
Die Rosetta-Sonde und ihre Forschungsinstrumente

 

“Die Vielzahl organischer Moleküle, die bereits von Rosetta erkannt wurden und die nun durch die aufregende Bestätigung der grundlegenden lebensspendenden Bestandteile, wie Glycin und Phosphor, ergänzt wird, bestätigt unsere Annahme, dass Kometen das Potential haben, die Schlüsselmoleküle für die chemische Evolution zu liefern”, sagt Matt Taylor, ESA-Forscher im Rosetta-Projekt.

“Eines der Hauptziele der Rosetta-Mission ist der Nachweis, dass Kometen Reservoirs und Transportmittel für primitives Material sind, über die diese lebensnotwendigen Zutaten zur Erde gelangt sind. Deswegen freuen wir uns so sehr über diese Forschungsergebnisse.”  

Hinweise für Redakteure

“Prebiotic chemicals – amino acid and phosphorus – in the coma of comet 67P/Churyumov–Gerasimenko”, von K. Altwegg et al., erschienen im Journal Science Advances

Kontakt für weitere Informationen:

Markus Bauer
ESA Science and Robotic Exploration Communication Officer
Tel: +31 71 565 6799
Mob: +31 61 594 3 954
E-Mail: markus.bauer (at) esa.int

Kathrin Altwegg
Forschungsleiterin ROSINA
Universität Bern, Schweiz
E-Mail: kathrin.altwegg (at) space.unibe.ch

Hervé Cottin
LISA, Université Paris Est Créteil sowie Université Paris Diderot, UMR 7583 CNRS, Institut Pierre Simon Laplace, Frankreich
E-Mail: herve.cottin (at) lisa.u-pec.fr

Matt Taylor
ESA Rosetta Project Scientist
E-Mail: matt.taylor (at) esa.int

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