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Rosetta deckt Prozesse im Kometenkoma, der Atmosphäre eines Kometen, auf.
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Ultraviolett-Studie liefert überraschende Erkenntnisse zur Kometenkoma

02/06/2015 2017 views 5 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Die ESA-Raumsonde Rosetta hat während ihrer andauernden Untersuchungen des Kometen 67P/ Tschurjumow-Gerassimenko eine unerwartete Entdeckung gemacht: Sie hat den Prozess offengelegt, der den rapiden Zerfall von Wasser- und Kohlendioxidmolekülen auslöst, die von der Kometenoberfläche freigegeben werden.

Die Rosetta-Mission der ESA hat den Kometen im August 2014 erreicht. Seitdem umkreist die Raumsonde den Kometen oder fliegt an ihm vorbei – in Entfernungen von acht bis hin zu einigen Hundert Kilometern. Während dieser Flüge sammelt Rosetta, ausgestattet mit elf wissenschaftlichen Instrumenten, Daten zu allen Aspekten der Kometenumwelt.

Eines dieser Geräte, der von der NASA gelieferte Alice-Spektograf, untersucht die chemische Zusammensetzung der Kometenatmosphäre, auch Kometenkoma genannt, in langen Ultraviolett-Wellenlängenbereichen.

In diesen Wellenlängenbereichen ermöglicht es Alice den Wissenschaftlern, einige der am häufigsten vorkommenden Elemente im Universum aufzuspüren. Dazu gehören Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff und Stickstoff. Der Spektograph spaltet das Licht des Kometen in seine verschiedenen Farben, sein Spektrum. So können die Wissenschaftler die chemische Zusammensetzung der Komagase bestimmen.

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Rosettas Bildverarbeitungs- und Spektroskopieinstrumente
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In einem Paper, das von der Fachzeitschrift Astronomy and Astrophysics zur Publikation angenommen wurde, beschreiben Wissenschaftler die Entdeckungen des Alice-Spektographen, die während Rosettas erster vier Monate am Kometen gemacht wurden. In dieser Zeit war die Raumsonde zwischen zehn und 80 Kilometer vom Mittelpunkt des Kometenkerns entfernt.

Für diese Studie konzentrierte sich das Team auf die Beschaffenheit der Wasser- und Kohlendioxidschwaden, die der Komet an seiner Oberfläche ausspeit. Dieses Hervorbrechen wird von der Wärme der Sonne ausgelöst. Dafür analysierten die Wissenschaftler nahe am Kometenkern die Emissionen von Wasserstoff- und Sauerstoffatomen, die ein Ergebnis aufgebrochener Wassermoleküle sind. Ebenso studierten sie Kohlenstoffatome von Kohlendioxidmolekülen.

Die Wissenschaftler entdeckten, dass die Moleküle wahrscheinlich in einem zweistufigen Prozess aufgebrochen werden.

Zunächst trifft ein ultraviolettes Photon der Sonne ein Wassermolekül im Kometenkoma und ionisiert es. Dabei löst das Photon ein energetisches Elektron aus dem Molekül heraus. Dieses Elektron trifft dann auf ein anderes Wassermolekül im Koma und spaltet es in zwei Wasserstoff- sowie ein Sauerstoffatom auf. Während dieses Prozesses energetisiert das Elektron die Atome. Diese Atome geben dann ultraviolettes Licht ab, dessen charakteristische Wellenlängen vom Alice-Spektographen entdeckt wurden.

Gleichermaßen führt der Aufprall eines Elektrons auf ein Kohlendioxidmolekül zu einem Aufspalten in Atome und die beobachteten Kohlenstoffemissionen.

„Durch die Analyse der relativen Intensitäten der beobachteten atomaren Emissionen konnten wir feststellen, dass wir tatsächlich die ‚Eltern’-Moleküle beobachten, die von Elektronen in unmittelbarer Nähe des Kometenkerns, etwa einen Kilometer von ihm entfernt, aufgebrochen werden, und zwar an dem Ort, an dem sie entstehen“, sagt Paul Feldman, Professor für Physik und Astronomie an der Johns Hopkins University in Baltimore. Feldman ist der Erstautor des Papers, in dem die Ergebnisse diskutiert werden.

