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SOHO captures coronal mass ejection blasting from the Sun's far side in the direction of Venus
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Koronaler Massenauswurf trifft Solar Orbiter vor Vorbeiflug an Venus

08/09/2022 1130 views 1 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Am Sonntag, den 4. September, flog die ESA-NASA-Mission „Solar Orbiter“ in den frühen Morgenstunden an der Venus vorbei, um ein Schwerkraftmanöver durchzuführen, das die Umlaufbahn der Sonde veränderte und sie noch näher an die Sonne brachte. Als wolle die Sonne die Aufmerksamkeit des Orbiters auf sich ziehen, während er sich an einen anderen Körper im Sonnensystem anschmiegte, schleuderte sie nur zwei Tage vor der größten Annäherung einen gewaltigen „koronalen Massenauswurf“ direkt auf die Sonde und den Planeten - und die daraus gewonnenen Daten sind aufschlussreich.

Am 30. August zielte ein großer „koronaler Massenauswurf“ von der Sonne in Richtung Venus. Der Sturm erreichte kurze Zeit später den am zweitnächsten an der Sonne gelegenen Planeten. Angesichts der fortlaufend eintreffenden Daten von Solar Orbiter zeigt dieser Sturm, warum die Überwachung des Weltraumwetters und seiner Auswirkungen auf die Himmelskörper - und Raumfahrzeuge - des Sonnensystems vor Ort so entscheidend ist.

Solar Orbiter Gravitationsmanöver an der Venus
Solar Orbiter Gravitationsmanöver an der Venus

Die Raumsonde wurde glücklicherweise nicht in Mitleidenschaft gezogen, da das ESA-NASA-Sonnenobservatorium darauf ausgelegt ist, heftige Ausbrüche unseres Sterns zu überstehen und sogar zu messen - obwohl die Venus nicht immer so glimpflich davonkommt. Koronale Massenauswürfe tragen zu einer Erosion der Venusatmosphäre bei, indem sie beim Vorbeirauschen Gase absaugen.

Höhenflug beim Vorbeiflug an der Venus

Solar Orbiter hat ein Viertel seiner zehn Jahre dauernden Mission zur Beobachtung der Sonne und ihrer geheimnisvollen Pole hinter sich gebracht. Seine Umlaufbahn wurde bewusst so gewählt, dass sie eng mit der Venus abgestimmt ist. Das bedeutet, dass er alle paar Umläufe in die Nähe des Planeten zurückkehrt, um dessen Schwerkraft zur Änderung oder Neigung seiner Umlaufbahn zu nutzen.

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Bisher war Solar Orbiter auf dieselbe Ebene wie die Planeten beschränkt, aber ab Februar 2025 wird er bei jeder Begegnung mit der Venus seine Bahnneigung erhöhen, so dass er aus der Ebene des Sonnensystems herausspringt, um einen Blick auf die geheimnisvollen Polarregionen der Sonne zu werfen.
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Dieser dritte Vorbeiflug an der Venus fand am Sonntag um 03:26 MESZ statt, als Solar Orbiter in 12.500 km Entfernung vom Mittelpunkt des Planeten vorbeiflog, also etwa 6.000 km von seiner gasförmigen „Oberfläche“ entfernt. Das heißt, er flog über eine etwa halb so große Distanz wie der Durchmesser der Erde.

Die Entfernung von der Venus, der Anflugwinkel und die Geschwindigkeit wurden akribisch berechnet, um genau den gewünschten Effekt der großen Anziehungskraft des Planeten zu erzielen - und Solar Orbiter näher an die Sonne zu bringen als je zuvor.

Solar Orbiter Kontrollteam beim Simulationstraining vor dem Start im Jahr 2020
Solar Orbiter Kontrollteam beim Simulationstraining vor dem Start im Jahr 2020

„Die Annäherung verlief dank der hervorragenden Planung unserer Kollegen der Flugdynamik und der sorgfältigen Betreuung durch das Kontrollteam genau nach Plan“, erklärt Jose-Luis Pellon-Bailon, Betriebsleiter von Solar Orbiter im Satellitenkontrollzentrum der ESA in Darmstadt.

„Durch den Austausch von „Orbitalenergie“ mit der Venus konnte Solar Orbiter die Schwerkraft des Planeten nutzen, um seine Umlaufbahn zu verändern, ohne dass dafür Unmengen von teurem Treibstoff benötigt wurden. Wenn die Sonde zur Sonne zurückkehrt, wird sie ihr rund 4,5 Millionen km näher kommen als zuvor.“

Partikel verstehen, die ein Strahlungsrisiko darstellen

Die zur Erde übertragenen Daten seit dem Auftreffen von Solar Orbiter auf den Sonnensturm zeigen, wie sich die lokale Umgebung durch den großen koronalen Massenauswurf verändert hat. Zwar mussten einige Instrumente während der Annäherung an die Venus zum Schutz vor dem von der Planetenoberfläche reflektierten Sonnenlicht abgeschaltet werden, doch die In-situ-Instrumente von Solar Orbiter blieben eingeschaltet und zeichneten unter anderem einen Anstieg der energetischen Sonnenpartikel auf.

