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Verlust einer überragenden Persönlichkeit der europäischen Raumfahrt

02/04/2020 671 views 6 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Während wir, wie so viele auf der ganzen Welt, nach wie vor mit der Bekämpfung des Coronavirus und seinen Auswirkungen auf Mensch und Wirtschaft beschäftigt sind, hat uns die sehr traurige Nachricht erreicht, dass der ehemalige ESA-Generaldirektor und eine herausragende Persönlichkeit der europäischen Raumfahrt, Professor Reimar Lüst, im Alter von 97 Jahren verstorben ist.

Im Jahr 1961 beschloss die Max-Planck-Gesellschaft, dass die Zeit reif sei, sich Weltraumaktivitäten zu widmen, und zu diesem Zweck wurde Professor Lüst ausgewählt, um eine Task Force zu gründen. Dies führte schließlich zur Gründung des Instituts für Extraterrestrische Physik. In der Folgezeit wurde Reimar Lüst eine sehr aktive Figur in der Entwicklung der europäischen Zusammenarbeit im Weltraumbereich, was dazu führte, dass er der erste wissenschaftliche Direktor der ESA-Vorgängerorganisation ESRO wurde.

Professor Reimar Lüst
Professor Reimar Lüst

Nach zwei Amtszeiten als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft wurde er von 1984 bis 1990 für sechs Jahre Generaldirektor der ESA. Unter seiner Führung wurden zahlreiche wichtige Weltraumaktivitäten durchgeführt, darunter Highlights wie die Trägerrakete Ariane-5, die europäische Beteiligung an der Internationalen Raumstation ISS und die Kometen-Mission Giotto.

Jan Wörner, ESA-Generaldirektor:

1995, als ich Präsident der Technischen Universität Darmstadt wurde, habe ich eine öffentliche Konsultation zur Rolle und Organisation der Universitäten eingeleitet. In einer der offenen Diskussionen, die in diesem Zusammenhang stattfanden, war Professor Lüst ein Hauptredner und nutzte die Gelegenheit, seine Vision für Lehre und Forschung darzulegen. Was er sagte, diente als sehr wichtiger Beitrag zu meiner Arbeit, und ich konnte viele dieser Ideen nutzen, um die Institution, für die ich verantwortlich war, neu zu gestalten und dabei die erste autonome Hochschule in Deutschland zu schaffen.

Als die Diskussionen über einen neuen Generaldirektor der ESA im Jahr 2014 begannen und nach meiner Wahl zu diesem neuen Generaldirektor, nahm ich mit ihm Kontakt auf und traf mich mit ihm in seinem Haus in Hamburg. Seine Empfehlungen waren für mich überaus wertvoll, da er seine Erfahrungen und Beobachtungen aus seiner eigenen Zeit als Generaldirektor im Detail ausführte. Wir diskutierten den besten Weg nach vorn und die Hindernisse, auf die ein Generaldirektor bei dem Versuch stoßen könnte, die Agentur voranzubringen und ihr Potenzial zu optimieren. Er erläuterte all die verschiedenen Facetten der Arbeit und gab praktische Empfehlungen für die tägliche Arbeit als Generaldirektor. Seine sehr konkreten Erläuterungen gaben mir eine solide Grundlage als ich bei der ESA anfing - damals noch ein noch recht naiver Laie, wenn es um die Raumfahrt und die verschiedenen Interessen der Mitgliedstaaten ging.

Günther Hasinger, ESA-Direktor für Wissenschaft:

Reimar Lüst war der Gründungsvater des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik in Garching, wo ich einen großen Teil meiner wissenschaftlichen Karriere verbrachte. Als ich dort in den 1980er und frühen 1990er Jahren als Student und Postdoc tätig war, war er Präsident der Max-Planck-Gesellschaft und später Generaldirektor der ESA. Aber er nahm noch immer regelmäßig an unseren jährlichen Segelausflügen auf dem Chiemsee teil, und wir haben gemeinsam eine ganze Reihe von Abenteuern erlebt. Später, als ich Max-Planck-Direktor wurde, gab er uns in vielen das Institut betreffenden Angelegenheiten wertvolle Ratschläge, aber auch in Bezug auf meine eigene wissenschaftliche Karriere. Ich habe ihn immer sehr bewundert als einen großen Visionär und beeindruckenden Netzwerker.

Günther Hasinger und Jan Wörner:

Seine Aufgeschlossenheit, sein europäischer Geist und seine Leidenschaft und Entschlossenheit, wenn es um Wissenschaft und Raumfahrt ging, waren immer eine Inspiration und seine Ratschläge stets konkret, wohlüberlegt und hilfreich.

Ein großer Mann hat uns verlassen, aber wir werden ihn nie vergessen.

 

Der englische Original-Beitrag wurde in Jan Wörners Blog veröffentlicht.