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Kluge Köpfe

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Einige schweizerische oder in der Schweiz lebende Wissenschaftler haben merklich zum Fortschritt in der Weltraumforschung und Raumfahrt oder ihren wissenschaftlichen Grundlagen beigetragen. Ein paar von ihnen sind im folgenden beschrieben.

Die Familie Bernoulli

Die Familie des Gewürzhändlers Nikolaus Bernoulli (1623-1708), deren belgische Vorfahren als Calvinisten nach dem Einmarsch des Herzogs von Alba aus den Niederlanden nach Basel geflohen war, hat eine ganze Reihe von Mathematikern hervorgebracht. Die drei bekanntesten sind seine Söhne Jakob und Johann Bernoulli und Johanns Sohn, Daniel.

Jakob Bernoulli (1654-1705)

Jakob Bernoulli
Jakob Bernoulli

Jakob Bernoulli wurde am 27.12.1654 in Basel geboren. Er studierte in Basel Theologie, machte 1671 den Magisterabschluss und erhielt 1676 die theologische Lizenz, bildete sich aber gleichzeitig gegen den Willen seines Vaters autodidaktisch in Mathematik aus.

Nach Privatvorlesungen über Experimentalphysik in Basel ab 1683 und Publikationen wie etwa zur Kompressibilität der Luft und zum Schwingungsmittelpunkt wurde Bernoulli 1687 auf den Basler Lehrstuhl für Mathematik berufen, den er bis zu seinem Tod innehatte. Sein Nachfolger war bis 1748 sein Bruder Johann, danach bis 1790 dessen Sohn Daniel.

Jakob Bernoulli hat mit seinem Bruder Johann zusammen Pionierleistungen für die Entwicklung und Verarbeitung der von Gottfried Wilhelm Leibniz erfundenen Infinitesimalrechnung erbracht. Der anfänglich harmonische Wettstreit der Brüder wuchs sich später zu erbitterter Rivalität aus. Ab 1690 erschienen Jakob Bernoullis differentialgeometrischen Arbeiten, und1691 benutzte er als erster im Druck das in Basel geprägte und durch Leibniz übernommene Wort "Integral". In der Auseinandersetzung mit seinem Bruder Johann um das Brachystochronenproblem legte er ab 1692 den Grund zur Variationsrechnung. Mit seinen Untersuchungen zur Form eines belasteten Balkens begründete Bernoulli die systematische Elastizitätstheorie und legte den Grund für die Lösung zahlreicher technologischer Probleme der Neuzeit.

1699 wurde Bernoulli Mitglied der Pariser und 1701 der Berliner Akademie der Wissenschaften. Der eher introvertierte Bernoulli hatte nur wenige Schüler. Zu ihnen zählten sein Bruder Johann, sein Neffe Nicolaus und der Basler Jacob Hermann.

In Jakob Bernoullis erstem, unvollendeten und erst posthum 1713 erschienenen Werk "Ars conjectandi", finden sich die Vorarbeiten zur systematischen Grundlegung der Wahrscheinlichkeitsrechnung, u.a. mit der Einführung der sogenannten Bernoullischen Zahlen und der ersten Herleitung des für die Statistik bis heute fundamentalen “Gesetzes der grossen Zahl”.

Jakob Bernoulli starb am 16. August 1705 in Basel.

Johann Bernoulli (1667-1748)

Johann Bernoulli
Johann Bernoulli

Johann Bernoulli wurde am 27. Januar 1667 in Basel geboren.

Er studierte in Basel Medizin, erreichte 1685 den Magister Artium, 1690 die medizinische Lizenz und 1694 den Doktortitel, wurde aber gleichzeitig von seinem 12 Jahre älteren Bruder Jakob in die Mathematik eingeführt.

Seine Fähigkeit, schwierige mathematische und mechanische Probleme mit Hilfe der Leibnizschen Infinitesimalrechnung verblüffend einfach und elegant zu lösen verschafften ihm 1691/92 in Paris die Hochachtung des Gelehrtenkreises um Nicolas Malebranche. Bernoulli erteilte Guillaume de L’Hôpital Privatvorlesungen, erst persönlich und nach seiner Rückkehr nach Basel in Briefform, auf deren Basis jener das erste Lehrbuch der Differentialrechnung, die "Analyse des infiniment petits" (darin z.B. die Bernoulli-L'Hôpitalsche Regel) veröffentlichte.

1695 wurde Johann Bernoulli auf den Mathematiklehrstuhl in Groningen (NL) berufen. Neben ersten Vorlesungen über Integralrechnung identifizierte er dort durch eine geschickte Analogie aus der Optik die Linie schnellsten Falls eines Körpers im Schwerefeld als Zykloide. Da dieses von ihm öffentlich zum Wettbewerb ausgeschriebene "Brachystochronenproblem" nur von Gottfried Wilhelm Leibniz, Isaac Newton, L'Hôpital und seinem Bruder Jacob Bernoulli gelöst werden konnte, wurde Johann eine europäische Berühmtheit. Er wurde 1699 Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Paris, 1701 in Berlin, 1712 in London, und 1735 in St. Petersburg.

