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Fahrstuhl ins All
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Neue Visionen braucht die Welt

11/12/2002 851 views 0 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Schon immer haben Schriftsteller in phantastischen Erzählungen die Zukunft vorweggenommen: Edgar Allen Poe und Jules Verne den Flug zum Mond, Aldous Huxley die industrielle Gentechnik, Arthur C. Clarke die weltumspannende Satellitenkommunikation und William Gibson den Cyberspace. Mit einem weltweiten Science-Fiction-Wettbewerb bietet die Europäische Weltraumagentur ESA nun jungen Nachwuchstalenten von 15 bis 30 die Chance, ihre Zukunftsvisionen einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Die besten eingesandten Kurzgeschichten sollen in einer Anthologie veröffentlicht werden.

Noch bis zum 28. Februar 2003 haben interessierte Nachwuchsautoren Zeit, ihre Erzählungen einzureichen, um an der „Clarke Bradbury International Science Fiction Competition“ unter Schirmherrschaft der ESA teilzunehmen. Gefragt sind unveröffentlichte Kurzgeschichten, in denen es um Technologien geht, die für den Raumflug, die Erkundung des Alls oder die Besiedlung fremder Welten nutzbar gemacht werden können. Die Technologie soll dabei nicht nur Ideengeber, sondern zentrales Sujet der Erzählung sein. Und noch zwei Kriterien muss die eingereichte Geschichte erfüllen: Sie muss in englischer Sprache vorliegen und darf nicht länger als 2500 Worte sein.
„Wir haben diesen Wettbewerb speziell für junge Menschen ausgeschrieben, um das Interesse für Raumfahrtaktivitäten zu wecken“, erklärt David Raitt von der ESA, der den Wettbewerb organisiert hat. „Junge Menschen repräsentieren die Zukunft. Außerdem kommen die langfristigen Weltraumprogramme vor allem ihnen zugute“.

Weltstars als Taufpaten

Künstliche Biosphären auf fremden Planeten
Künstliche Biosphären auf fremden Planeten

Arthur C. Clarke und Ray Bradbury, die Namensgeber des Wettbewerbs, zählen zu den Starautoren der wissenschaftlichen Phantastik. Ihre Romane und Erzählungen haben viel dazugetan, das Genre Science Fiction (SF) vom Schmuddelimage des Schundromans zu befreien und auf breiter Basis salonfähig zu machen. Viele Wissenschaftler haben sich nicht zuletzt deshalb für ihren Beruf entschieden, weil sie in ihrer Jugend begeistert SF-Erzählungen und utopische Romane auch dieser Autoren verschlungen haben. „Ich hoffe, dass viele mitmachen und der Wettbewerb bei vielen die Begeisterung für Science Fiction weckt“, so das SF-Urgestein Clarke, dem seine Erzählung „2001- Odyssee im Weltraum“ Weltruhm bescherte. „Für die Jugend von heute sind die Wunder der modernen Technik etwas Selbstverständliches. Viele dieser Technologien kamen in den SF-Geschichten vor, die ich als junger Mensch gelesen habe. Und auch in meinen eigenen Erzählungen.“ Und wer weiß? Vielleicht liefern einige der eingereichten Kurzgeschichten ja auch Anstöße für zukunftsweisende technische Lösungen zur weiteren Eroberung des Universums.

Grenzbereiche zwischen Phantastik und Wissenschaft

Raumschiffe mit Lichtsegeln nutzen den Sonnenwind oder Sternenlicht
Raumschiffe mit Lichtsegeln nutzen den Sonnenwind oder Sternenlicht

Der Kurzgeschichten-Wettbewerb ist Teil des ungewöhnlichen Projekts „Innovative Technologien aus der Science Fiction für Anwendungen im Weltraum“, mit dem die ESA die Grenzbereiche zwischen Phantastik und realer Wissenschaft auslotet, um nach Ideen für die Welt von morgen zu schürfen. Im Auftrag der ESA durchforsteten der SF-Kenner Patrick Guyger und der Künstler Arthur Woods Bücher, Illustrationen und Filme nach imaginären Technologien, die als Inspirationsquelle für aktuelle und künftige Raumfahrzeuge und Weltraummissionen dienen können. Die Ergebnisse wurden unter anderem in einer ansprechend illustrierten Broschüre vorgestellt. Insgesamt wurden mehr als 250 Konzepte zusammengetragen und aufbereitet, die die ESA nun auf ihre Machbarkeit hin untersucht.
„Durch den ständigen technischen Fortschritt rücken manche Ideen, die früher nichts als wilde Spekulation waren, heute in den Bereich des Machbaren“, erläutert David Raitt.

