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2: L1 bis L5 im System Sonne - Erde
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Exklusiver Beobachtungsplatz für Astronomen

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ESA / Space in Member States / Germany

Für beide Weltraumobservatorien haben die Wissenschaftler zusammen mit den Flugbahnexperten des ESOC einen besonderen Arbeitsplatz ausgesucht, den sogenannten Lagrange-Punkt L2 im Himmelskörpersystem Sonne – Erde.

Die nach Joseph-Louis Lagrange benannten Punkte sind Orte, in denen zwischen zwei Himmelskörpern ein gravitativer Gleichgewichtszustand eintritt, so dass eine Raumsonde an dieser Stelle scheinbar „verharrt“. In jedem dieser Himmelskörpersysteme lassen sich insgesamt fünf Punkte L1 bis L5 finden, auf denen sich die Gravitationskräfte die Waage halten.

Beispiele für derartige Systeme sind die jeweils gravitativ miteinander verbundenen Kombinationen Erde – Erdmond, Sonne – Jupiter und Sonne – Erde (genauer gesagt Sonne – System Erde mit Erdmond). Während sich in Letzterem die Punkte L1, L2 und L3 zusammen mit der Sonne und dem Erde-Mond-System auf einer Linie in der Reihenfolge L2 – Erde/Erdmond – L1 – Sonne – L3 befinden, liegen L4 und L5 auf der Bahn der Erde um die Sonne 60 Grad vor und 60 Grad hinter der Erde (siehe Abb. 2). Diese beiden Punkte sind dynamisch stabil, das heißt dass „eingefangene“ Körper auch dort verbleiben. Das gilt nicht nur für künstliche Raumsonden. So lässt sich im Sonne-Jupiter-System bei L4 und L5 die Asteroidenfamilie der Trojaner finden. In den Punkten L1 bis L3 müssen bei Satelliten dagegen die auf sie wirkenden gravitativen Störungen durch Korrekturmanöver ausgeglichen werden.

L2: Insel der Stabilität im Weltraum

1: L2 liegt in einer Linie mit Sonne und Erde
1: L2 liegt in einer Linie mit Sonne und Erde

Der Lagrange-Punkt L2 des Systems Sonne – Erde, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt, ist ein für die Weltraumastronomie besonders interessanter Ort. Vom Teleskop aus gesehen, stehen Sonne und Erde hintereinander und immer in der gleichen Richtung. Blickt man von der Erde zum Teleskop, dann sieht man von ihm stets die gleiche Seite – ähnlich dem Erdmond, der uns nur seine Vorderseite zeigt.

So wie sich die Erde im Laufe eines Jahres um die Sonne bewegt, bewegen sich auch die Teleskope Herschel und Planck parallel mit der Erde um unser Zentralgestirn. L2 entpuppt sich damit als exklusiver Beobachtungsplatz: Die Teleskope können im Laufe eines Jahres von L2 aus das gesamte Firmament beobachten, wobei Erde, Mond und Sonne im „heißen“ Rücken sind und die empfindlichen Instrumente auf der Vorderseite stets im Schatten liegen. Um die von der Sonne und dem Erde-Mond-System kommende thermische Strahlung abzufangen, genügt also ein einziger Schutzschild.

Auf verschiedenen Wegen

Der Begriff „Punkt“ ist etwas irreführend, denn sowohl Herschel als auch Planck stehen im „Punkt“ L2 nicht still, sondern beschreiben komplizierte Orbits um diesen imaginären Punkt herum. Die Bewegung der Satelliten auf diesen Orbits kann dabei je nach Entfernung vom L-Punkt sowie weiteren Bedingungen sehr unterschiedlich sein. So wird sich Herschel auf einer geschlossenen Bahn weiter entfernt von L2 bewegen und damit auch immer außerhalb des Halbschattens der Erde fliegen. Eine solche Bahnform nennen die Spezialisten Halo-Bahn (Halo = Heiligenschein). So ist eine kontinuierliche Energieversorgung durch die Sonne während der gesamten Missionszeit gewährleistet. Da diese Bahn von der Erde aus gesehen auch leichter zu erreichen ist, als engere Orbits, benötigt Herschel kein Einschussmanöver, sondern wird in den Halo-Orbit „hineingezogen“. Das Observatorium entfernt sich dabei bis zu 800 000 Kilometer vom Lagrange-Punkt und seine Entfernung zur Erde differiert zwischen 1,2 und 1,8 Millionen Kilometer.

Planck wird nach Ankunft an L2 mittels eines Bahnmanövers in einen engeren komplizierten Orbit, in eine Lissajous-Bahn umgelenkt. Die Bahnform ist nach dem französischen Mathematiker Jules Antoine Lissajous benannt, der bei seinen Untersuchungen zur Schwingungslehre solche Schwingungsformen, die denen der Bahnform am Lagrange-Punkt gleichen, errechnet hatte.

Warum hat Planck nun eine andere Bahn als Herschel?
Im Gegensatz zu Herschel wird mit Planck eine Kartierung des gesamten Firmaments durchgeführt, bei der die beiden Instrumente ihren Blick in die Tiefe nicht unterbrechen dürfen. Gleichzeitig muss der Hitzeschutzschild, der außerdem mit den Solarzellen zur Energieversorgung versehen ist, ständig auf die Sonne gerichtet sein. Zusätzlich befindet sich die für die Datenübertragung nötige Antenne im Zentrum des Satelliten auf seiner Rotationsachse und blickt damit ständig zur Erde (die sich ja von L2 aus gesehen in einer Linie mit der Sonne befindet).
Die Antenne in Form eines Horns hat eine hohe Richtwirkung zur Übertragung großer Datenraten und streut deshalb die abgestrahlten Funkwellen nur mit 15 Grad. Die Erde darf also vom Satelliten aus gesehen nicht mehr als 15 Grad von der Sonne entfernt sein, um den Datenstrom ständig empfangen zu können. Wenn man das auf einen Orbit um L2 umrechnet, darf sich Planck damit nicht mehr als 280 000 Kilometer von L2 entfernen. Um eine solche Flugbahn zu erreichen, muss jedoch eine Bahnkorrektur beim Anflug vorgenommen werden.

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