ESA title
Der Wiener Ingenieur Harald Posch wurde Vorsitzender des ESA-Rates
Agency

Neuer Vorsitz im ESA-Rat

16/07/2014 1973 views 7 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Am 16. Juli tagte in Paris der ESA-Rat, erstmals unter der Leitung von Harald Posch, der gleichzeitig Leiter der Agentur für Luft- und Raumfahrt der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft ist. Über die kommenden Herausforderungen des höchsten Lenkungsgremiums der ESA sprachen wir mit dem Wiener Weltraumexperten.

Herr Posch, Sie haben am 1. Juli den Vorsitz im ESA-Rat von ihrem deutschen Kollegen Johann-Dietrich Wörner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) übernommen. Welche Aufgaben hat dieses Lenkungsgremium?

Der ESA-Rat ist das höchste Entscheidungsgremium der Mitgliedsstaaten innerhalb der ESA und steuert das langfristige europäische Weltraumprogramm. Jeder der 20 Mitgliedsstaaten entsendet Vertreter in den Rat. Der Rat hat ein ähnliches Aufgabenspektrum wie der Aufsichtsrat eines Unternehmens, er entscheidet über Strategien, Programme und Budgets. Bei unserer jüngsten Sitzung ging es beispielsweise um das Abkommen zwischen ESA und EU zum Galileo-Satellitensystem.

Das europäische Weltraumprogramm wird auf der politischen Ebene auch durch die Ministerratskonferenzen gesteuert. Wie ist die Aufgabenteilung zwischen diesen Konferenzen und dem ESA-Rat?

Die Ministerratskonferenzen sind eher selten, gleichsam olympische Ereignisse, die nur etwa alle 3 bis 4 Jahre stattfinden, die nächste Konferenz übrigens am 2. Dezember in Luxemburg. Verglichen damit sind die Sitzungen des Rates deutlich häufiger, durchschnittlich viermal pro Jahr. Die Implementierung der auf den Ministerratskonferenzen gefassten Beschlüsse, wird von ESA-Rat und dem ESA-Generaldirektor gemeinsam vorangetrieben.

Von Hause aus Ingenieur sind Sie seit 1984 im Weltraumgeschäft tätig. In dieser Zeit übernahmen Sie unterschiedliche Funktionen in der Industrie und in staatlichen Stellen, unter anderem für die Austrian Aerospace (AAE), die Österreichische Raumfahrt- und Systemtechnik GmbH (ORS) und die Österreichische Gesellschaft für Weltraumfragen (ASA). Auch in der ESA bekleiden Sie seit 2002 verschiedene Positionen, außerdem leiten Sie seit 2005 die Agentur für Luft- und Raumfahrt der FFG. Nun sitzt mit Ihrer Person erstmals ein Österreicher dem ESA-Rat vor, was bedeutet dies für Österreichs Rolle in der ESA?

Wir sind seit 1987 Vollmitglied in der ESA. Auch wenn wir nicht zu den größten Beitragszahlern gehören – diese Rolle fällt naturgemäß den größeren Ländern zu – so sehen wir unsere inhaltliche und technologische Arbeit in der ESA mit der Ernennung bestätigt. Das freut uns natürlich.

Welche Themen werden die Arbeit des ESA-Rates in den kommenden Jahren bestimmen?

 

Ende Juni 2015 endet die Amtszeit von Prof. Jean-Jacques Dordain. Die Wahl des dann nachfolgenden ESA-Generaldirektors vorzubereiten, wird eine wichtige Aufgabe für die kommenden Monate sein. Der ESA Rat im Dezember soll dann bereits einen neuen Generaldirektor oder eine Generaldirektorin wählen, die Vorauswahl führt ein eigenes "Search Committee" des Rats durch. Im Jahr 2016 steht aller Voraussicht nach schon eine weitere Ministerratskonferenz an.

Um welche inhaltlichen Themen wird es neben dieser Personalie gehen?

Bei der Internationalen Raumstation ISS muss entschieden werden, ob auch die ESA einen Weiterbetrieb nach dem Jahr 2020 befürwortet. Die NASA möchte in diese Richtung gehen und die ISS mindestens bis 2024 betreiben. Ein entscheidender Komplex sind die Launcher: Was kommt nach der Ariane 5, oder präziser: Wie genau soll die Ariane 6 aussehen? Welches technisches Konzept wollen wir also verfolgen, um die Erfolge der Ariane 5 am kommerziellen Markt auch weiterhin sicherzustellen und andererseits den Wunsch nach einem eigenständigen Zugang zum Weltraum für unsere institutionellen Missionen zu erfüllen. Eine weitere wichtige Frage: Wie soll das Verhältnis zwischen ESA und der Europäischen Union ausgestaltet werden? Sie wissen ja, dass die ESA keine Institution der EU ist, sondern eine eigene zwischenstaatliche Organisation. Sie spielt also eine andere Rolle als die NASA, die eine nachgeordnete Behörde der US-Regierung ist.

Wie könnte die ESA der Zukunft aussehen?

Die ESA ist bereits heute ein Erfolgsmodell. Ihre Stärke ist, dass sie alle für die Raumfahrt relevanten Felder als integrierte Organisation abdeckt. Eine Aufspaltung wäre sicher kontraproduktiv und würde die europäische Raumfahrt schwächen. Oder wie es der Volksmund sagt: „Nur der Narr sucht sich für jede Maus eine andere Katze“.