Von der Erde oder von erdumkreisenden Observatorien wie dem Hubble-Weltraumteleskop aus können die atomaren Bestandteile von Kometen dagegen nur beobachtet werden, nachdem die Elternmoleküle (zum Beispiel Wasser oder Kohlendioxid) vom Sonnenlicht aufgebrochen worden sind – Hunderte bis Tausende Kilometer vom Kometenkern entfernt.

Der Komet auf einer NAVCAM-Aufnahme von 20. Mai 2015
Der Komet auf einer NAVCAM-Aufnahme von 20. Mai 2015

„Diese Entdeckung, über die wir jetzt berichten, kam ziemlich unerwartet“, sagt Alice-Projektleiter Alan Stern, Associate Vice President der Abteilung Weltraumwissenschaften und -technik am Southwest Research Institute (SwRI).

„Es zeigt uns auf, wie wichtig es ist, zu Kometen zu fliegen, um sie aus der Nähe analysieren zu können. Denn diese Entdeckung wäre niemals von einem Observatorium auf der Erde oder in einem Erdorbit gemacht worden, weder von einem existierenden noch von einem geplanten. Und diese Entdeckung verändert unser Wissen über Kometen fundamental.“

„Durch die Analyse der Emissionen von Wasserstoff- und Sauerstoffatomen, die von den Wassermolekülen abgespalten werden, können wir außerdem die Lage sowie die Struktur der Wasserschwaden, die aus der Kometenoberfläche herausbrechen, bestimmen“, sagt Mitautor Joel Parker, stellvertretender Direktor der Abteilung Weltraumwissenschaften und -technik am SwRI in Boulder, Colorado.

Das Wissenschaftler-Team vergleicht diese Aufspaltung der Moleküle mit dem Prozess, der für die Schwaden auf Jupiters vereistem Mond Europa vorgeschlagen wurde – mit dem Unterschied, dass die Elektronen am Kometen von Solarphotonen produziert werden. Die Elektronen auf Europa kommen aus Jupiters Magnetosphäre.

Die Ergebnisse des Alice-Spektographen werden von Daten, die andere Rosetta-Geräte gesammelt haben, bekräftigt. Zu nennen sind hier MIRO, ROSINA und VIRTIS, die in der Lage sind, die vielen verschiedenen Komabestandteile sowie deren Variationen im Zeitverlauf zu analysieren, sowie Geräte zur Partikelerkennung wie RPC-IES.

„Diese frühen Ergebnisse des Alice-Spektografen zeigen, wie wichtig es ist, einen Kometen in unterschiedlichen Wellenlängenbereichen und mit unterschiedlichen Technologien zu untersuchen, um so verschiedene Aspekte der Kometenumwelt zu erforschen“, sagt Matt Taylor, Rosetta-Projektwissenschaftler der ESA.

„Wir verfolgen derzeit aktiv, wie sich der Komet entwickelt, während er auf seinem Orbit der Sonne immer näher kommt, bis er im August das Perihel erreicht. Wir sehen, wie die Schwaden wegen der zunehmenden Sonnenwärme immer aktiver werden und untersuchen die Auswirkungen der Kometeninteraktion mit dem Sonnenwind.“

Weitere Informationen

Measurements of the near-nucleus coma of Comet 67P/Churyumov-Gerasimenko with the Alice far-ultraviolet spectrograph on Rosetta“ von Paul Feldman et al. wurde vom Fachmagazin Astronomy and Astrophysics zur Publikation angenommen.

Markus Bauer







ESA Science and Robotic Exploration Communication Officer








Tel: +31 71 565 6799








Mob: +31 61 594 3 954








Email: markus.bauer@esa.int

Paul Feldman
Johns Hopkins University, Baltimore
Email: pfeldman@jhu.edu

Matt Taylor






ESA Rosetta project scientist






Email: matthew.taylor@esa.int

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