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N° 47–2015: LISA Pathfinder gestartet

3 December 2015

Die ESA-Mission LISA Pathfinder wurde heute früh an Bord einer Vega-Trägerrakete von Europas Raumflughafen Kourou in Französisch-Guayana aus gestartet. Ihr Ziel ist die Demonstration von Technologien zur weltraumgestützten Beobachtung von Gravitationswellen.

Gravitationswellen stellen Verzerrungen der Raumzeit dar. Sie wurden von Albert Einstein vor hundert Jahren in seiner am 2. Dezember 1915 veröffentlichten Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt.

Gemäß Einsteins Theorie sind diese Fluktuationen universell und werden von beschleunigten massereichen Objekten erzeugt. Da sie jedoch äußerst winzig sind, konnte bisher kein direkter Nachweis erbracht werden. So würden z. B. die von zwei einander umkreisenden schwarzen Löchern erzeugten Wellen auf einem eine Million Kilometer langen Lineal nicht einmal die Größe eines Atoms übersteigen.

Mit LISA Pathfinder wird die hochkomplexe Technologie getestet, die zur weltraumgestützten Erfassung von Gravitationswellen erforderlich ist. Herzstück der Mission sind zwei identische, jeweils 46 mm breite, als Testmasse fungierende Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung, die 38 cm voneinander entfernt sind und von sämtlichen externen und internen Einflüssen mit Ausnahme der Schwerkraft abgeschirmt werden müssen.

Mit LISA Pathfinder werden diese Würfel in einen in dieser Perfektion im Weltraum bisher unerreichten gravitationellen freien Fall versetzt und ihre jeweiligen Positionen zueinander mit unglaublicher Präzision überwacht – Grundlage für künftige Weltraumobservatorien für Gravitationswellen.

Solche Zukunftsmissionen sind die unverzichtbare Ergänzung zu den bereits am Erdboden laufenden Forschungstätigkeiten zur Aufspürung dieser flüchtigen Himmelsboten. Mit der Kombination von boden- und weltraumgestützten Experimenten, die jeweils auf unterschiedliche, Gravitationswellen emittierende Quellen reagieren, eröffnen sich neue Perspektiven zur Erforschung besonders gewaltiger kosmischer Phänomene.

Der Start der Vega-Trägerrakete erfolgte um 05.04 Uhr MEZ. Etwa sieben Minuten später wurde nach der Abtrennung der ersten drei Raketenstufen die Oberstufe der Vega ein erstes Mal gezündet, um LISA Pathfinder auf eine niedrige Umlaufbahn zu bringen. Etwa eine Stunde und 40 Minuten darauf erfolgte eine zweite Zündung. Um 06.49 Uhr MEZ wurde das Raumfahrzeug von der Oberstufe abgetrennt, woraufhin das Raumflugkontrollzentrum der ESA in Darmstadt seine Steuerung übernahm.

In den kommenden zwei Wochen wird es seine Bahnhöhe mit sechs kritischen Triebwerkszündungen immer weiter anheben. Die letzte Zündung dient der Einbringung in die Einsatzumlaufbahn um den Lagrange-Punkt L1 herum, einen stabilen virtuellen Punkt, der sich in etwa 1,5 Mio. km Entfernung von der Erde Richtung Sonne befindet. Diese Bahn wird LISA Pathfinder voraussichtlich 10 Wochen nach dem Start am Mitte Februar erreichen, um nach letzten Funktionstests Anfang März ihre sechsmonatige wissenschaftliche Mission aufzunehmen.

Im Laufe des Flugs zu ihrem Einsatzorbit werden die beiden Würfel im Inneren von den Haltemechanismen, die sie während des Starts und Flugs schützen, gelöst. Die letzten Mechanismen werden erst bei der Ankunft am Lagrange-Punkt L1 freigegeben, wonach die beiden Körper nicht mehr mechanisch mit dem sie umgebenden Raumfahrzeug in Berührung kommen werden. Mit einem komplexen System von Laserstrahlen, die von den beiden Würfeln reflektiert werden, kann dann gemessen werden, wie perfekt die beiden in den freien Fall versetzt wurden, und zwar auf ein Milliardstel Millimeter genau – eine im Weltraum bisher unerreichte Präzision!

„Die Grundlagenforschung dient dem besseren Verständnis der Welt, in der wir leben“, so ESA-Generaldirektor Johann-Dietrich Wörner. „Die theoretischen Erkenntnisse Einsteins sind auch heute noch äußerst beeindruckend. LISA Pathfinder wird uns der Bestätigung einer der Einsteinschen Vorhersagen näher bringen: der Existenz von Gravitationswellen.“

Zentraler Bestandteil des Experiments ist auch das Raumfahrzeug selbst. Mit winzigen, etwa zehnmal pro Sekunde erfolgenden Triebwerksschüben wird es seine Position präzisieren und so eine Berührung mit den beiden Würfeln verhindern, die von jeglichen Fremdeinflüssen abgeschirmt werden müssen, um einzig und allein der Wirkung der Schwerkraft zu unterliegen.

Wenn LISA Pathfinder diese unglaublich präzisen Messungen und Manöver durchführen kann, eröffnen sich neue Perspektiven für den Bau eines künftigen Weltraumobservatoriums, das die kaum wahrnehmbaren, von Gravitationswellen verursachten Verzerrungen der Raumzeit erfassen soll, die sich voraussichtlich in Größenordnungen von 10 Milliardstel Millimeter, verteilt auf Entfernungen von mehreren Millionen Kilometern, bewegen werden.

