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Science & Exploration

N° 67–2004: Huygens’ letzte Reise ins Unbekannte

25 December 2004

Heute am frühen Morgen wurde die Huygens-Sonde der ESA erfolgreich vom Cassini-Orbiter der NASA abgetrennt. Sie befindet sich nun auf einem kontrollierten Kollisionskurs mit dem größten und geheimnisvollsten Mond des Saturn, Titan, durch dessen Atmosphäre, eine der eigentümlichsten unseres Sonnensystems, sie am 14. Januar absteigen und auf eine unbekannte Oberfläche niedergehen wird. Die Abtrennung erfolgte um 03.00 Uhr MEZ. Einige Minuten später wandte sich der Cassini-Orbiter der Erde zu und leitete das Abtrennungssignal weiter, das eine Stunde und acht Minuten benötigte, um die Entfernung von 1,2 Milliarden km zur Erde zurückzulegen.

 

„Das Ausklinken heute ist ein weiterer Meilenstein der Mission Cassini/Huygens“, erklärte der Wissenschaftsdirektor der ESA, Dr. David Southwood. „Nach sieben Jahren Zusammenleben kam die Trennung im Gütlichen. Wir danken unseren Partnern bei der NASA herzlich fürs Mitnehmen. Cassini und Huygens werden nun eigene Wege gehen, aber wir rechnen damit, daß sie bis zum Ende dieser faszinierenden Mission in Kontakt bleiben werden. All unsere Hoffnungen und Erwartungen richten sich jetzt auf die ersten Daten aus einer neuen Welt, von deren Erforschung wir seit Jahrzehnten träumen.“

Schlußphase einer siebenjährigen Reise

Die gemeinsam von der NASA, der ESA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI entwickelte Mission begann am 15. Oktober 1997 mit dem Start des Sondenpaares an Bord einer Titan 4B/Centaur von Cape Canaveral in Florida. Die beiden Sonden brachten beim Start insgesamt 5 548 kg auf die Waage, was sie zur bisher größten Planetenmission machte. Um die für die Reise zum Saturn erforderliche Geschwindigkeit erreichen zu können, mußten sie vier Vorbeischwungmanöver absolvieren - zwei an der Venus, eins an der Erde und ein weiteres am Jupiter. Am 1. Juli ist das Paar als erstes Raumfahrzeug in eine Umlaufbahn um den Saturn eingetreten.

Im Verlauf seiner dritten Umrundung des Ringplaneten führte der Orbiter am 17. Dezember ein Manöver durch, das ihn und Huygens auf einen kontrollierten Kollisionskurs mit Titan brachte. Wie geplant, fand am 22. Dezember eine Feinabstimmung statt, um Huygens auf seinen nominalen Eintrittskurs zu bringen. Während Huygens auf diesem Kurs bleiben und am 14. Januar in die Atmosphäre des Titan eintauchen wird, muß Cassini am 28. Dezember ein weiteres Kurskorrekturmanöver vornehmen, um nicht auf dem Saturnmond einzuschlagen. Die heutige Abtrennung erfolgte durch die Zündung von Sprengladungen. Nach der dadurch ausgelösten Aktivierung eines Federmechanismus bewegt sich Huygens mit einer relativen Geschwindigkeit von 0,3 m/s von der Muttersonde weg und rotiert dabei siebenmal pro Minute um die eigene Achse. Beim Bodenstationsnetz der NASA gingen die Telemetriedaten zur Bestätigung des Ausklinkens ein.

Huygens befindet sich während ihres 20tägigen Flugs in Richtung Titan in „abgeschaltetem“ Zustand. Vier Tage vor der Abtrennung wurde ein Dreifach-Timersystem programmiert, das die Systeme der Sonde kurz vor ihrer Ankunft am Titan reaktivieren wird.

Erforschung der Atmosphäre des Titan

Wenn alles nach Plan verläuft, wird Huygens am 14. Januar um etwa 10.06 Uhr MEZ in einem relativ steilen Winkel von 65° und mit einer Geschwindigkeit von 6 km/s in die Atmosphäre des Titan eintauchen. Das Zielgebiet befindet sich über der südlichen Hemisphäre auf der Tagseite. Die von einem ablativen Hitzeschild geschützte Sonde wird binnen 3 Minuten auf 400 m/s abbremsen und anschließend in rund 160 km Höhe ihren 2,6-m-Lenkfallschirm entfalten. Dieser Schirm wird nach 2,5 Sekunden die hintere Abdeckung der Sonde entfernen, so daß sich der Hauptschirm mit seinen 8,3 m Durchmesser entfalten und die Sonde stabilisieren kann. Anschließend wird der vordere Schild abgeworfen, und die Sonde, deren Hauptzweck die Erforschung der Atmosphäre des Titan ist, wird Einlässe öffnen und Ausleger ausfahren, um die wissenschaftlichen Daten zu erfassen. Sämtliche Instrumente werden unmittelbaren Kontakt zur Atmosphäre haben, um eingehende Messungen ihrer Struktur, Dynamik und chemischen Zusammensetzung vornehmen zu können. Gleichzeitig wird die Sonde während ihres Abstiegs Bildaufnahmen der Titanoberfläche machen. Diese Daten werden direkt an den Cassini-Orbiter gefunkt, der sich dem Titan während dieser Zeit auf bis zu 60 000 km nähern wird. Radioteleskope auf der Erde werden außerdem versuchen, die Signale direkt zu empfangen.