Fahrstuhl ins All

Bodenplattform des Weltraumfahrstuhls im Pazifik
Bodenplattform des Weltraumfahrstuhls im Pazifik

Eine solche Idee ist beispielsweise der Fahrstuhl ins All. Schon 1895 dachte der russische Raketenpionier Konstantin Ziolkowski, inspiriert vom Pariser Eiffelturm, über einen Turm nach, der bis in den Orbit reicht. Und 1979 beschrieb Arthur C. Clarke in dem Roman „Fahrstuhl zu den Sternen“ eine Welt, in der Astronauten und Nutzlasten per Lift ins All befördert werden.
Dank eines neu entdeckten superstabilen Materials – so genannte Kohlenstoff-Nanoröhrchen – erscheint es nun zum ersten Mal physikalisch möglich, ein 90 000 Kilometer langes Band zu konstruieren, das von der Erde ins All reicht. Der Schwerpunkt des Bandes läge über dem geostationären Orbit, also höher als 36 000 Kilometer, so dass die Fliehkraft stärker wirken würde als die Erdanziehungskraft. Das auf der Erde verankerte Band würde sich so selbst spannen und Gondeln könnten daran ins All aufsteigen. Bei der im amerikanischen Seattle ansässigen Firma HighLift Systems ist das Projekt schon in der Entwicklungsphase. Dort ist man sicher, dass der Weltraumfahrstuhl in weniger als 20 Jahren in Betrieb gehen und dann für den unschlagbar günstigen Preis von 10 Euro pro Kilogramm Lasten ins All befördern könnte.

Auch Solar- oder Lichtsegel, bei denen der Lichtdruck der Sonne oder eines Lasers als Raumschiffantrieb genutzt wird, tauchen seit den 20er Jahren in SF-Erzählungen auf. Heute befassen sich Forscher in aller Welt mit Antriebssystemen, die die Bewegungsenergie der Lichtteilchen (Photonen) in Vortrieb für Raumfahrzeuge umsetzen. Die ESA und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beispielsweise haben gemeinsam ein 20 Quadratmeter großes Lichtsegel für künftige Raummissionen entwickelt.

And the Winner is...

Mit dem Clarke-Bradbury-Wettbewerb will die ESA einer neuen Generation von SF-Schriftstellern Starthilfe leisten. Darüber hinaus hoffen die Verantwortlichen, dass sich in den eingereichten Kurzgeschichten einige vielversprechende Ideen für realisierbare Weltraumtechnologien finden.

Eine internationale Jury wählt unter den Einsendungen zunächst fünf Preisträger aus. Unter diesen wird dann der endgültige Gewinner des Wettbewerbs ermittelt, der seine Kurzgeschichte auf dem International Astronautical Congress vorstellen darf, der vom 29. September bis zum 3. Oktober 2003 in Bremen stattfindet. Die besten Einsendungen veröffentlicht die ESA in einem Buch.

Wer also davon träumt, als Autor die Zukunft mitzugestalten, sollte spätestens jetzt seine Gedanken sortieren, den Rechner anwerfen und seine Ideen in Worte gießen.

Weitere Informationen:

Homepage des ESA-Projekts „Innovative Technologien aus der Science Fiction für Anwendungen im Weltraum“

David Raitt
Technology Transfer and Promotion Office
European Space Agency – ESTEC
Keplerlaan 1, PO Box 299, NL-2200 AG Noordwijk, Niederlande
E-Mail: david.raitt@esa.int

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