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Science & Exploration

N° 36–2002: "Kosmische Vision": das neue Wissenschaftsprogramm der ESA

28 May 2002

Im Anschluß an die Tagung des ESA-Rates auf Ministerebene in Edinburgh im November 2001 hat der Wissenschaftsdirektor eine vollständige Neubewertung des ESA-Wissenschaftsprogramms unternommen. Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit den durch den Beratenden Ausschuß für Weltraumwissenschaft vertretenen Forschern, der Industrie und den Delegationen der Mitgliedstaaten. Die Ergebnisse der Neubewertung wurden als Vorschlag an den Ausschuß für das Wissenschaftliche Programm der Europäischen Weltraumorganisation in dessen 99. Sitzung, die am 22./23. Mai in Andenes (Norwegen) stattfand, vorgelegt. Der Ausschuß für das Wissenschaftliche Programm nahm zunächst zur Kenntnis, daß die Exekutive in der Sitzung ihren Vorschlag für die Mission Venus Express zurückzog, und befürwortete dann nachdrücklich den von der Exekutive unterbreiteten neuen Plan, dessen tatkräftige Umsetzung er empfahl.

 

Die Ergebnisse der Ratstagung auf Ministerebene in Edinburgh waren für das Wissenschaftsprogramm der ESA nicht so positiv, wie dies erhofft worden war. Es zeigte sich, daß die bewilligten Mittel nicht ausreichen würden, um das vom Ausschuß für das Wissenschaftliche Programm im Oktober 2000 genehmigte Langzeitprogramm unter den von ihm im Mai 1999 in Bern beschlossenen finanziellen Annahmen durchzuführen. Das in Edinburgh bewilligte Finanzvolumen machte auf den ersten Blick die Streichung einer Mission (z.B. GAIA) erforderlich.

Am Ende der Neubewertung konnte die Exekutive nach eingehenden Konsultationen mit allen Partnern einen überarbeiteten Plan vorschlagen, nach dem sich nicht nur die im Oktober 2000 genehmigten Missionen aufrechterhalten lassen, sondern zusätzlich noch die Mission Eddington durchgeführt werden kann. Der vom Ausschuß für das Wissenschaftliche Programm in seiner 99. Sitzung nachdrücklich befürwortete neue Plan enthält die folgenden Missionen, die nach Produktionsgruppen zusammengefaßt sind:

Astrophysik

Gruppe 1: XMM-Newton (1999), INTEGRAL (2002) - Röntgen- und Gamma-strahlenobservatorien zur Untersuchung des "heftigen" Universums.

Gruppe 2: Herschel zur Erforschung des Infrarot- und Mikrowellen-Universums;Planck zur Untersuchung des kosmischen Mikrowellen-Hintergrunds;Eddington zur Suche nach extra-solaren Planeten und Untersuchung der stellaren Seismologie (die drei Missionen sollen im Zeitraum 2007-2008 gestartet werden).

Gruppe 3: GAIA zur hochgenauen Kartierung der Galaxien (Start spätestens im Jahr 2012). In dieser Gruppe sollen nach 2012 weitere Missionen folgen.

Erforschung des Sonnensystems

Gruppe 1: Rosetta, eine Sonde zu einem Kometen (2003); Mars Express, ein Mars-Orbiter mit dem Landegerät Beagle-2 (2003); (Venus Express, ein Venus-Orbiter, hätte zu dieser Gruppe gehört).

Gruppe 2: SMART-1 zur Demonstration solarer Antriebstechnik auf dem Weg zum Mond (2003), BepiColombo, eine Mission zum Merkur, und Sonnenorbiter zur Beobachtung der Sonne aus nächster Nähe (diese Missionen sollen im Zeitraum 2011-2012 gestartet werden).

Missionen für physikalische Grundlagenforschung (nur eine Gruppe)

STEP (2005) zum Nachweis des Äquivalenz-Prinzips; SMART-2, eine Technologie-demonstrationsmission (2006) für LISA, ein Gemeinschaftsvorhaben mit der NASA zum Nachweis von Gravitationswellen (2011).

Außerdem sieht die ESA eine Zusammenarbeit mit der NASA bei NGST (Weltraumteleskop der nächsten Generation) vor, dem im Jahr 2010 zu startenden Nachfolger des Hubble-Weltraumteleskops. STEP (2005), die Mission, die das Wesen der Masse und die Grundlagen der Mechanik nachweisen soll, hängt von einer Entscheidung der NASA ab, die bei dieser Mission Hauptpartner ist.

Die Produktionsgruppen sind mehr als wissenschaftliche Gruppierungen. Das Raumfluggerät für die Missionen in jeder Gruppe soll synergetisch unter größtmöglicher Nutzung gemeinsamer Technologien und Ingenieurteams gebaut werden.