Nach 15 Minuten wird Huygens in rund 120 km Höhe ihren Hauptfallschirm abwerfen, worauf ein kleinerer Bremsschirm mit 3 m Durchmesser zum Einsatz kommt, um innerhalb der Laufzeit der Batterien der Sonde den weiteren Abstieg durch die Atmosphäre zu ermöglichen.

Vom Eintauchen in die Atmosphäre bis zum Aufprall von Huygens auf der Oberfläche des Titan mit einer Geschwindigkeit von rund 6 m/s werden etwa 140 Minuten vergehen. Wenn die Sonde all dies ohne Schaden übersteht, beginnt dann ihre erweiterte Mission der unmittelbaren Charakterisierung der Oberfläche dieses Saturnmondes, solange die Batterien reichen und Cassini vom Landeplatz aus „sichtbar“ ist, d. h. nicht länger als 130 Minuten.

Zu diesem Zeitpunkt wird der Cassini-Orbiter seine Hauptantenne wieder der Erde zuwenden und die von Huygens gesammelten Daten überspielen, die 67 Minuten später von der 70-m-Antenne der NASA im australischen Canberra empfangen werden sollen. Es sind drei Übertragungen vorgesehen, um sicherzugehen, daß keine Daten verlorengehen. Danach wird Cassini seine Mission der Erforschung des Saturn und seiner Monde fortsetzen, wobei er in den kommenden Monaten und Jahren mehrmals am Titan vorbeifliegen wird.

Eine Sonde in den Tiefen von Raum und Zeit

Der Titan ist größer als der Merkur und etwas kleiner als der Mars. Was ihn einzigartig macht, ist seine dichte, dunstige, stickstoffreiche Atmosphäre mit ihren Kohlenstoffverbindungen, die wertvolle Hinweise zur Beantwortung der Frage beinhalten könnten, wie die Erde bewohnbar wurde. Es wird vermutet, daß die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre stark der der Erde vor Beginn des Lebens ähnelt; sie ist allerdings kälter (-180°C), weswegen es dort kein Wasser in flüssiger Form gibt. Die Ergebnisse der Erkundungen vor Ort durch Huygens dürften uns also in Kombination mit den weiträumigeren Beobachtungen, die Cassini bei seinen wiederholten Vorbeiflügen am Titan machen wird, dabei helfen, nicht nur eins der exotischsten Mitglieder unseres Sonnensystems, sondern auch die Entwicklung der Erdatmosphäre in ihrem Frühstadium sowie die Mechanismen zu verstehen, die zur Entstehung des Lebens auf der Erde geführt haben.

Europas Hauptbeitrag zur Cassini-Mission, die Huygens-Sonde, wurde im Auftrag der ESA von einem Industrieteam unter der Leitung von Alcatel Space gebaut. Die 320 kg schwere Sonde führt sechs Instrumente zur Erforschung der Titanatmosphäre während ihres Abstiegs mit. An der Entwicklung dieser wissenschaftlichen Nutzlast waren Labors und Forschungseinrichtungen in allen ESA-Mitgliedstaaten, den USA, Polen und Israel beteiligt. Das Huygens-Atmosphärenstrukturinstrument (HASI) wird Temperatur- und Druckprofile messen sowie Winde und Turbulenzen charakterisieren. Außerdem kann es Blitze erfassen und - falls es zu einer erfolgreichen Landung kommt - sogar die Leitfähigkeit und absolute Dielektrizitätskonstante der Oberfläche messen. Das Gaschromatograph-Massenspektrometer (GCMS) wird eine chemische Feinanalyse der Atmosphäre und der mit dem Aerosol-Sammel- und Pyrolysegerät (ACP) gesammelten Aerosole vornehmen. Das abbildende Abstiegs-Spektralradiometer (DISR) wird Bilder, Spektren und andere Daten über die Atmosphäre, die Strahlungsbilanz, die Wolkenstruktur, die Aerosole und die Oberfläche sammeln. Das Doppler-Windexperiment (DWE) soll ein zonales Windprofil erstellen, während das wissenschaftliche Oberflächenmodul (SSP) der Landeplatz charakterisieren wird, wenn Huygens nach dem Aufprall noch funktionsfähig ist.

Die Mission Cassini/Huygens ist ein Gemeinschaftsvorhaben der NASA, der ESA und der italienischen Raumfahrtagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL), eine Abteilung des California Institute of Technology in Pasadena, leitet die Mission im Auftrag des NASA-Büros für Weltraumwissenschaft in Washington. Der Cassini-Orbiter wurde vom JPL entworfen, entwickelt und gebaut.

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