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Frank de Winne erprobt WEAR
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WEAR – die gute Fee für ISS-Astronauten

02/10/2009 515 views 0 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Das Leben der Astronauten an Bord der ISS ist anspruchsvoll. Sie müssen eine Vielzahl komplexer Aufgaben erledigen, wobei sie mit tausenden Komponenten konfrontiert werden. Abhilfe soll künftig eine gute Fee namens WEAR schaffen, die ihnen während der Arbeit wertvolle Tipps „einflüstert“. ESA-Astronaut Frank de Winne testet gerade dieses System auf der ISS.

Der von der ESA entwickelte Gerätekomplex WEAR (Wearable Augmented Reality) ist ein tragbares Computersystem, das über ein am Kopf des Astronauten getragenes Display vielfältige Informationen liefert, beispielsweise 3D-Grafiken und Daten. WEAR wird durch die Stimme des Astronauten gesteuert, so dass er die Hände stets für Tätigkeiten frei hat. Das neue Gerätesystem dient zum einen der Erkennung und Lokalisierung von Objekten an Bord der Raumstation. Zum anderen können sich die Astronauten für komplizierte und lange Arbeitsprozeduren die notwendigen Instruktionen, Erläuterungen und Arbeitsabläufe problemlos anzeigen lassen. Auf diese Weise soll die Arbeit wesentlich erleichtert werden. Gleichzeitig erhoffen sich die Erfinder von WEAR eine höhere Effizienz und eine Verringerung der Fehlerquote bei der Erledigung der Aufträge.

Reale + virtuelle Welten verschmelzen zur Augmented Reality

Die Astronauten benötigen eine Vielzahl Handbücher an Bord der ISS
Die Astronauten benötigen eine Vielzahl Handbücher an Bord der ISS

„Im Moment nutzen die ISS-Crews gedruckte Handbücher mit den Instruktionen für viele operationelle und Wartungsarbeiten,“ berichtet Luis Arguello. Er arbeitet bei der Modelling and Simulation Section der ESA, die das WEAR-Projekt betreut. „Offensichtlich ist es einfacher, eine Arbeit mit den entsprechenden Anweisungen in der Hand auszuführen. Deshalb haben wir eine neue Nutzerschnittstelle entwickelt, die es den Astronauten erlaubt, geführt durch elektronische Arbeitsanweisungen und Handbücher ihre Arbeit präzise und richtig auszuführen, ohne irgendwelche gedruckten Bücher in der Hand zu halten und damit in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt zu sein,“ erläutert Arguello die Zielstellung des Projekts.

Bei WEAR handelt es sich um ein Hilfsmittel, das seinem Nutzer auf elektronischem Weg zusätzliche Informationen zur Verfügung stellt, und zwar in dem Umfeld und zu dem Zeitpunkt, an dem er diese Infos benötigt. Die reale Umwelt wird mit virtuellen Daten gewissermaßen „aufgepeppt“. In der Fachsprache heißt das Verfahren „Augmented Reality“ (AR) oder erweiterte Realität.
Dagegen erzeugt das bekanntere Konzept der so genannten „virtuellen Realität“ (VR) eine komplett künstliche dreidimensionale Umgebung, in die der Benutzer mittels spezieller Brillen eintaucht. Sie kommt beispielsweise bei Entwurf und Konstruktion komplexer Systeme (Kraftfahrzeuge, Flugzeugkabinen und Anderes) zum Einsatz. Den Ingenieuren wird eine Umgebung vorgespiegelt, in der sie sich scheinbar bewegen und verschiedene Aktivitäten ausführen können.

Das WEAR-Projekt zeigt recht gut den Unterschied zwischen AR und VR. Die Astronauten bewegen sich in der realen Raumstation und bekommen zusätzlich an der richtigen Stelle sowie zum richtigen Zeitpunkt über ihr Kopfdisplay Informationen für ihre jeweilige Arbeit eingespielt. AR ist eine zukunftsträchtige Technologie, die in einigen Jahren in der Arbeitswelt weite Verbreitung finden dürfte, zumal sie je nach Zielstellung weit weniger aufwändig als die VR ist.

Zunächst technologische Demonstration

In der Station verteilt befinden sich derzeit Hunderte gedruckte Anweisungen
In der Station verteilt befinden sich derzeit Hunderte gedruckte Anweisungen

Schlüsselelemente des Systems sind ein mobiler Computer, ein Headset mit einem kleinen Display, zwei Videokameras zum Lesen von Barcodes und zur Objekterkennung sowie eine Inertial Measurement Unit (IMU) zur räumlichen Orientierung in der Raumstation. Die IMU arbeitet wie die Trackingtechnologie des iPhone von Apple, das die Bewegungsrichtung seines Trägers erfasst und damit ständig seine Position aktualisiert. Innerhalb des europäischen Columbus-Moduls, in dem WEAR zunächst erprobt wird, orientiert sich das System mit Hilfe eines dreidimensionalen „Columbus Computer Aided Design Modells“. Weitere Software dient der Spracherkennung und der Verarbeitung der 3D-Informationen für die Darstellung der erweiterten Realität. Mit Hilfe der Barcodes können mit ihnen ausgestattete Gegenstände schnell identifiziert oder über das ISS-Inventarisierungssystem (Inventory Management System) wieder aufgefunden werden.

WEAR wird seit September 2009 von Frank de Winne im Columbus-Modul getestet und hat seine erste Bewährungsprobe bestanden. Der ESA-Astronaut tauschte als Erstes ein Filter aus (einschließlich des Entfernens und Wiederanbringens einer Verkleidung) und konnte sich dabei mittels Sprachanweisungen Schritt für Schritt durch den Ablaufplan der Prozedur bewegen. Auf seinem Display erschienen dann die für den jeweiligen Arbeitsschritt relevanten Informationen.

Die „Augmented Reality“ ist nicht nur für den Weltraum geeignet. Das WEAR-Projekt wurde schließlich im Rahmen des ESA General Support Technology Programms in Angriff genommen. Dieses Programm unterstützt auch kommerzielle Anwendungen. Und so denken die Experten bereits über irdische Einsätze von WEAR in den Testeinrichtungen der ESA und bei der Feuerwehr nach.

Kontakt für weitere Informationen:
Luis.Arguello @ esa.int

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