Dieses Szenario stützt sich auf den gezielten Einsatz neuer Arbeitsmethoden:

- Die Verwirklichung von BepiColombo und des Sonnenorbiters mit internationalen Partnern. Die zwei Missionen werden als einziges Vorhaben durchgeführt, was erhebliche Einsparungen ermöglichen dürfte.

- Die Durchführung von Herschel/Planck und Eddington als einziges Vorhaben unter Verwendung der gleichen Plattform. Dies setzt den Start von Eddington spätestens im Jahr 2008 voraus.

- Größere technische Änderungen bei GAIA, um die Kosten dieser Mission ohne wissenschaftliche Einbußen zu senken. GAIA soll wie in Bern vereinbart spätestens im Jahr 2012 gestartet werden.

-Durch Verwendung neuer Technologien soll die Kosteneffizienz bei der Entwicklung und Beschaffung von Raumfluggerät erheblich gesteigert werden.

- Rechtzeitige Bereitstellung der Nutzlasten, was gegenwärtig beträchtliche Probleme aufwirft.

- Bereitschaft zu komplexeren Managementverfahren und zur Übernahme erhöhter Programmrisiken.

Es versteht sich von selbst, daß die Durchführung eines so anspruchsvollen Programms von Beginn an volles Engagement aller Beteiligten erfordert, d.h. der Industrie, der Exekutive, der zur Finanzierung beitragenden nationalen Agenturen und der Forscher. Ursprünglich enthielt der Vorschlag der Exekutive auch die Mission Venus Express, mit deren Durchführung unverzüglich begonnen worden wäre. Der Wissenschaftsdirektor ist jedoch zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen nicht erfüllt seien, und hat daher diesen Vorschlag zurückgezogen. Diese Haltung der Exekutive wird auch in Zukunft notwendig sein, wenn das Programm erfolgreich durchgeführt werden soll.

Erhöhte Programmrisiken bedeuten, daß das Programm ein Ereignis wie den Verlust der Cluster-Mission im Jahr 1996, für die innerhalb von nur vier Jahren Ersatz geschaffen wurde, weniger gut wird verkraften können.

Natürlich birgt dieses auf zehn Jahre angelegte Szenario einige Unsicherheiten. Diese sollen im Interesse des Gesamtprogramms bestmöglich genutzt werden:

Bei jeder kombinierten Mission (Herschel-Planck-Eddington, BepiColombo-Sonnenorbiter) kann die Startfolge optimiert werden. Die Arbeit an GAIA wird unverzüglich beginnen, um gegebenenfalls einen früheren Start zu ermöglichen. Auf die Starttermine mehrerer großer Gemeinschaftsmissionen (STEP, NGST, LISA) hat die ESA keinen Einfluß. Parallele (d.h. von der ESA kontrollierte) Arbeiten müssen auf flexible Art und Weise durchgeführt werden, um den Arbeitsanfall gleichmäßig zu verteilen.

Verstärkte internationale Zusammenarbeit bei Missionen und bei der Entwicklung von Nutzlasten kann vorteilhaft sein. Insbesondere könnte ein bedeutender Beitrag der NASA zum Sonnenorbiter als Teil des internationalen Programms "Living with a Star" (ILWS) mit einer Beteiligung Europas an anderen Teilen des amerikanischen Programms LWS/STP verknüpft werden.

Der Wissenschaftsdirektor, David Southwood, über den neuen Plan: "Auch wenn unser neuer Plan manchen als Wunder erscheinen mag - ich muß betonen, daß vieles lediglich auf der Arbeit meines Vorgängers, Roger Bonnet, aufbaut. Natürlich versuchen wir, noch mehr zu erreichen. Aber Grundlage unseres Vorgehens ist die von ihm geprägte Kultur der Offenheit für Veränderungen und der Forderung an alle Beteiligten, sich für die Wissenschaft zu engagieren."

Zwar verweist der neue Name, "Kosmische Vision", in erster Linie auf das Universum, aber das Programm ist auch hinsichtlich der Innovationen in Technologie und Management hier auf der Erde visionär. Die Gesamtfinanzierung des neuen Plans beruht auf der Annahme, daß die Kaufkraft in den Jahren nach 2005 erhalten bleibt. Ist diese Annahme zu pessimistisch? Nach Überzeugung der Exekutive bedarf es keines weiteren Beweises, daß das Wissenschaftsprogramm eine außergewöhnlich gute Investition ist. Zusätzliche Mittel können den Ertrag nur steigern. Würden sie bewilligt, wäre buchstäblich der Himmel die einzige Grenze.

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