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Aufnahme von den Anlagen zur Missionskontrolle
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IXV: 100 Minuten alles entscheidendes Teamwork

04/02/2015 3409 views 23 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Während seiner kurzen, aber äußerst wichtigen Mission werden Experten auf drei Kontinenten und hoher See eng zusammenarbeiten, um ESAs Raumfahrzeug IXV auf seiner Mission zu unterstützen und um seinen freien Flug im Weltraum, seinen spektakulären Wiedereintritt in die Erdatmosphäre sowie seine Landung im Pazifischen Ozean zu begleiten.

Am 11. Februar wird das Intermediate eXperimental Vehicle (IXV) der ESA an Bord einer Vega-Trägerrakete von Kourou aus starten und in eine suborbitale Erdumlaufbahn gebracht.

Das flügellose Raumfahrzeug wird bis zu einer Höhe von etwa 412 km aufsteigen, um anschließend den Wiedereintritt aus einer niedrigen Umlaufbahn zu simulieren und seine Mission mit einer sicheren Landung im Pazifik zu beenden. Auf seinem 40-minütigen Flug bei hypersonischen und supersonischen Geschwindigkeiten wird IXV neue, zukunftsweisende europäische Wiedereintrittstechnologien testen.

Die Antriebsphase von IXV an Bord einer Vega-Trägerrakete wird von Arianespace-Teams vom Jupiter-Kontrollraum in Kourou (Französisch-Guayana) aus gesteuert.

Nach etwa 18 Minuten Flugzeit wird sich das Raumfahrzeug von seiner Trägerrakete lösen und die Teams in Kourou werden gemeinsam mit Experten in Europa, Afrika sowie auf einem Bergungsschiff im Pazifik die Missionskontrolle übernehmen. Als gemeinsames Team werden Sie IXV auf seinem wichtigen Datenerfassungsflug begleiten.

Die Kernkompetenz der Flugsteuerung von IXV basiert auf dem Know-how europäischer Industriepartner und Institutionen, des ESA-Startteams sowie des IXV-Projektbüros.

„Ein überragendes Ingenieursteam des Europäischen Raumflugkontrollzentrums der ESA (ESOC) in Darmstadt wird die Mission vom IXV-Missionskontrollzentrum in Italien, den Funkstationen in Afrika und einem Bergungsschiff aus unterstützten“, so IXV-Projektleiter Giorgio Tumino.

Die Experten bringen Erfahrungen aus den Bereichen Echtzeit-Missionsbetrieb, Missionskontrollsysteme, Funkstationstechnologie und -betrieb, Simulationstraining, Flugdynamik und Bodenkommunikation mit.

„Das Fachwissen und die Beiträge dieser Experten sind die unverzichtbare Voraussetzung, um den verlässlichen Betrieb unserer IXV-Bodensysteme zu gewährleisten“, so Giorgio Tumino, der während des Fluges ebenfalls als IXV-Missionsleiter am „Schalthebel“ sitzen wird.

Kritische Planung über drei Kontinente und die hohe See: Wer übernimmt was?

 

Wie bei allen ESA-Missionen besteht auch das Bodensegment von IXV aus den Missionskontrollsystemen sowie den Datennetzwerken und Funkstationen, die das Raumfahrzeug vom Boden aus auf seinem Flug unterstützen.

Mannschaft an der Station in Libreville
Mannschaft an der Station in Libreville

Am geplanten Abflugtag wird das IXV-Missionskontrollzentrum (MCC) im Advanced Logistics Technology Engineering Centre (ALTEC) im italienischen Turin zum Zentrum des Geschehens. Von dort aus wird das gesamte Bodensegment koordiniert, einschließlich der 10-Meter-Bodenantennen in Libreville (Gabun) und Malindi (Kenia) sowie der Funkantenne an Bord des Bergungsschiffes Nos Aries.

Nachdem sich IXV auf einer Höhe von etwa 340 Kilometern von seiner Vega-Trägerrakete gelöst hat, wird das Raumfahrzeug damit beginnen, Signale an die Erde zu senden, die nach etwa 18 Minuten Flugzeit zuerst von der Bodenstation in Libreville empfangen werden.

„Diese ersten telemetrischen Bordsignale werden uns über den aktuellen Status von IXV aufklären und es uns ermöglichen, genauere Kalkulationen der verbleibenden Flugbahn und der geplanten Landekoordinaten anzustellen“, erklärt Gerhard Billig, IXV-Betriebsleiter und Verantwortlicher für die allgemeine Funktionalität des Bodensegments.

Station in Malindi
Station in Malindi

Das vollkommen autonome Raumfahrzeug wird während seines Fluges – mithilfe der beiden Halbschalen seiner Nutzlastverkleidung und vier 400-N-Triebwerken – eine vorprogrammierte Reihe an Manövern durchführen. Dabei sammeln mehrere Druck-, Temperatur- und Beschleunigungssensoren sowie Infrarotkameras an Bord wichtige wissenschaftliche Flugdaten. Während des Wiedereintritts bei extrem hohen Temperaturen wird das Raumfahrzeug automatisch von seinen Halbschalen stabilisiert und manövriert.