„Gravitationswellen sind die nächste große Herausforderung für Astronomen. Mehrere Tausend Jahre lang konnten wir das All lediglich im sichtbaren Licht beobachten, seit dem vergangenen Jahrhundert immerhin im gesamten elektromagnetischen Spektrum“, erklärte Alvaro Giménez-Cañete, ESA-Direktor für Wissenschaft und robotische Exploration. „Indem wir nun jedoch Einsteins vor hundert Jahren gemachte Vorhersagen mit LISA Pathfinder überprüfen, eröffnet sich uns ein völlig neues Beobachtungsfenster zum Weltraum.“

LISA Pathfinder ist praktisch ein physikalisches Labor im Weltraum. Über einen arbeitsintensiven Zeitraum von sechs Monaten hinweg werden die Missionswissenschaftler die jeden Tag auf der Erde eingehenden Missionsbetriebsdaten analysieren, um jeweils die für die Folgetage auf dem Raumfahrzeug durchzuführenden Experimente zu planen.

„Nach vielen Jahren von Entwicklungen und Erprobungen auf der Erde kommt nun endlich die Feuertaufe, die wir nur im Weltraum vornehmen können“, freut sich Paul McNamara, ESA-Projektwissenschaftler für LISA Pathfinder. „In wenigen Wochen werden wir im Weltraum der Natur der Schwerkraft auf den Grund gehen können. Dies wird uns das nötige Selbstvertrauen geben, um auch den Bau eines großmaßstäbigen Weltraumobservatoriums ins Auge zu fassen, das uns in Zukunft Einblicke in das gravitative Universum geben wird.“

LISA Pathfinder wurde von einem Industrieteam unter der Leitung des Hauptauftragnehmers Airbus Defence & Space Ltd. gebaut. Airbus Defence & Space GmbH stellte die Nutzlast des integrierten LISA-Technologiepakets zur Verfügung, ein Konsortium europäischer Unternehmen und Forschungsinstitute dessen Untersysteme. Die NASA stellte Missionsbeiträge in Form von Zusatzgerät und -software bereit, die der Validierung eines alternativen Technologieansatzes zur Vermeidung von Berührungen zwischen den Würfeln und dem umgebenden Raumfahrzeug dienen.

„Der Bau von LISA Pathfinder hat uns vor zahlreiche Herausforderungen gestellt und wir freuen uns jetzt umso mehr, dass unser bahnbrechender Technologiedemonstrator endlich in den Weltraum starten konnte und sich nun auf seinem Flug zum Lagrange-Punkt L1 befindet, von wo aus er uns den Weg für eine ganze neue Kategorie künftiger Weltraumvorhaben bahnen wird“, prophezeit César García Marirrodriga, ESA-Projektleiter für LISA Pathfinder. 

Informationen zur Trägerrakete Vega

Der Start von LISA Pathfinder war der letzte der fünf Vega-Flüge im Rahmen des Begleitenden Forschungs- und Technologieprogramms der ESA für Vega (VERTA), das der Demonstration der Kapazitäten und der Flexibilität des Vega-Trägersystems dient.

Mit dem VERTA-Programm wurde die Vielseitigkeit der Vega unter Beweis gestellt: Durch Starts von Nutzlasten in verschiedene Umlaufbahnen konnte die gesamte Palette an möglichen Vega-Starts demonstriert werden.

Sämtliche VERTA-Missionen standen unter der Verantwortung der ESA. Sie trugen zur Präzisierung und Verbesserung von Konfiguration und Betrieb des Startsystems bei.

Die im Jahr 2015 durchgeführten Vega-Starts (IXV, Sentinel-2A und LISA Pathfinder) waren der Nachweis für die Kapazität des Systems zur Erreichung einer Startrate von jährlich drei Missionen. Dies schafft Vertrauen bei den Kunden und ermöglicht der Startdienstbetreiberin Arianespace, ihre Führungsposition in diesem Marktsegment aufrechtzuerhalten.

Die Trägerrakete Vega ist damit vollständig qualifiziert und einsatzbereit für die kommerzielle Nutzung durch Arianespace.

Über die ESA

Die Europäische Weltraumorganisation (ESA), Europas Tor zum Weltraum, ist eine 1975 gegründete zwischenstaatliche Organisation, deren Aufgabe darin besteht, europäische Raumfahrtkapazitäten zu entwickeln und sicherzustellen, dass die Investitionen in die Raumfahrt den Bürgern in Europa und anderswo zugutekommen.

Die ESA hat 22 Mitgliedstaaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Schweiz, Spanien, die Tschechische Republik, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Davon sind 20 auch Mitgliedstaaten der EU.

Die ESA arbeitet förmlich mit sieben anderen EU-Mitgliedstaaten zusammen. Auch Kanada nimmt im Rahmen eines Kooperationsabkommens an bestimmten ESA-Programmen teil.

Dank der Koordinierung der Finanzressourcen und Kompetenzen ihrer Mitgliedstaaten kann die ESA Programme und Tätigkeiten durchführen, die weit über die Möglichkeiten eines einzelnen europäischen Landes hinausgehen. Des Weiteren arbeitet sie eng mit der EU zusammen, um die Programme Galileo und Copernicus zu verwirklichen.

Die ESA entwickelt Raumfahrzeugträger, Satelliten und Bodenanlagen, um sicherzustellen, dass Europa bei Raumfahrtvorhaben weltweit an der Spitze bleibt.

Sie entwickelt und startet Erdbeobachtungs-, Navigations-, Telekommunikations- und Astronomiesatelliten, schickt Raumsonden in entlegene Regionen des Sonnensystems und beteiligt sich an der bemannten Exploration des Weltraums.

Mehr über die ESA: www.esa.int.

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ESA-Referat Medienbeziehungen

Email: media@esa.int

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