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Computergrafik von Chandrayaan 1
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Indiens Mondpremiere: Chandrayaan 1

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ESA / Space in Member States / Germany

Mit Chandrayaan 1 wird Indien in neue Dimensionen vorstoßen und damit seinen eigenständigen Weg im Weltraum fortsetzen. Beachtliche Leistungen wie die Entwicklung eigener Trägerraketen oder der seit vielen Jahren auch international erfolgreiche Einsatz von Fernerkundungssatelliten finden in den weltweiten Medien kaum noch Beachtung. Neben der politischen Aufwertung möchte das Land mit der Mondmission deshalb den Übergang von einem Entwicklungsland zu einer wirtschaftlichen und technologischen Großmacht demonstrieren. Mit derartigen Programmen will der Staat gleichzeitig der Abwanderung hochqualifizierter Fachkräfte ins Ausland entgegenwirken sowie junge Inder bewegen, sich für Naturwissenschaften zu interessieren. So helfen Visionen dieser Art, das Bild Indiens in der Weltöffentlichkeit aufzupolieren und das Selbstbewusstsein der 1,1 Milliarden Einwohner des Subkontinents zu stärken.

Indiens erste interplanetare Herausforderung erhielt den Namen Chandrayaan, das bedeutet in der Amtssprache Hindi „Reise zum Mond“. Die erste „Reise zum Mond“ soll mit der vierstufigen indischen Trägerrakete PSLV (Polar Satellite Launch Vehicle) von dem an der Ostküste des Bundesstaates Andra Pradesh gelegenen Weltraumzentrum Satish Dhawan in Sriharikota gestartet werden.
Als frühest möglichen Termin gibt die indische Raumfahrtorganisation ISRO September 2007 an. Die PSLV wird dann die quaderförmige, 1,50 Meter große Raumsonde mit einer Startmasse von 1050 Kilogramm in einen geostationären Transferorbit von 240 x 36 000 Kilometer absetzen.

Nur 100 Kilometer über der Mondoberfläche

Die indische Trägerrakete PSLV wird Chandrayaan 1 auf die Reise zum Mond schicken
Die indische Trägerrakete PSLV wird Chandrayaan 1 auf die Reise zum Mond schicken

Chandrayaan 1, dessen Konstruktion auf dem meteorologischen Satelliten Kalpana 1 (2002) basiert, benötigt etwa sechs Tage, um den Mond zu erreichen. Dort wird die Sonde in mehreren Etappen von einer anfänglichen 1000 Kilometer hohen auf eine Kreisbahn 100 Kilometer über der Mondoberfläche abgesenkt, die – wie bei SMART 1 – über beide Pole führt. Jetzt, am Ziel angekommen, hat Chandrayaan 1 immer noch eine Masse von 523 Kilogramm, von der 55 Kilogramm auf die eigentliche Nutzlast entfallen. Somit ist Chandrayaan 1 deutlich größer als SMART 1.

Verglichen mit SMART 1, ist Chandrayaan 1 technologisch weniger anspruchsvoll. Sie ist eine konventionelle Raumsonde mit einem üblichen „chemischen“ Antrieb, bei dem ein Brennstoff und ein Oxidator im Raketenmotor verbrannt werden und damit Schub liefern. Das ist völlig ausreichend. Schließlich will Indien mit dieser „Reise zum Mond“ überhaupt erste Erfahrungen mit einer interplanetaren Mission gewinnen.

Das Spektrum wissenschaftlicher Experimente ist breit gefächert und geht sogar über die wissenschaftlichen Zielsetzungen von SMART 1 hinaus. Zusätzlich zu den optischen und spektroskopischen Experimenten umfasst die Nutzlast auch ein Laser-Altimeter, mit dem die Topographie der Mondoberfläche hochgenau vermessen werden kann. Die Kommunikation zur Fernsteuerung erfolgt im S-Band, die wissenschaftlichen Daten werden im X-Band übertragen. Der Energiebedarf in Höhe von 750 W wird über Solarzellen gedeckt.
Indiens lunarer Orbiter wird mindestens zwei Jahre lang den Erdtrabanten aus einer Höhe von 100 Kilometern erkunden und Daten zurück zur Erde senden. Die Projekt- und Missionskosten betragen nach neuesten Angaben umgerechnet 80 Mill. Euro.

ESA und Indien beschließen lunare Partnerschaft

ESA und ISRO unterzeichnen den Vertrag über lunare Partnerschaft
ESA und ISRO unterzeichnen den Vertrag über lunare Partnerschaft

Sowohl das Missionskonzept als auch die Missionsziele von SMART 1 sowie Chandrayaan 1 unterscheiden sich fundamental voneinander. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Ähnlichkeiten in der wissenschaftlichen Zielsetzung.
Indien lud die ESA-Mitgliedsstaaten zur Mitarbeit an ihrem ehrgeizigen Projekt ein. Konkrete Wünsche signalisierten sie vor allem im Bereich der Nutzlasten. Den europäischen Wissenschaftlern wiederum ist nicht entgangen, dass die gegenüber SMART 1 deutlich niedrigere Umlaufbahn der indischen Mondsonde sehr lukrativ ist (Chandrayaan 1: 100 km; SMART 1: 300 km). Die Auflösung ihrer Hightech-Messinstrumente würde von der geringeren Bahnhöhe profitieren. Sie könnten durch präzisere Nachmessungen ihre ersten Messergebnisse wesentlich verfeinern und verifizieren. Mit anderen Worten: Beide Seiten hätten einander etwas Vorteilhaftes zu bieten. Das ist die Basis einer guten Partnerschaft.

So beschloss der in Paris tagende ESA-Rat am 17. März 2005 einstimmig eine lunare Zusammenarbeit mit Indien. Am 27. Juni wurde dann das entsprechende Abkommen zur gemeinsamen Erkundung des Mondes durch die Chefs beider Weltraumorganisationen, Jean-Jacques Dordain (ESA) und Madhavan Nair (ISRO), in Bangalore unterzeichnet.
Die ESA wird die ISRO an ihren Erfahrungen mit SMART 1 teilhaben lassen, drei wissenschaftliche Instrumente beisteuern und außerdem die operationelle Phase der Mission unterstützen. Im Gegenzug werden alle Daten, die die Instrumente liefern, den ESA-Mitgliedsstaaten sofort zur Verfügung gestellt.
Vor dem Hintergrund der in den kommenden Jahren in China, den USA sowie in Japan beginnenden Mondmissionen erweitert die Kooperation mit Indien zugleich die Forschungsarbeit der europäischen Wissenschaftler und festigt deren anerkannte Position in der internationalen Wissenschaftsgemeinde.

Die europäische Beteiligung

Bei der Hardware, die die ESA-Mitgliedsstaaten Indien liefern werden, handelt es sich um drei identische Geräte, die bereits in der europäischen Hochtechnologiesonde SMART 1 eingesetzt sind. Dazu gehören:

 

  • das Röntgen-Spektrometer CIXS-2 (ESA/Großbritannien)
  • der Teilchenanalysator SARA (ESA/Schweden)
  • das Infrarot-Spektrometer SIR-2 (ESA/Deutschland)

Außerdem wird die ESA Hardware-Komponenten für das indische Hochenergie-Röntgen-Spektrometer HEX liefern. Mit ihm sollen schwere Elemente wie Radon, Uran und Thorium auf dem Mond aufgespürt werden.

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