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Science & Exploration

N° 70–2001: Astronomie verhilft Medizin zu besserer Diagnosetechnik

27 November 2001

Bei der Entwicklung von Sensoren für die Röntgenstrahlung von Himmelsobjekten haben Wissenschaftler in der Europäischen Weltraumorganisation eine Kamera entworfen, die sich als mächtige neue Waffe im Kampf gegen Krebs erweisen könnte.

 

Eine wirksame Krebsbehandlung hängt von der frühzeitigen Erkennung und Beseitigung von Krebszellen ab. In diesem Stadium sind sie aber am schwersten aufzuspüren. Bei Brustkrebs - heute fast überall die häufigste Krebsart - sammeln sich Krebszellen meist in den Lymphknoten an, von wo sie sich rasch im ganzen Körper ausbreiten. Die gegenwärtig verfügbaren medizinischen Geräte geben den Ärzten über den Zustand des Gewebes nur wenig Auskunft. Deshalb muß ein Chirurg in einem exploratorischen Eingriff versuchen, das erkrankte Gewebe ausfindig zu machen. Wenn dies gelingt, läßt sich das befallene Gewebe chirurgisch entfernen. Kann der befallene Bereich nicht abgegrenzt werden, ist der Arzt möglicherweise gezwungen, das gesamte lymphatische System herauszuschneiden. Eine solch drastische Behandlung kann dann Nebenwirkungen wie übermäßige Gewichtszunahme hervorrufen, weil der Hormonhaushalt des atienten gestört ist.

Im Zentrum für Weltraumforschung und -technik (ESTEC) der ESA in den Niederlanden haben nun Mitarbeiter der für die Entwicklung von Technologien für wissenschaftliche Nutzlasten verantwortlichen Abteilung eine neue Röntgenkamera entworfen, die Sofortdiagnosen erstellen und krebsbefallenes Gewebe für Chirurgen erkenntlich machen könnte. Wichtig ist, daß es sich um eine kleine Vorrichtung handelt, die bei Operationen ständig eingesetzt werden könnte.

"Die von uns entworfene Kamera funktioniert nicht wie ein herkömmlicher Fotoapparat, sondern völlig digital, so daß der Chirurg das gesamte lymphatische System und die möglicherweise krebsbefallenen Bereiche auf dem Bildschirm untersuchen kann. Dann entscheidet er, welcher Teil entfernt werden muß", sagt Dr. Tone Peacock, Leiter der Abteilung Nutzlasttechnologie.

Das ESA-Team hatte nach einer Lösung zur Herstellung von Bildaufnahmen unter Verwendung hochenergetischer Röntgenstrahlen gesucht, weil manche Himmelskörper wenig sichtbares Licht, dafür aber große Mengen von Röntgenstrahlung abgeben. Um diese sehen zu können, benötigen die Astronomen Röntgenkameras. Bisher waren die Astronomen in diesem Bereich aber eher mit Blindheit geschlagen. Das gegenwärtig in der Umlaufbahn befindliche Röntgenteleskop der ESA, XMM-Newton, beobachtet niederenergetische - die sogenannte "weiche" - Röntgenstrahlung. Als Nachfolger des erfolgreichen XMM-Newton wünschen sich die europäischen Wissenschaftler einen Satelliten mit der Bezeichnung XEUS, der Aufnahmen von der hochenergetischen "harten" Röntgenstrahlung machen kann, doch fehlte ihnen eine zuverlässige Kamera - bis heute.

Die Forscher im ESTEC haben erstmals einen Mikrochip hergestellt, der den in Videokameras üblichen Typen ähnelt, aber für harte Röntgenstrahlung statt für sichtbares Licht empfindlich ist. Neu an ihm ist, daß er nicht aus Silizium, sondern aus einer chemischen Verbindung namens "epitaktisches Galliumarsenid" hergestellt ist. Dieser neue Werkstoff wurde unter der Leitung des ESA-Mitarbeiters Dr. Marcos Bavdaz nach den sehr hohen Anforderungen solcher Sensoren für harte Röntgenstrahlung entwickelt. Der Sensorprototyp hat gerade eine umfassende Erprobung in einer deutschen Röntgenprüfeinrichtung (HASYLAB) bestanden.

Es mag überraschen, daß die medizinische Aufnahmetechnik Gemeinsamkeiten mit der Beobachtung hochenergetischer Röntgenstrahlung aus dem Weltraum aufweist. Harte Röntgenstrahlen sind aber die einzige Strahlungsart, die den menschlichen Körper durchdringt.

Dr. Alan Owens, der an dem Forschungsvorhaben in der ESA eng beteiligt ist, erläutert: "Für das lymphatische System wird eine radioaktive Kontrastflüssigkeit in den Brusttumor oder in dessen Nähe eingespritzt. Das Kontrastmittel markiert diejenigen Teile des Systems, die von Krebs befallen sind. Mit einer kleinen Kamera kann dann das Krebsgewebe während der Operation abgebildet werden."

Das ESA-Team wurde sich sehr bald bewußt, daß ihre Arbeit zu besserem medizinischem Gerät führen könnte, und holte fachlichen Rat ein. "Wir stehen mit Medizinern im Universitätsklinikum Leiden in Verbindung, die die Ergebnisse unserer Arbeit testen und begutachten", so Owens. Eine kleine, leichte Röntgenkamera wäre eine sehr wichtige Ergänzung des Instrumentariums, das dem Chirurgen zur Verfügung steht.

Nach der Herstellung des Sensors als Kernstück der Kamera muß nun ein System entwickelt werden, das die Aufnahmen in Echtzeit auf einem Fernsehschirm darstellt. "An dieser Entwicklung arbeiten wir jetzt mit Industriepartnern wie der Firma Metorex, einem Forschungs- und Entwicklungsunternehmen in Finnland," fügt Peacock hinzu. Wenn die ESA als gemeinnützige Organisation die Technologie für diese Röntgenkamera voll entwickelt hat, ist ihre Aufgabe erfüllt. Dann ist es Sache der Industriepartner, eine medizinisch einsatzreife Kamera zu produzieren. Die ESA wird ihren Entwurf in abgewandelter Form nutzen, um den europäischen Astronomen einen neuen Einblick ins Universum zu vermitteln.

Nähere Auskunft erteilen:

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Anthony.Peacock@esa.int

Dr. Marcos Bavdaz, ESA/ESTEC,

Noordwijk, Niederlande

Tel.: + 31 (0)71 565 4933

Marcos.Bavdaz@esa.int

Dr. Alan Owens, AURORA c/o ESA/ESTEC,

Noordwijk, Niederlande

Tel.: + 31 (0)71 565 5326

Alan.Owens@esa.int

Professor E.K.J. Pauwels, Universitätsklinikum Leiden

Nuklearmedizin, Leiden, Niederlande

Tel.: + 31 (0)71 526 3475

E.K.J.Pauwels@lumc.nl

Dr. J.A.K. Blokland, Universitätsklinikum Leiden

Nuklearmedizin, Leiden, Niederlande

Tel.: + 31 (0)71 526 3485

J.A.K.Blokland@lumc.nl

Weitere Informationen über das Wissenschaftsprogramm der ESA sind im Internet unter http://sci.esa.int abrufbar.

 

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