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Harder-Gletscher, Nordgrönland
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Grönland: subglaziale Überflutung bricht durch die Oberfläche der Eisschicht

30/07/2025 276 views 1 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Anhand von Daten mehrerer Erdbeobachtungssatelliten, darunter CryoSat der ESA und die Missionen Copernicus Sentinel-1 und Sentinel-2, haben Forschungsteams entdeckt, dass eine enorme Flut unter dem grönländischen Eisschild mit solcher Wucht nach oben gedrückt hat, dass sie den Eisschild aufgebrochen hat und eine gewaltige Menge Schmelzwasser durch die Eisoberfläche gerungen ist.

Teilweise finanziert durch das ESA-Erdbeobachtungsprogramm „FutureEO“ untersuchte ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Lancaster University und des Centre for Polar Observation and Modelling in Grossbritannien einen bisher unentdeckten See unter der Eisdecke in einer abgelegenen Region im Norden Grönlands.

Mithilfe von 3D-Modellen der Eisoberfläche aus dem Projekt ArcticDEM sowie Daten aus mehreren Satellitenmissionen, darunter ERS, Envisat und CryoSat der ESA, Sentinel-1 und Sentinel-2 des europäischen Copernicus-Programms und ICESat-2 der NASA, entdeckten die Forschenden, dass dieser subglaziale See im Jahr 2014 plötzlich auslief.

Ihre Forschungsergebnisse, die heute in Nature Geoscience veröffentlicht wurden, zeigen, wie unter extremen Bedingungen das Wasser aus einem unter dem Eis liegenden See nach oben drängen und an der Oberfläche der Eisdecke austreten kann.

Diese neuen Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf das zerstörerische Potenzial des unter der Eisdecke gespeicherten Schmelzwassers.

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Ausbruch eines subglazialen Sees in Grönland
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Im Sommer 2014 bildete sich innerhalb von zehn Tagen ein riesiger Krater auf der Oberfläche der Eisdecke, 85 Meter tief und zwei Quadratkilometer groß, als 90 Millionen Kubikmeter Wasser plötzlich aus diesem versteckten subglazialen See austraten.

Das entspricht etwa der Wassermenge, die bei voller Wasserführung in neun Stunden über die Niagarafälle stürzt, und macht diese Flut zu einer der größten jemals in Grönland registrierten subglazialen Überschwemmungen.

Der plötzliche Anstieg des Schmelzwassers war an sich schon erschreckend, noch alarmierender waren jedoch die damit einhergehenden Schäden: 25 Meter hohe Eisblöcke wurden aus der Oberfläche gerissen, tiefe Risse bildeten sich in der Eisdecke und die Eisoberfläche wurde durch die zerstörerische Kraft der Flut abgetragen.

Subglaziale Überschwemmungen und Höhenveränderungen
Subglaziale Überschwemmungen und Höhenveränderungen

Jade Bowling, die diese Arbeit im Rahmen ihrer Promotion an der Lancaster University leitete, sagte: „Als wir das zum ersten Mal sahen, dachten wir aufgrund der unerwarteten Situation, dass etwas mit unseren Daten nicht stimmte. Bei näherer Betrachtung wurde jedoch klar, dass es sich um die Folgen einer gewaltigen Flut handelte, die unter dem Eis hervorgeströmt war.

Die Existenz von subglazialen Seen unter dem grönländischen Eisschild ist noch eine relativ neue Entdeckung, und wie unsere Studie zeigt, wissen wir noch nicht viel darüber, wie sie sich entwickeln und wie sie sich auf das Schelfeissystem auswirken können.

Wichtig ist, dass unsere Arbeit zeigt, dass wir besser verstehen müssen, wie oft sie abfließen und, was entscheidend ist, welche Folgen dies für das umgebende Schelfeis hat.“

Während bisher angenommen wurde, dass Schmelzwasser von der Oberfläche des Eisschildes nach unten bis zu seiner Basis fließt und schließlich ins Meer gelangt, zeigen diese neuen Erkenntnisse, dass Wasser auch in die entgegengesetzte Richtung fließen kann – nach oben durch das Eis hindurch.

Querschnitt (A–A) der Höhenänderung des Grönländischen Schelfeises
Querschnitt (A–A) der Höhenänderung des Grönländischen Schelfeises

Noch überraschender war die Entdeckung, dass die Überschwemmung in einem Gebiet stattfand, in dem Modelle ein gefrorenes Eisbett angezeigt hatten. Dies führte die Forschungsgruppe zu der Vermutung, dass starker Druck Risse unter und durch die Eisdecke verursacht hatte, wodurch Kanäle entstanden, durch die das Wasser aufsteigen konnte.

Aktuelle Modelle, die vorhersagen, wie Schelfeis auf den Klimawandel und die zunehmende Eisschmelze reagieren wird, berücksichtigen diese durch Risse verursachten Aufwärtsströmungen nicht.

Mal McMillan, Co-Direktor des Centre of Excellence in Environmental Data Science an der Lancaster University und Co-Direktor für Wissenschaft am UK Centre for Polar Observation and Modelling, sagte: „Diese Forschung zeigt den einzigartigen Wert langfristiger Satellitenmessungen der polaren Eisschichten der Erde, die aufgrund ihrer enormen Größe sonst unmöglich zu überwachen wären.

Satelliten sind ein unverzichtbares Instrument zur Überwachung der Auswirkungen des Klimawandels und liefern wichtige Informationen für die Erstellung realistischer Modelle darüber, wie sich unser Planet in Zukunft verändern könnte.

Dies ist etwas, worauf wir alle angewiesen sind, um die Resilienz unserer Gesellschaft zu stärken und die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern."

 

Querschnitt (B–B) der Höhenänderung des Grönländischen Schelfeises
Querschnitt (B–B) der Höhenänderung des Grönländischen Schelfeises

Diego Fernandez, Leiter der wissenschaftlichen Abteilung für Erdbeobachtung bei der ESA, erklärte: „Diese Entdeckung ist bemerkenswert, und wir sind stolz darauf, dass unser Projekt „Science for Society 4D Greenland“ maßgeblich dazu beigetragen hat. 

Das Ziel des Projekts ist es, unser Verständnis der Hydrologie des grönländischen Eisschildes durch die Nutzung von Daten aus Erdbeobachtungssatelliten zu vertiefen und insbesondere Aufschluss darüber zu geben, wie der Eisschild auf den Klimawandel reagiert.

Dieses Ergebnis ergänzt die Erkenntnisse, die wir durch den Polar Science Cluster der ESA über die Veränderungen der Arktis als Reaktion auf die zunehmende Erwärmung gewinnen. Ein besseres Verständnis der Hydrologie ist entscheidend, um diese Veränderungen zu verstehen und vorherzusagen, wie dazs Schelfeis zum globalen Anstieg des Meeresspiegels in einem sich erwärmenden Klima beitragen wird.

Wir gratulieren dem Forschungsteam zu diesem Beitrag zum besseren Verständnis dieser gefährdeten Region.“

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