Wie Sonne und Erde in Verbindung treten
Wie Sonne und Erde in Verbindung treten

Die Sonne emittiert ständig Teilchen, hauptsächlich Protonen und Elektronen, aber auch einige ionisierte Atome wie Helium. Wenn besonders große Eruptionen und Plasmaauswürfe von der Sonne ausgestoßen werden, werden diese Teilchen mitgerissen und auf nahezu relativistische Geschwindigkeiten beschleunigt. Genau diese Partikel stellen ein Strahlungsrisiko für Astronaut:innen und Raumfahrzeuge dar.

Die Erweiterung unseres Verständnisses koronaler Massenauswürfe und die Verfolgung ihrer Entwicklung auf ihrem Weg durch das Sonnensystem ist ein wichtiger Aspekt der Solar Orbiter-Mission. Die zehn wissenschaftlichen Instrumente der Sonde, die die koronalen Massenauswürfe, den Sonnenwind und das Magnetfeld der Sonne beobachten, liefern neue Erkenntnisse über die Funktionsweise des 11-jährigen Zyklus der Sonnenaktivität. Diese Erkenntnisse werden uns letztlich zu einer besseren Vorhersage von Zeiten stürmischen Weltraumwetters verhelfen und den Planeten Erde vor den heftigen Ausbrüchen der Sonne schützen.

Lebewohl, Halo?

SOHO zeigt einen koronalen Massenauswurf, der von der anderen Seite der Sonne in Richtung Venus zielt
SOHO zeigt einen koronalen Massenauswurf, der von der anderen Seite der Sonne in Richtung Venus zielt

This recent CME illustrates a difficulty in space weather observations. As seen in this footage from SOHO, a ‘full halo’ is visible when a CME is either coming straight at Earth, or in this case heading directly away, from the ‘far side’ of the Sun.

Dieser jüngste koronale Massenauswurf veranschaulicht eine Schwierigkeit bei der Beobachtung des Weltraumwetters. Wie in dieser Aufnahme von SOHO ersichtlich, ist ein „vollständiger Halo“ sichtbar, wenn ein koronaler Massenauswurf entweder direkt auf die Erde zukommt oder in diesem Fall direkt von der „fernen Seite“ der Sonne wegführt.

Von der Erde aus gesehen ist die Bestimmung, ob koronale Massenauswürfe auf die Erde zukommen oder sich von ihr entfernen, schwierig, da sie in beiden Fällen zu expandieren scheinen. Einer der zahlreichen Vorteile der geplanten „Vigil-Mission“ ist die Kombination der von der Erde aus aufgenommenen Bilder mit der Position von Vigil auf der „Seite“ der Sonne, dem fünften Lagrangepunkt, so dass die Unterscheidung zwischen einem aufziehenden und einem abziehenden Sturm einfach und zuverlässig sein wird.

Tiefere Erforschung des Weltraumwetters

Die Sonne übt ihren Einfluss auf alle Körper des Sonnensystems aus. Deshalb konnte auf den inneren Planeten kein Leben möglich sein, da die Temperaturen zu heiß waren und die Atmosphären schon vor langer Zeit abgetragen wurden.

Während wir uns von der Erde zum Mond wagen, müssen wir unbedingt verstehen, wie das Weltraumwetter den menschlichen Körper, Roboter, Kommunikationssysteme sowie Pflanzen und Tiere beeinflussen kann.

Die zukünftige Mission Vigil profitiert von Solar Orbiters Beobachtungen
Die zukünftige Mission Vigil profitiert von Solar Orbiters Beobachtungen

Das ESA Space Weather Service Network bietet nicht nur eine Reihe von Instrumenten, um die Auswirkungen der Sonne auf die Infrastruktur der Erde zu verstehen, sondern warnt derzeit auch Teams, die Missionen im gesamten Sonnensystem fliegen, vor extremem Weltraumwetter. Die Prognosen für Merkur, Venus und Mars sind über das Portal des Netzwerks frei zugänglich, und Jupiter wird demnächst folgen.

„Die Erhebung von Daten über Ereignisse wie dieses ist entscheidend, um deren Entstehung zu verstehen und unsere Weltraumwettermodelle, Prognosen und Frühwarnsysteme zu verbessern“, erklärt Alexi Glover, Koordinatorin des Weltraumwetterdienstes der ESA.

„Solar Orbiter eröffnet uns eine hervorragende Gelegenheit, unsere Prognosen mit realen Beobachtungen zu vergleichen und zu testen, wie gut unsere Modelle und Instrumente für diese Regionen funktionieren.“

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