1705 übernahm Bernoulli. von seinem verstorbenen Bruder Jakob den Basler Lehrstuhl für Mathematik, den er bis zu seinem Tod innehatte.

Zu seinen herausragenden mathematischen Leistungen gehören die Entwicklung einer allgemeinen Theorie der Integration rationaler Funktionen, Arbeiten zur Theorie der Differentialgleichung, über das Prinzip von der Erhaltung der Energie und den Impulssatz, Beiträge zur Differentiation von Exponentialfunktionen, zur Theorie der Trajektorien und zu Hüllkurven. Bernoulli löste das inverse Problem der Zentralkräfte, bestimmte die ballistische Kurve des Geschosses unter Berücksichtigung der Reibung sowie das Schwingungszentrum starrer Körper und gab eine erste analytische. Fassung des Prinzips der virtuellen Geschwindigkeiten. Ausserdem untersuchte er Brennlinien in der Optik. In erbittertem Wettstreit mit seinem Bruder Jacob war Johann Bernoulli am Aufbau der Variationsrechnung beteiligt.

Durch seine Lehrtätigkeit (Schüler waren z.B. seine Söhne Daniel, Johann und Nicolaus, Pierre Louis Moreau de Maupertuis, Alexis Claude Clairaut, Gabriel Cramer, v.a. aber Leonhard Euler), seine Publikationen und seinen Briefwechsel trug Bernoulli entscheidend zur Verbreitung der Infinitesimalmathematik in ihrer Leibnizschen Form in Europa bei.

Johann Bernoulli starb am 1. Januar 1748 in Basel.

Daniel Bernoulli (1700-1782)

Daniel Bernoulli
Daniel Bernoulli

Daniel Bernoulli wurde am 8. Februar 1700 in Groningen (NL) als Sohn von Johann Bernoulli geboren. 1705 übersiedelte seine Familie zurück nach Basel.

Er wurde ab 1713 von seinem Vater und seinem älteren Bruder Nicolaus in Mathematik unterrichtet, studierte ab 1716 Medizin in Basel, Heidelberg und Strassburg und erlangte 1721 den Dr. med.. Nach vergeblichen. Bemühungen um einen Lehrstuhl in Basel ging Bernoulli 1723 nach Venedig, um sich beim dortigen Stadtarzt P.A. Michelotti weiterzubilden.

Durch Arbeiten über das Pharao-Spiel, den Wasserausfluss aus Behältern, die Riccatische Differentialgleichung sowie den Inhalt krummlinig begrenzter Figuren wurde er als Mathematiker und Naturwissenschaftler bekannt.

Daniel Bernoulli wurde 1725 zusammen mit seinem Bruder Nicolaus an den Lehrstuhl für Mathematik der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg berufen. Dort entstanden Arbeiten über das Kräfteparallelogramm, über Wahrscheinlichkeitsrechnung, Schwingungsprobleme, zur Akustik, zur Dynamik starrer Körper, zu Reibungsproblemen und zur Neigung der Planetenbahnen.

1733 übernahm er in Basel den Lehrstuhl für Anatomie und Botanik. 1743 tauschte er Botanik mit Physiologie, daraufhin konnte er 1750 endlich auf den Lehrstuhl für Physik wechseln. Als hervorragender Experimentator zog er zahlreiche Hörer an.

1738 erschien in Strassburg Daniel Bernoullis Hauptwerk, die "Hydrodynamica". Dort erklärte er erstmals makroskopische Eigenschaften eines Gases durch die mikroskopischen Bewegungen seiner Moleküle und initiierte damit die kinetische Gastheorie. Das sogenannte Bernoullische Strömungsgesetz (Energiesatz für stationäre Strömungen) – auch in der Hydrodynamica das erste Mal formuliert - ist heute allgemeine Grundlage für die Hydrodynamik und Aerodynamik und damit auch für die Technologie der Luftfahrt.

Daniel Bernoulli gewann zehnmal den Preis der Pariser Akademie der Wissenschaften. Er starb am 17. März 1782 in Basel.

Leonhard Euler (1707-1783)

Euler
Euler

Der Mathematiker und Physiker Leonhard Euler wurde am 15. April 1707 in Basel geboren.

