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Detektor aus Heidelberg: Cassini-Sonde misst interstellaren Staub am Saturn.
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Cassinis Analysen wirbeln Staub auf

03/05/2016 462 views 1 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Kürzlich meldeten Forscher in Science überraschende Resultate des deutschen Staub-Instruments an Bord der Saturn-Sonde Cassini. Chefwissenschaftler Ralf Srama hat uns erklärt worum es dabei geht, wieso ein kleiner Saturnmond Eispartikel ausstößt und was am Ringplaneten noch geplant ist.

Herr Srama, Ihr damaliger Heidelberger Kollege vom Max-Planck-Institut für Kernphysik Nicolas Altobelli ist Erstautor der Studie. Er arbeitet nun am ESA-Zentrum in Madrid. Sie firmieren als Co-Autor und sind der Principal Investigator des betreffenden Messinstruments. Worum geht es?

 

Um kosmischen Staub. Genauer gesagt, um Messungen des Cosmic Dust Analyzer (CDA), dem einzigen deutschen Instrument auf des Cassini-Orbiter. Wir studieren damit winzige Staubteilchen mit typischen Durchmessern zwischen Mikro- und Nanometern, also Tausendstel und Millionstel Millimetern. Solche Partikel können sehr unterschiedliche Herkunft haben. In der aktuellen Studie ging es um interstellare Exemplare, sie stammen ursprünglich aus der sogenannten Lokalen Blase, die das Sonnensystem umgibt. Wir wissen schon seit längerem, dass solche interstellaren Teilchen aus einer bestimmten Richtung zu uns strömen. Das hatten bereits Heidelberger Staubmessgeräte herausgefunden, die in den 1990er-Jahre an Bord der Sonden Ulysses- und Galileo geflogen sind. Das CDA-Instrument hat solche Messungen fortgeführt, es fliegt seit 1997 durchs All und schwenkte mit Cassini im Jahr 2004 in die Umlaufbahn Saturns ein.

Ralf Srama ist Chefwissenschaftler von Cassinis Staubdetektor.
Ralf Srama ist Chefwissenschaftler von Cassinis Staubdetektor.

Was hat Sie an den neuen CDA-Resultaten überrascht?

 

Im Rahmen dieser Studie haben wir 36 interstellare Teilchen untersucht. Diese sind sich chemisch ungewöhnlich ähnlich, insbesondere was die gegenseitigen Verhältnisse bezüglich der Elemente Magnesium, Silizium, Kalzium und Eisen betrifft. Wie kann das sein, denn wahrscheinlich stammen die Staubpartikel von sehr unterschiedlichen Sternen? Offenbar gibt es Prozesse, welche die Partikel auf dem Weg zum Sonnensystem mehrfach homogenisiert haben. Das ist ein überraschendes Resultat, insbesondere wenn man es mit früheren Arbeiten vergleicht, bei denen man interstellare Körnchen aus Meteoriten analysiert hatte.

 

Bei Ihren Staubmessungen geht es aber auch um völlig andere Fragen. Ist es korrekt, dass Sie damit auch Ozeanographie im Weltall betreiben?

 

Naja, wenn Sie es unbedingt so ausdrücken wollen. Die Hauptaufgabe von CDA als Teil der internationalen Cassini-Huygens-Mission ist den Staub im Saturnsystem zu untersuchen, also vor allem Partikel aus den Ringen oder von den Saturnmonden. Es gehörte zu den ersten Instrumenten an Bord, welche die aktiven Geysire des kleinen Mondes Enceladus unter die Lupe nehmen konnte. Als wir nämlich an seinem Südpol vorbei flogen, entdeckten wir, dass aus langen Rissen in der Eiskruste Dampf und Staubpartikel ins All schießen. Und diese heftige geologische Aktivität steht tatsächlich in Zusammenhang mit dem Ozean unter dessen Eiskruste.

Enceladus: Unter der Eiskruste des Mini-Mondes ist ein salziger Ozean. Seine gefrorenen Tröpchen hat Cassinis Staubdetektor analysiert.
Enceladus: Unter der Eiskruste des Mini-Mondes ist ein salziger Ozean. Seine gefrorenen Tröpchen hat Cassinis Staubdetektor analysiert.

Die über 60 Saturnmonde waren von Anfang an wichtige Studienobjekte, ein Höhepunkt der Mission war die Landung der ESA-Sonde Huygens auf dem Riesenmond Titan. War der kleine Enceladus bereits zuvor als Unruhestifter bekannt?