Nach 23 Minuten Flugzeit folgt bereits der nächste kritische Schritt: Aufgrund der Erdkrümmung verliert die Bodenstation in Libreville den Kontakt zu IXV und die Teams in Malindi übernehmen den Signalempfang. Diese Funkverbindung hält in etwa 11 Minuten an, bevor auch dort der Kontakt abbricht.

Rund 32 Minuten nach dem Start erreicht das Raumfahrzeug seine maximale Höhe von 412 Kilometern – etwa dieselbe Höhe wie die ISS. Anschließend sinkt es im freien Fall wieder zurück in Richtung Erde.

Rasanter Wiedereintritt in die Erdatmosphäre mit 27.000 km/h

 

Nach dieser ballistischen Phase beginnt die kritischste Phase der IXV-Mission: der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Ab einer Höhe von 120 Kilometern rast der aerodynamische Auftriebskörper des Raumfahrzeugs mit 27.000 km/h in die Erdatmosphäre und simuliert damit einen typischen Wiedereintritt einer Raumsonde aus einer niedrigen Umlaufbahn.

Künstlerische Darstellung vom IXV -  Intermediate eXperimental Vehicle
Künstlerische Darstellung vom IXV - Intermediate eXperimental Vehicle

„Das ist der Zeitpunkt, an dem das gesamte Bodenteam am angespanntesten ist. Nach dem Kontaktabbruch zwischen IXV und der Malindi-Bodenstation werden wir keinerlei Signale empfangen, bis die Wiedereintrittsphase überstanden ist. Denn das heiße Plasma, von dem das Raumfahrzeug umgeben ist, blockiert auf dem Sinkflug durch die ionisierte Atmosphäre jegliche Signale“, so Giorgio Tumino. 

Die Wiedereintrittsphase beginnt nach etwa 64 Minuten Flugzeit und dauert circa 20 Minuten an. Während dieser Phase ist das thermale Schutzsystem am Unterbau des Raumfahrzeugs Temperaturen von bis zu 1.700 °C ausgesetzt – heiß genug, um Nickel zu schmelzen.

In der Zwischenzeit – auf dem Pazifischen Ozean, etwas nördlich des Äquators und circa 25 Kilometer vom nominalen Landepunkt auf dem Ozean entfernt (3°N, 123°W) – ist die Antenne an Bord des Bergungsschiffs Nos Aries auf die voraussichtliche Flugbahn von IXV gerichtet und wartet auf die erste Signalerfassung (engl.: AOS, Aquisition of Signal). Das ist das Zeichen, dass der Wiedereintritt erfolgreich war.

Sinkflug zur Wasserlandung im Pazifik

Der Prototyp wird an Bord genommen
Der Prototyp wird an Bord genommen

 

Unmittelbar nach der AOS, etwa 82 Minuten nach dem Start, und sobald das Funkloch überstanden ist, beginnt die Funkstation an Bord des Schiffes umgehend damit, die gespeicherten wissenschaftlichen Daten des Raumfahrzeugs zu empfangen und aufzunehmen und die verbleibenden kritischen Flugaktivitäten zu überwachen. Dazu zählen der Abwurf der Fallschirmabdeckung, das Öffnen und Entfalten des Drei-Phasen-Fallsschirms sowie die Wasserlandung.

Kurz vor der Wasserlandung wird das Flotationssystem aktiviert, woraufhin sich vier Ballone mit Luft füllen, um IXV über Wasser zu halten.

Teamwork mittels Echtzeitkommunikation

 

Während des gesamten Fluges bleiben die Bodenteams auf der Nos Aries, im MCC in Turin und im Jupiter-Kontrollraum in Kourou über Sprach- und Datenverbindungen mittels Kabelverbindung und Inmarsat-Satelliten sowohl miteinander als auch mit dem Raumfahrzeug in Kontakt.

„So können der IXV-Missionsleiter und alle Mitglieder des Bodenteams ihre Sprach- und Datenverbindung aufrechterhalten, die telemetrischen Daten einsehen, die von IXV übermittelt werden, und als ein geschlossenes Team zusammenarbeiten“, erklärt Gerhard Billig.

Zwei Jahre der intensivsten Bemühungen waren nötig, um die IXV-Bodensysteme zu entwickeln, aufzubauen und zu testen und die Verbindungen zwischen den verschiedenen Bodenstationen zu testen, die nun allesamt an nur einem Tag zum Einsatz kommen.

„Zwar dauert die IXV-Mission nur 100 Minuten, dennoch haben wir ihre Bodensysteme anhand der anspruchsvollen Technik- und Entwicklungsstandards integriert, die wir auch für größere und längere ESA-Missionen verwenden“, sagt Giorgio Tumino.

„Wir freuen uns auf einen erfolgreichen Flug, überaus wertvolle Daten und die Weiterentwicklung von Europas Möglichkeiten der Weltraumerforschung.“

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