Ersten Mathematikunterricht erhielt er von seinem Vater, der bei Jakob Bernoulli studiert hatte. Bedeutende Mathematiker wie Johann Bernoulli und Jacob Herrmann gingen im elterlichen Hause ein und aus, was den mathematischen Anlagen des jungen Euler sehr förderlich war. Ab 1720 erhielt Euler an der Universität Basel eine breitere Ausbildung, studierte nach Erlangung der Magisterwürde in Philosophie auf Wunsch seines Vaters zunächst Theologie, wandte sich kurz darauf aber ganz der Mathematik zu. Mit 19 Jahren bewarb er sich um eine Professur für Physik an der Universität Basel, wurde aber wegen seines jugendlichen Alters abgelehnt.

Einem Ruf an die neugegründete Petersburger Akademie der Wissenschaften folgend wurde er 1733 Professor der Physik. Im selben Jahr heiratete er Katharina Gsell. Aus der Ehe gingen dreizehn Kinder hervor, von denen aber nur fünf, drei Söhne und zwei Töchter, am Leben blieben. Für die Lösung der 1735 von der Pariser Akademie gestellten Aufgabe der Zeitbestimmung aus korrespondierenden Beobachtungen der Sonnenhöhe, für die eine Frist von mehreren Monaten veranschlagt worden war, brauchte Euler 3 Tage. Ein anschließendes Nervenfieber kostete ihn aber die Sehkraft des rechten Auges. 1741 übersiedelte er nach Berlin, wurde 1744 Direktor der mathematischen Klasse der Berliner Akademie und veröffentlichte eine erste zusammenfassende Darstellung der Variationsrechnung.

In der Folgezeit arbeitete er auf allen Gebieten der Mathematik, Physik und Astronomie. Er lieferte wesentliche Beiträge zur Differential- und Integralrechnung, zur Theorie der Differentialgleichungen, der Gleichungen der Zahlentheorie und der analytischen Geometrie und begründete die Variationsrechnung. Er verfasste physikalische Arbeiten über Hydrodynamik, Kreiseltheorie und optische Phänomene. Kennzeichnend für seine Arbeitsweise war die gleichzeitige Auseinandersetzung mit Problemen aus verschiedenen Gebieten und die ausführliche Darstellung seiner Überlegungen in den Veröffentlichungen.

Euler kehrte 1766 nach St. Petersburg zurück. Trotz vollständiger Erblindung seit 1771 enstanden noch weitere Arbeiten, z.B. über die Mondbewegung und allgemeinverständliche Werke wie die "Vollständige Anleitung zur Algebra" und die "Briefe an eine deutsche Prinzessin".

Auf Euler gehen verschiedene auch heute noch gebräuchliche mathematische Notationen zurück, so z.B. f(x) für eine Funktion, die Eulersche Zahl e für die Basis des natürliche Logarithmus, i für die imaginäre Einheit, p für das Verhätnis von Kreisumfang zu Kreisdurchmesser und das Summenzeichen S.

Am 18. September 1783 erlag Leonhard Euler in St. Petersburg einem Schlaganfall.

Eduard Stiefel (1909-1978)

Stiefel
Stiefel

Eduard Stiefel wurde im Jahre 1909 geboren und interessierte sich schon früh für die Transferbahnen zwischen den Planeten.

Er gründete 1948 das Institut für angewandte Mathematik (Heute Seminar for Applied Mathematics SAM) an der ETH Zürich. Dort stand auf seine Initiative hin von 1950 bis 1954 mit der von Konrad Zuse entwickelten und gebauten programmierbaren elektromechanischen Rechenmaschine Z4 der erste Rechenautomat an einer Hochschule auf dem Europäischen Kontinent.

Stiefels Spezialgebiet wurde die Himmelsmechanik, insbesondere numerische Methoden zur Berechnung von Satellitenbahnen. Seine mit elektronischen Rechnern gewonnene Erfahrung und Methoden zur Lösung von Differentialgleichungen konnte er direkt nutzbringend in der Raumfahrt anwenden. Stiefel war an stabilen und schnellen Verfahren zur Berechnung von Satellitenbahnen interessiert. Sein Forschungsschwerpunkt lag dabei bei den sogenannten Methoden der Regularisierung zur Bahnberechnung. Er erkannte 1964 dass eine Lösung des Problems der Transformation der singulären Newtonschen Bewegungsgleichungen in ein System von regulären Differentialgleichungen eine Transformation in den vierdimensionalen Raum erforderte (Regularisierung von Kustanheimo-Stiefel).

Prof. Stiefel erhielt sowohl von der NASA als auch von ESRO (European Space Research Organisation, eine Vorläuferorganisation der ESA) Forschungsaufträge zur Untersuchung von neuen Methoden zur Satellitenbahnberechnung, er hielt eine vielbeachtete Vorlesung über Himmelsmechanik und gründete eine aktive Gruppe von Studenten, Doktoranden und Assistenten, die sich mit mathematischen Methoden der Bahnberechnung von Satelliten beschäftigte.

Professor Eduard Stiefel starb 1978.