 

Nein, das Meer unter dem Eis war unbekannt und kaum jemand hatte mit Fontänen gerechnet. Sie reichen hunderte Kilometer ins Weltall, Enceladus selbst hat ja nur einen Durchmesser von rund 500 Kilometern. Unsere Analysen zeigten, dass dieser Staub hauptsächlich aus Wassereis besteht – aber nicht nur! Da sind auch Salze drin, zum Beispiel Natriumchlorid, ebenso wie in irdischem Meerwasser. Nach Jahren intensiver Studien, auch mit anderen Bordgeräten, ist kaum noch ein Zweifel möglich, dass unter der Eiskruste des Mondes tatsächlich ein salziger Ozean existiert. Mit CDA haben wir die gefrorenen Tröpfchen dieses verborgenen außerirdischen Meeres aufgefangen und analysiert – ein Novum in der Planetenforschung und ein Highlight der gesamten Cassini-Mission.

Was hat man dabei herausgefunden?

 

Auf dem Grund dieses Meeres gibt es heiße Quellen, auch dass haben unsere Analysen in Kombination mit Laborexperimenten unserer japanischen Kollegen von der  Universität  Tokyo ergeben. Enceladus könnte also durchaus potentiellen Organismen eine Heimat bieten.

Sie sind ein Veteran der Cassini-Mission, ihre Beteiligung am Staubexperiment reicht bis in die frühen 1990er-Jahhre zurück. Was hat Sie persönlich an der Fülle der Resultate, die mit CDA erzielt wurden, besonders beeindruckt?

 

Das ist gar nicht so leicht zu sagen, aber als Staubforscher beeindruckt mich sicherlich Saturns E-Ring, dessen Ausmaße wir mit CDA viel besser erfassen können als mit optischen Instrumenten. Anders als die bereits in kleinen Teleskopen sichtbaren Ringe besteht der E-Ring aus fein verteiltem Staub. Eigentlich müsste er sich in geologisch kurzer Zeit auflösen, doch er wird immer wieder durch besonders schnelle Partikel aus den Enceladus-Fontänen erneuert. Wir haben mit unserem Instrument herausgefunden, dass dieser Ring viel größer ist als zuvor gedacht. Er reicht bis über die Umlaufbahn des größten Saturnmondes Titan hinaus.

Pioniertat: Mit Huygens gelang der ESA die erste Landung auf einem Trabanten außerhalb des Erde-Mond-Systems.
Pioniertat: Mit Huygens gelang der ESA die erste Landung auf einem Trabanten außerhalb des Erde-Mond-Systems.

Das heißt gefrorene Eiströpfchen des Enceladus-Meeres schwirren im Saturnsystem herum?

 

Ja, wahrscheinlich fällt Eis vom Enceladus dort auch auf andere Himmelskörper. Es dringt beispielsweise in die Gashülle Saturns ein, das haben Kollegen mit dem Infrarot-Spektrometer des Herschel-Teleskops der ESA beobachtet. De Eispartikel vom Enceladus finden auch den Weg zu anderen Monden, beispielsweise dem Titan.

 

Zum Ende der Mission im Herbst 2017 hat CDA nochmal eine große Stunde. Was ist geplant?

 

Wenn sich Cassini dann den Ringen nähert, werden wir Ringpartikel auffangen und direkt deren chemische Zusammensetzung untersuchen. Daraus können wir Aussagen über das Alter der Ringe ableiten, eine Frage, die immer noch kontrovers diskutiert wird.

Welchen Himmelskörper wollen Sie als nächstes mit einem Staubdetektor besuchen?

 

Fest geplant ist ein NASA-Mission zum Jupitermond Europa im kommenden Jahrzehnt, das ist eine Zusammenarbeit mit US-Kollegen aus Colorado. Auf dem Europa-Mond gibt es ebenso wie auf Enceladus ein globales Tiefenmeer, zudem haben Kölner Kollegen mit dem Hubble-Weltraumteleskop dort Anzeichen für mögliche geologische Aktivität beobachtet. Aber es gibt durchaus auch nähere Einsatzgebiete für Staubdetektoren, beispielsweise auf der Oberfläche oder im Orbit unseres Mondes oder in einem Lagrange-Punkt des Erde-Mond-Systems.

 

Orginalarbeit:

 

Science, 352, 6283, 15.4.2016; N. Altobelli et al. "Flux and composition of interstellar dust at Saturn by Cassini's Costmic Dust Analyzer"

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